Homosexualität
Grundlagen zur moralischen Bewertung
Zur moralischen Bewertung der Homosexualität
Auf unserer Homepage bemühen wir uns, sowohl
grundlegende Fragen unseres
Glaubens aufzugreifen und zu erläutern, als auch
keine Scheu vor den "heißen
Eisen" zu habe. Priestertum der Frau,
Zölibat, Sexualmoral -
alles keine Themen,
vor denen wir zurückschrecken würden.
Anders sieht es aber mit einer moralischen
Bewertung der Homosexualität und der
homosexuellen Handlungen aus. Schon seit Jahren
erreichen mich immer wieder
Anfragen zu diesem Thema, aber ich habe mich - auch
auf eifrige Ratschläge meiner
Mitbrüder - davon überzeugen lassen, davon die
Finger zu lassen.
Grund dafür ist die vollkommen übersteigerte
Emotionalität, mit der diese Frage
diskutiert wird; eine Diskussion, die mit großer
Betroffenheit und oft ohne wirkliche
Argumente geführt wird.
Möge jemand noch so sauber argumentieren; Für und
Wider ausgewogen abwägen und vielleicht
sogar einen hieb- und stichfesten Gedankengang
vorlegen: Alles das wird in hitzigen
Diskussionen leider nicht gewertet, weil selbst ein
logisch korrekt hergeleiteter Schluss
«homosexuelle Handlungen sind Sünde» an sich schon
falsch sein soll. «Es kann nicht sein,
was nicht sein darf».
In dieser Situation eine Katechese zu schreiben, die
die Lehre der Kirche vor Augen
hat und von der Hoffnung lebt, eine gute Begründung
würde eventuell denkende
Menschen zur Korrektur
ihrer Meinung führen, ist mehr als gewagt.
Nun, ich habe mich dennoch dazu durchgerungen. Nicht
allein, um (wie sooft auf
unserer Homepage) die Haltung der Kirche
verständlich zu machen, sondern auch,
um eine Lanze für unsere
homosexuellen Freunde zu brechen. Denn mit der
grundsätzlichen
Weigerung, Argumente zu bedenken, ist das
wesentliche Unterscheidungsmerkmal
zunichte, das gute von schlechten Argumenten
unterscheidet. Aus
dieser Indifferenz-Haltung heraus entstehen
nämlich auch falsche Argumente gegen
die Homosexualität, die es zu widerlegen gilt, weil
sie sowohl den Homosexuellen
als auch der Religion Unrecht tun.
Das mag überraschen. Aber diese Katechese ist nicht
in erster Linie deshalb
geschrieben, um eine bestimmte
Position zu vertreten, sondern um die Diskussion
über die moralische Bewertung von homosexuellen
Handlungen wieder mit rationalen
Argumenten zu führen - und nicht mit leeren
Worthülsen, gegenseitigen Diffamierungen und
medialen Shit-Storms. |
Vorbemerkungen
Ein Blick in die Publikationen, Diskussionen und
theologischen Texte zur moralischen
Bewertung homosexueller Handlungen offenbart einen Mangel,
den wir nicht
leugnen dürfen: Wirklich stichhaltige Argumente finden
sich selten.
...sowohl in der Ablehnung der homosexuellen Handlungen,
als auch in der argumentativen
Ablehnung dieser Ablehnung.
Das macht die Auseinandersetzung nicht einfacher. Es ist
eine leidvolle Erfahrung,dass
Positionen, die sich nur schwer argumentativ begründen
lassen, trotzdem nicht
vorsichtiger oder verständnisvoller vertreten werden. Im
Gegenteil: Je unsicherer
die Begründung einer These, desto plakativer wird sie
oft vertreten - in der Hoffnung,
den Mangel an Geist durch einen starken Auftritt zu
überspielen.
Ich weiß, dass es nicht einfach wird, in dieser Frage
Argumente zu suchen und -
wenn wir welche finden - sie angemessen zu bewerten. Aber
versuchen können wir
es ja einmal.
Das Fehlen von Argumenten
Es ist tatsächlich so: Eine rationale Begründung, warum
gelebte Homosexualität
etwas in sich Schlechtes sein soll, findet sich kaum -
weder im kurzlebigen Internet
noch in der jahrhunderte-alten Buchtradition. Das muss
aber nicht unbedingt daran
liegen, dass es solche Argumente nicht gibt. Mir fallen
spontan zwei gute Gründe
ein, wobei einer der beiden Gründe schon Teil unserer
Argumentation ist.
Ein
Grund dafür
Tatsächlich galt die Homosexualität über Jahrhunderte (ja,
wahrscheinlich sogar
über Jahrtausende) als so offensichtlich widernatürlich,
dass zu keiner Zeit eine
breite gesellschaftliche oder philosophische Diskussion
darüber geführt wurde.
So gab es bis zur Einführung des Begriffes
"Homosexualität" im Jahre 1868 in keiner Sprache
überhaupt ein Wort für das, was wir heute "Homo- und
Heterosexualität" nennen.
Das bedeutet nicht, dass es nicht ebenso lang - also quasi
zu allen Zeiten - immer
wieder Menschen mit homosexuellen Neigungen gab.
Homosexuelle Handlungen
wurden verheimlicht, verurteilt, bestraft oder geduldet
(geduldet zumeist dann,
wenn sie von mit entsprechender Macht ausgestatteten
hochgestellten Personen
ausgeführt wurden). So oder so - es wurde nicht viel
darüber diskutiert.
Erst im 19. Jahrhundert begann mit einer juristischen
Auseinandersetzung ein Prozess, der diesen Konsens in
Frage stellte; erst im 20. Jahrhundert zog diese Diskussion
auch in der christlichen Theologie Kreise. Aber aus dem
Befund, dass die Diskussion
der Homosexualität erst sehr spät einsetzte, darf nicht
gefolgert werden,
dass der frühere Konsens in der moralischen Ablehnung der
Homosexualität unbegründet
war.
Ein
zweiter
Grund
Es gibt aber noch einen anderen Grund, der deutlich macht,
warum auch in der
gegenwärtigen Diskussion wenige Argumente genannt werden:
Es ist nämlich sehr
schwer, für die moralische Beurteilung logisch zwingende
Argumente zu finden;
für unser moralisches Verhalten sind Intuition, Mitgefühl,
auch Erziehung und
Kultur, noch mehr aber Gewissen, Wahrheitsempfinden und
Verstand gemeinsam
verantwortlich. Jemand, der sein (bedenkliches) Verhalten
unbedingt rechtfertigen
will, kann rational kaum vom Gegenteil überzeugt werden.
Das zeigt sich überdeutlich in besonderen Fällen (die hier
selbstverständlich nicht mit homosexuellen
Handlungen gleichgestellt werden sollen): Einen
Serienkiller, einen Entführer oder
Terroristen durch Argumente davon überzeugen zu müssen,
seine Taten seien böse, ist oft
zum Scheitern verurteilt. Das liegt aber weniger an der
Irrationalität der Behauptung, Vergewaltigung
und sexueller Missbrauch seien verachtenswert. Vielmehr
müssen wir uns eingestehen,
dass jede rationale Argumentation auf ein Mindestmaß an
Wohlwollen und Offenheit
angewiesen ist. Das gilt für jede Argumentation - ganz
unabhängig von ihrem Inhalt. Es kann
sich
als eine fatale Illusion erweisen, uneinsichtige Täter
allein durch Argumente von ihrer Tat
abbringen zu wollen.
Aristoteles hat einmal gesagt: "Jemand, der behauptet, man
dürfe seine Mutter misshandeln,
verdient keine Argumente, sondern Schläge."
Das bedeutet aber nicht, dass Moral nicht argumentativ
durchleuchtet und geprüft
werden kann. Die Frage ist deshalb, wer die Beweislast zu
tragen hat.
Die Verteilung der Beweislast
Moral geht immer vom natürlichen Empfinden der Menschen
aus; dieses wird keineswegs
durch die Kultur restlos manipuliert: Sonst gäbe es keine
"Abweichler" von
der vorherrschenden Moral, keine Revolutionen,
Widerstandsbewegungen und
Umwälzungen, von denen wir allein schon in unserem
Kulturraum wissen.
Wir können unserem Empfinden bis zu einem sehr weiten Maße
vertrauen; auch
über Kulturen und Epochen hinweg sind die moralischen
Vorstellungen zum größten
Teil die gleichen geblieben. Gegenteilige Behauptungen
unterliegen einer optischen
Täuschung: Die Gegensätze fallen uns sofort auf und
erregen unser Verwundern;
ganz gleich, ob es sich um andersartige
Bestrafungsmethoden in islamischen Ländern
oder seltsame Foltermittel früherer Epochen unserer Kultur
handelt. Denn
neben diesen Auffälligkeiten kenne ich keine Kultur, in
der Undankbarkeit eine
Tugend wäre, in der man die Lüge schätzt und lobt, in der
Verträge hintergangen
werden sollten oder Versprechen gebrochen werden müssen.
Selbstverständlich gab
es zu allen Zeiten - ich behaupte sogar: bis in die
prähistorische Zeit hinein - Liebe
und Beziehung als Gut; ebenso wie Lieblosigkeit,
Beziehungsbruch und körperliche
Gewalt als ein Übel.
Wenn wir also unserer überkommenen Kultur zunächst
vertrauen und deren Werte
übernehmen dürfen, ohne dass wir uns der Gedankenlosigkeit
schuldig machen, so
heißt das nicht, dass wir deshalb nicht kritisch sein
müssen.
Ob wir aber wirklich kritikfähig sind, hängt davon ab, wem
wir die Beweislast zuerkennen.
Muss der alte Schamane mir beweisen, dass seine
Traditionen und Werte
rational begründbar sind? Muss die weise Bauersfrau, die
in der Lebenserfahrung,
die sie schon von ihren Großeltern geerbt hat, ihre Kinder
und Enkel erzieht, ihre
Position philosophisch herleiten? Muss ein
Handwerksmeister der uralten Schmiedekunst
jeden seiner überlieferten Kunstgriffe rechtfertigen
können, bevor er den
Lehrling unterrichtet?
Nein, wohl kaum. Allerdings sind die vorgegebenen Werte
nicht automatisch sakrosankt.
Vielmehr besteht die Schuldigkeit des Schamanen, des
Meisters oder der
Großmutter, Kritik der Jugend zuzulassen, ihr zuzuhören
und sie zu bedenken.
Denn in der Moral gilt mehr als in allen anderen
Bereichen: Wer fordert, muss
begründen; wer kritisiert, muss analysieren. Wer verwirft,
muss bedenken! Die Aufgabe
der "Alten" ist nicht, ihr Leben in allem zu rechtfertigen
(so kann man gar
nicht leben), sondern den Neuerern Gelegenheit zu geben,
ihre Kritik zu begründen.
Und diese Begründung wohl zu bedenken!
Nun, eigentlich könnte sich diese Katechese mit diesen
Ausführungen begnügen und
hier schließen. Denn es dürfte keine Schwierigkeit sein,
(1) die Ablehnung der
Homosexualität als biblisch und geschichtlich als
"außerhalb der Norm stehend" zu
erweisen, und (2) deren Nutzen biologisch, evolutionär
und sozial als zumindest
zweifelhaft zu erweisen. Damit liegt die Beweislast bei
denen, die sich für eine Veränderung
der Normen einsetzen: Was für Argumente lassen sich
finden, die die
moralische Ablehnung der gelebten Homosexualität als
einen bloß kulturbedingten
Irrtum entlarven? Wie sehen die rationalen Argumente
aus, die ein Umdenken in
dieser Frage fordern?
Dabei gilt: Nur, weil eine Norm alt ist, ist sie deswegen
nicht schlecht. Eine moralische Vorstellung als
"fortschrittlich" zu bezeichnen, macht sie noch nicht gut;
selbst wenn sie tatsächlich
neu sein sollte.
Es gibt zu viele Beispiele, in denen Menschen Diktatoren,
Demagogen und Rassisten gefolgt
sind, weil sie glaubten, sie würden einer "neuen Moral"
folgen und das Alte gelte nicht mehr.
Wer glaubt, eine Behauptung als "mittelalterlich" zu
bezeichnen, sei schon ein Argument,
begibt sich auf das gleiche, sehr dünne Eis.
Nun, ich will es vorweg nehmen: Ich kenne kein wirklich
tragfähiges Argument für
die Abkehr von der Verwerfung der homosexuellen
Handlungen. Dennoch begnügt
sich die Kirche nicht mit der Verteilung der Beweislast
und verzichtet auf eigene
Argumente - im Gegenteil.
Behalten wir aber im Hinterkopf: Die Frage der moralischen
Erkenntnis hängt nicht davon ab,
ob ich meine traditionelle Position gut begründen kann.
Wer also mit den Argumenten der
Kirche, die im vierten Teil genannt werden, nicht
einverstanden ist (und ich vermute, das
werden nicht wenige sein), muss sich dennoch erst einmal
selbst bewähren und belastbarere
Gegenargumente bringen.
Auch, wenn sich die katholische Kirche mit eigenen
Begründungen der Normen hervortut,
kehrt sich die Beweislast deshalb nicht um: Das Recht auf
gelebte Homosexualität muss
begründet werden - nicht umgekehrt.
So gehen wir also in drei Schritten vor: Zunächst (Teil 1)
stellen wir den biblischen
Befund dar (eine historische, fremde Kulturen und
Religionen überblickende Untersuchung
können wir hier natürlich nicht leisten). Danach (Teil 2)
traut sich die
katholische Moral sogar mehrere theologische und rationale
Begründungen der
kirchlichen Position zu; gleich darauf (Teil 3) müssen wir
auch auf Fehlentwicklungen
in den Argumentationen hinweisen. Schließlich (Teil 4)
betrachten wir die
Argumente, die eine Änderung der kirchlichen Moral
begründen wollen.
Das letzte Kapitel (Teil 5) ist vielleicht sogar das
Wichtigste, weil es eben nicht
mehr nach Argumenten und Gegenargumenten fragt, sondern
die Kirche (das sind
schließlich alle Getauften!) an ihre ureigenste Aufgabe
erinnert: Das Heil für die
Seelen, die Seelsorge.
1. Teil: Biblische Argumente
Den Blick in andere Kulturen will ich mir sparen. Der
Blick in die jüdisch-christliche
Bibel lässt allerdings keinen Zweifel: Da ist die
Faktenlage eindeutig. Sowohl im
Alten Testament (sehr eindeutig!) als auch im Neuen
Testament gibt es klare
Anweisungen, homosexuelle Handlungen zu verurteilen.
Schauen wir zunächst ins Alte Testament. Im Buch Levitikus
("3. Buch Mose") heißt
es ziemlich eindeutig:
Levitikus 18,22: «Du darfst nicht mit einem Mann schlafen,
wie man mit einer Frau schläft;
das wäre ein Gräuel.» (In der Übersetzung der "Guten
Nachricht" heißt es: «Kein Mann darf
mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehren; denn das
verabscheue ich.»)
Levitikus
20,13: «Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer
Frau schläft, dann haben
sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod
bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.»
In der "Guten Nachricht" wird übersetzt: «Wenn ein Mann
mit einem anderen Mann
geschlechtlich verkehrt, haben sich beide auf abscheuliche
Weise vergangen. Sie müssen
getötet werden; ihr Blut findet keinen Rächer.»
Neben diesen "Anweisungen" wird auch in der Erzählung der
Vernichtung von
Sodom und Gomorrha die Sünde der beiden Städte anhand
homosexueller Handlungen
illustriert:
Genesis 19,1-7: «Die beiden Engel kamen am Abend nach
Sodom. Lot saß im Stadttor von
Sodom. Als er sie sah, erhob er sich, trat auf sie zu,
warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder
und sagte: Meine Herren, kehrt doch im Haus eures Knechtes
ein, bleibt über Nacht, und
wascht euch die Füße! Am Morgen könnt ihr euren Weg
fortsetzen. Nein, sagten sie, wir wollen im Freien
übernachten.
Er redete ihnen aber so lange zu, bis sie mitgingen und
bei ihm einkehrten. Er bereitete ihnen
ein Mahl, ließ ungesäuerte Brote backen, und sie aßen. Sie
waren noch nicht schlafen gegangen,
da umstellten die Einwohner der Stadt das Haus, die Männer
von Sodom, jung und alt,
alles Volk von weit und breit. Sie riefen nach Lot und
fragten ihn: Wo sind die Männer, die
heute Abend zu dir gekommen sind? Heraus mit ihnen, wir
wollen mit ihnen verkehren.
Da ging Lot zu ihnen hinaus vor die Tür, schloss sie
hinter sich zu und sagte: Aber meine
Brüder, begeht doch nicht ein solches Verbrechen!»
Nun sind die Anordnungen im Alten Testament grundsätzlich
von sehr unterschiedlicher
Qualität: Es ist nicht dasselbe, ob das Tragen von
Kleidung aus unterschiedlichen
Stoffen (Lev 19,19), Kinderopfer (Lev 20,20) oder das
Essen von Schalentieren
(Lev 11,10) verurteilt wird. Wir können uns also nicht
guten Gewissens einfach
auf den Text biblischer, vorchristlicher Gesetze berufen,
ohne nach den Gründen
für diese Anordnungen zu fragen und sie auf ihre bleibende
Bedeutung zu untersuchen.
Ansonsten setzen wir uns der Gefahr des Fundamentalismus
aus - in diesem Fall des "Rechtspositivismus":
Etwas sei nur deshalb verboten, weil es als verboten
festgelegt wurde.
Die Zeugen Jehovas beispielsweise lehnen jedwede
Übertragung von Blut ab, weil in der Bibel
an mehreren Stellen der "Genuss" von Blut verworfen wird.
Blutspenden sind selbst in
Lebensgefahr nicht erlaubt, auch Eigenblutspenden werden
verworfen. Eine auch heute noch
nachvollziehbare Begründung - und ein Verweis auf einen
möglichen Schaden - bleiben die
Zeugen Jehovas allerdings schuldig.
Die Wiederholung und Bekräftigung einer Anordnung aus dem
mosaischen Gesetz
im Neuen Testament hat nun schon mehr Gewicht. Jesus hat
die Allgemeingültigkeit
der alttestamentlichen Anordnungen aufgehoben (z.B. die
Speisevorschriften),
wichtige moralische Grundsätze aber aus der Versenkung
gehoben (z.B. die Unauflöslichkeit
der Ehe). Wie sieht es mit der moralischen Bewertung der
Homosexualität
im Neuen Testament aus?
Im Brief des Apostels Paulus an die Römer (1, 26-27) heißt
es: «Ihre Frauen vertauschten
den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso
gaben die Männer den natürlichen
Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde
zueinander; Männer trieben mit Männern
Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre
Verirrung.»
1. Korinther 6, 9: «Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte
das Reich Gottes nicht erben werden?
Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener,
weder Ehebrecher noch
Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch
Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer,
keine Räuber werden das Reich Gottes erben.»
1.
Timotheus 1, 8-10 (Gute Nachricht): «Wir dürfen nämlich
eines nicht vergessen: Das
Gesetz ist nicht für Menschen da, die tun was Gott will,
sondern für solche, die sich um Recht
und Ordnung nicht kümmern. Es ist für Sünder bestimmt, die
Gott und seine Gebote verachten,
für Leute, die Vater und Mutter töten, Mord und Unzucht
begehen und als Männer mit
Knaben oder ihresgleichen verkehren, für Menschenhändler
und solche, die lügen und falsche
Eide schwören oder sonst etwas tun, was im Widerspruch zur
gesunden Lehre steht.»
Das unterstreicht nicht nur die Anordnung aus der
vorchristlichen Zeit: Es ist also
nicht nur eine rein auf das jüdische Volk beschränkte
Gepflogenheit, Homosexualität
abzulehnen, sondern wird ohne Bedenken in die christliche
Tradition übernommen.
Es findet sich allerdings weder im AT noch im NT eine
Begründung dieser Anordnung,
weshalb es durchaus möglich wäre, mit guten Argumenten
diese Moralvorstellung
anzuzweifeln. So wird auch das "Blutverbot" des AT im
Neuen Testament
wiederholt (Apg 21,25) - und dennoch von den Christen sehr
bald aufgegeben. Sie
haben erkannt, dass das "Blutverbot" letztlich auf eine
mythologische Vorstellung
vom Blut als "Sitz der Seele" zurückzuführen ist - und bei
der Einhaltung entsprechender hygienischer Standards ohne
schädliche Folgen bleibt, sowohl für den Körper, als auch
für die Seele.
Als vernünftige Christen sollten wir dafür Geduld und
Redlichkeit aufbringen: Wir
müssen zulassen, dass unsere christlichen
Moralvorstellungen, auch wenn sie
sowohl im AT als auch im NT erwähnt werden, auf ihre
Herkunft, Begründung und
bleibende Bedeutung überprüft werden.
2. Teil: Die Begründung der moralischen Ablehnung homosexueller
Handlungen
Die Begründung der moralischen Ablehnung von homosexuellen
Handlungen ist -
faszinierenderweise - gar nicht direkt gegen die
Homosexualität gerichtet. Der
Katechismus der katholischen Kirche begründet eine
Ablehnung nicht aus einem
Erweis der Schädlichkeit, sondern aus einer positiven
Sicht der Sexualität.
Wie auch schon in der Katechese zur "künstlichen
Empfängnisverhütung" und der
grundlegenden Katechese zur Sexualität ("Kirche und
Sexualität") ausführlich
beschrieben, sind sexuelle Handlungen nicht einfach eine
vergnügliche Freizeitbeschäftigung, sondern eine Sprache.
Eine Sprache ist aber nur dann erfüllt und ausdrucksstark,
wenn sie offen bleibt für den Inhalt, für den sie bestimmt
ist.
Der Inhalt der Sexualität ist unstrittig: Die Hochform der
Sexualität (als Sprache
der Liebe) dient der Stärkung des Ehebandes - indem sie
Ausdruck der ehelichen
Liebe ist.
Ja - der Stärkung des Ehebandes. Das allein ist schon eine
Provokation in der heutigen
Gesellschaft; denn in vielen Bereichen unserer
Gesellschaft hat sich die "sexuelle Betätigung"
nicht erst von der Liebesbekundung gelöst (was im
allgemeinen schon als Verlust gesehen
wird), sondern zuvor schon vom ehelichen Rahmen, in dem
Liebe und Sexualität ein
geschützter Raum gewährt wird.
Es ist aber für das Verständnis der Einsicht der
katholischen Kirche unverzichtbar, diesen
Rahmen mitzudenken: Der Geschlechtsverkehr ist Ausdruck
und Siegel der ehelichen Liebe.
Somit ist alles, was zur Ehe gehört, auch Bestandteil des
durch die Sexualität vermittelten
Inhaltes.
Wenn
allerdings Sexualität nichts mit der Institution "Ehe" zu
tun hat, verfällt an dieser Stelle
schon die ganz katholische Ehemoral: Dann könnte jeder -
auch zwei gute Freunde, drei
Arbeitskollegen oder die Nachbarn - in den Ausdruck ihrer
freundschaftlichen, kollegialen
oder nachbarschaftlichen Beziehung sexuelle Handlungen
einbeziehen.
Ausdruck der ehelichen Liebe kann aber nicht sein, was
einen wesentlichen Bereich
dieser Liebe und Hingabe ausschließt. So ist eine Ehe, die
nicht das Wohl des
Ehepartners im Blick hat, keine Ehe; ebensowenig ist eine
Liebe, die nur auf den
Partner beschränkt bleiben will und jeden Nachwuchs von
dieser Liebe ausschließt,
keine wirklich eheliche Liebe.
Natürlich ist eine Liebe, die keinen Nachwuchs möchte,
dennoch eine Liebe. Es gibt ja
zahlreiche Formen der Liebe (innerhalb der Familie,
zwischen Freunden und Freundinnen, ja,
im Grunde zwischen allen Menschen), die alle gleichwertig
sein können - aber nicht immer
gleichartig sind.
Die eheliche Liebe jedoch ist nicht nach Belieben
gestaltbar. Die Ehe ist dem Menschen
vorgegeben (ein Geschenk!), sie ist kein Haufen
Legobausteine zum freien Basteln.
Auch ist eine Ehe, die den ehelichen Akt (den
Geschlechtsverkehr) zu einer
Beliebigkeit degradiert und mit vielen anderen Menschen
teilt, keine Ehe - selbst
dann, wenn unabhängig von der körperlichen Betätigung eine
emotionale, geistige
und spirituell einmalige Beziehung zum Geliebten besteht.
Ich betone: All das ist die Ausgangslage der katholischen
Sexualmoral, die nur in
Erinnerung ruft, was der Schöpfer allen Menschen ins Herz
geschrieben hat. Wer
diese Ausgangslage nicht teilt, braucht sich nicht zu
wundern, wenn wir zu
entgegengesetzten Moralvorstellungen kommen. Deshalb
sollte jede
Auseinandersetzung über die christliche Moral zunächst
diese Grundlagen
diskutieren. Nochmal: Zunächst muss die Verbindung von
Sexualität und Ehe
begriffen werden, bevor wir an die moralische Bewertung
z.B. der Homosexualität
gehen.
Akzeptieren wir jedoch diese Wertmaßstäbe, dann ergeben
sich eindeutige Konsequenzen
für die moralische Bewertung homosexueller Handlungen.
Simulierte Ehe
Es gibt viele verschiedene Formen der Beziehungen zwischen
den Menschen, und in
jeder dieser Beziehungen soll die Liebe zueinander der
maßgebliche Inhalt sein. Die
Kirche schützt und fördert ausdrücklich alle diese Formen
der Gemeinschaften, ob
nun als Freundschaften, in Vereinen, in
Klostergemeinschaften oder an den Bildungseinrichtungen,
Arbeitsstellen oder in den Familien.
Diese Beziehungen dürfen in großer Freiheit von den
Beteiligten selbst gestaltet
werden; die Kirche ermuntert ausdrücklich zu dieser
Gestaltungsfreiheit und fordert
sie auch ein - etwa gegenüber staatlichen Einschränkungen,
die z.B. die Versammlungsfreiheit,
die Freiheit der Kommunikation oder die Freiheit zur
Bildung von Vereinen einschränkt.
Da ich vermute, dass auch die der Kirche gegenüber
kritisch und ablehnend Eingestellten diese
Katechese lesen, betone ich, dass in dieser Hinsicht die
Kirche auch selbst schuldig geworden
ist. Aber ebenso unzweifelhaft ist, dass die katholische
Kirche in der Regel die Aufgabe,
die Freiheit der Beziehungen zu schützen, erfüllt hat.
Immer wenn Menschen einander so in Liebe zugetan sind,
dass sexuelle Handlungen
dazugehören - so glaubt die Kirche und so ist die
Erfahrung der meisten Menschen
-, braucht diese Beziehung einen zusätzlichen Schutz.
Dabei ist es eine
(heute noch selten verstandene) Pflicht, die Ehe nicht
nur in Bezug auf Einflüsse
von außen zu schützen, sondern auch vor dem
Fehlverhalten der Liebenden.
So mag einer der Liebenden ("kleinere") Unwahrheiten für
erlaubt, ja sogar für beziehungsförderlich
halten. Wenn dann die Kirche darauf hinweist, dass zur
Liebe in einer Beziehung
auch die Liebe zur Wahrheit gehört, schützt sie den
Partner davor, belogen zu werden.
Aber auch, wenn beide Partner in einer Beziehung einem
Irrtum unterliegen (zum Beispiel,
weil sie glauben, ihre Beziehung auf Kosten der
Gesellschaft leben zu können), weist die
Moral der Kirche sie darauf hin, dass sie damit letztlich
auch ihre eigene Beziehung gefährden
und schädigen.
Der Gedanke, niemand dürfe "consenting adults" (was soviel
wie "zustimmende Erwachsene"
heißen soll) in ihr Verhalten hineinreden, gilt nur dort,
wo diese Erwachsenen sich mit ihrem
freien Willen auf etwas einigen, das auch moralisch in
Ordnung ist. Wenn sich zwei Menschen
darauf einigen, sich gegenseitig Schaden zuzufügen, müssen
wir sie auch vor sich selbst
schützen.
Deshalb betont die Kirche, dass diejenigen, die ihre
Beziehung zueinander sexuell
ausdrücken und vertiefen wollen, gewisse Eigenschaften
dieser Liebe nicht selbst
definieren können. Dazu gehören die Wesenseigenschaften
der Ehe (die in der
Katechese zum Ehesakrament näher erläutert werden): Die
Unauflöslichkeit, die
exklusive Treue, das beiderseitige Wohl und die Offenheit
für Nachkommenschaft -
und darüberhinaus die persönliche Reife, Ehrlichkeit,
Freiheit und Bedingungslosigkeit.
Wird eine der Wesenseigenschaften ausgeschlossen, dann
dürfen wir nicht von
"Ehe" sprechen; und dann verbietet sich auch der eheliche
Akt.
Eine Beziehung, die zum Beispiel mit mehreren Partnern
gleichzeitig geführt werden soll (z.B.
in einem Freundeskreis), ist selbstverständlich eine gute
und erlaubte Beziehung - unter der
Voraussetzung, dass sie nicht sexueller Natur ist.
Ebenso ist eine Freundschaft, die nur auf Zeit besteht
(z.B. zwischen Schülern, Studenten
oder Arbeitskollegen), ein wichtiger Bestandteil unseres
Lebens. Dass solche Beziehungen
nicht "unauflöslich" sind, ist klar. Sobald aber diese
Freundschaften sexuelle Handlungen einschließen,
haben wir nicht mehr die Freiheit, diese Beziehungen
jederzeit aufzugeben.
Sexuelle Beziehungen, die einen oder mehrere dieser
Wesenseigenschaften ausschließen,
sind "simulierte Ehen"; sie gaukeln eine Wirklichkeit vor,
die nicht vorhanden
ist.
Solche Beziehungen lehnt die Kirche ab.
Wohlgemerkt: Nicht die Beziehungen sind schlecht, sondern
der Einschluss von sexuellen
Handlungen, die der Ehe vorbehalten sind, in Beziehungen,
die keine Ehe sein wollen.
Aktiv homosexuelle Beziehungen
Wenden wir die grundlegende Selbstverpflichtung der Kirche
zum Schutz der ehelichen
Liebesbeziehung auf sexuell aktive, homosexuelle
Beziehungen an, so wird
deutlich, warum die Kirche darin eine unzulässige
Vermengung jeweils an sich guter
Elemente sieht. Eine Männer- oder Frauenfreundschaft, die
von gegenseitiger
Zuneigung, ja sogar Liebe geprägt ist, ist nicht nur
erlaubt, sondern sogar wünschenswert.
Auch eine sexuelle Betätigung, die von ehelicher Liebe
und Zuneigung
bestimmt ist, ist an sich gut und schützenswert. Aber
das eine ist im anderen nicht
möglich.
Denn eine Beziehung zwischen zwei Männern oder zwei Frauen
ist keine Ehe und
kann es auch nicht werden.
Offenheit für die Zeugung neuen Lebens
Zu einer ehelichen Beziehung gehört, dass die sexuelle
Vereinigung Ausdruck der
schöpferischen Liebe ist. Deshalb lehnt die katholische
Kirche nach wie vor die
künstliche Empfängnisverhütung ab, ebenso wie sexuelle
Handlungen zwischen
gleichgeschlechtlichen Partnern.
Natürlich muss nicht jeder Geschlechtsverkehr immer das
Ziel der Zeugung eines
Kindes haben - das ist in einer Ehe nicht gefordert. So
dürfen Eltern durchaus die
Zeiten natürlicher Unfruchtbarkeit wählen und die
sexuellen Handlungen als Erweis
der Liebe und Geschenk der Freude anstreben.
Ist aber eine sexuelle Beziehung von ihrem Wesen her
ungeeignet, Ausdruck der
schöpferischen Liebe zu sein, so ist sie auch nicht
ehelich.
Das ist einer der beiden im kirchlichen Katechismus
genannten Gründe, warum die
Kirche das Ausleben homosexueller Neigungen als moralisch
verwerflich betrachtet:
«Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme
Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-
Röm 1,24- 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10], hat die kirchliche
Überlieferung stets erklärt, dass 'die
homosexuellen Handlungen in sich nicht in 0rdnung sind' (CDF,
Erkl. 'humana' 8). Sie verstoßen
gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des
Lebens bleibt beim Geschlechtsakt
ausgeschlossen.»
(Katechismus der Katholischen Kirche (KKK), Nr. 2357)
Ausdruck der gegenseitigen Freude
Der sexuelle Akt zwischen Mann und Frau spiegelt eine
hervorragende Eigenschaft
der ehelichen Liebe wieder: Indem sich die Eheleute
einander hingeben, erfahren
sie selbst Erregung und Freude; wer im sexuellen Akt
Freude und Erfüllung des
anderen erstrebt, wird selbst erhoben und beschenkt.
Homoerotische Sexualität ist jedoch - trotz gegenteiliger
Intention der Agierenden - nicht viel mehr als
abwechselnde gegenseitige Befriedigung. Das In-Eins-Fallen
von
Geben und Empfangen kann nicht im selben Akt, sondern nur
nacheinander,
geschehen.
Ausschließliche Treue
Manche Homosexuelle unterscheiden zwischen homosexuellen
Handlungen und dem
homosexuellen Beziehungsleben: In homosexuellen
Beziehungen (vor allem unter
Männern) sind die sexuelle Betätigung nicht immer an einen
Partner gebunden.
Deshalb unterscheiden manche Verteidiger der
Homosexualität die körperliche
Treue von der sozialen Treue. Auch Homosexuelle seien in
einer festen Partnerschaft
an dauerhaften Beziehungen interessiert und schätzen sie
sehr. Es stehe
aber nicht im Widerspruch dazu, wenn Homosexuelle
darüberhinaus sexuelle Kontakte
mit wechselnden Partnern suchen ("Promiskuität"), weil sie
die soziale Treue
nicht von der körperlich-sexuellen "Untreue"
beeinträchtigt sehen.
In
der Trennung von sozialer und körperlicher Treue sieht die
Kirche nicht nur eine unerwünschte
Folge der Homosexualität, sondern auch ein Indiz dafür,
sie als ungeordnet anzusehen.
Erfahrungsgemäß lassen sich ungeordnete Neigungen viel
schwerer kontrollieren, im
Gegensatz zu Neigungen, die auf ein in sich gutes Ziel
ausgerichtet sind. Natürlich kann auch
Heterosexualität mit ungeordneten Neigungen verbunden
sein, die Anstrengungen erfordern,
will man sie kontrollieren. In heterosexuellen Beziehungen
ist aber die (einvernehmliche)
Trennung zwischen sozialer und körperlicher Treue
seltener.
Weitere Gedanken
Aus den Überlegungen, was eine Ehe ausmacht, werden
gelegentlich weitere Mängel
einer homosexuellen Partnerschaft abgeleitet. Wiederum
gilt: Die im folgenden
genannten Mängel machen eine Beziehung keinesfalls zu
einer sündhaften Beziehung
- Gott bewahre! Aber dass diese Mängel geeignet sind, eine
sexuelle und
damit ehe-ähnliche Beziehung auszuschließen, ist durchaus
denkbar und zumindest
diskussionswürdig.
Die Ergänzungsbedürftigkeit von Mann und Frau
Die katholische Kirche sieht den Menschen als ein
personales Wesen, das im
Zusammensein mit anderen existiert. In dieser
Verbundenheit mit den Mitmenschen
wird der Mensch nicht mehr nur als Einzelperson gesehen,
auch nicht nur als Mitmensch,
sondern als Mann und Frau.
Gerade in ihrer Polarität zeigt sich, wie die Menschen als
Mann und Frau aufeinander bezogen sind und einander
ergänzen - mit allen Komponenten ihrer menschlichen
Existenz: der geschlechtlichen Leiblichkeit, der
männlichen und weiblichen
Psyche und dem Geist. Die völlige Harmonie zwischen zwei
Menschen, Mann und
Frau, ist die Hochform der menschlichen Existenz!
A.M.J.M. Herman van den Spijker (ein Franziskanermönch,
der sich schon in den 1960er Jahren mit dem Thema der Homosexualität beschäftigt hat und sogar auf "www.homowiki.de"
gewürdigt wird), schreibt:
«Gerade die Einheit in Verschiedenheit, diese
Komplementarität
auf allen Ebenen, diese ganzheitliche Zuneigung zum
Partner des anderen Geschlechtes, ist
nach der Anthropologie die ideale Norm. Es gibt viele
Möglichkeiten eines menschlichen Verhältnisses.
Nicht alle Verhältnisse gestalten sich perfekt, noch
können sich alle auf die gleiche
Weise gestalten. Das Vater-Tochter-Verhältnis ist von der
Sache her anders als das zwischen
Mann und Frau. Jedes Verhältnis zwischen Menschen ist
schön, wenn es wirklich menschlich
ist und die Eigenart des Verhältnisses respektiert wird.
An und für sich kann das personale
Verhältnis zwischen Mann und Frau die reinste Harmonie auf
allen Ebenen der menschlichen
Existenz verwirklichen. Diese partnerschaftliche Einheit,
diese Begegnung, dieses Sein mit
einem Mitmenschen, ist ein Höhepunkt der menschlichen
Intersubjektivität.
Die Heterotropie, die reale Hinordnung auf einen
andersgeschlechtlichen Partner im Sinne
eines Grundverhaltens, macht es dem Menschen möglich,
diese Hochform menschlicher Intersubjektivität
zu verwirklichen. Darum ist die Heterotropie ontisch
gesehen der ideale Zustand.
Alles, was einen Menschen abhält, diesen Höhepunkt zu
erreichen, ist ein Mangel. Eines der
wichtigsten Hindernisse ist die gleichgeschlechtliche
Zuneigung. Sie hindert die Menschen,
sich als Mann und Frau zu begegnen in der Hochform der
menschlichen Intersubjektivität: in
der lebenslangen Einheit in Treue und in exklusiver Liebe,
die gegebenenfalls im Kinde eine
hoffnungsreiche Zukunftsperspektive hat. So muß man sagen,
daß die gleichgeschlechtliche
Zuneigung vom ontischen Ideal her ein Mangel, eine
Seinsminderung, eine Einschränkung der
Existenzmöglichkeiten ist.»
(A.M.J.M. Herman van den Spijker: "Die
gleichgeschlechtliche
Zuneigung - Homotropie: Homosexualität, Homoerotik,
Homophilie - und die katholische
Moraltheologie" - Freiburg 1968, S. 197f.
Im Gegensatz zur Freundschaft, in der die gleiche
(zumindest ähnliche) Ausrichtung
zum verbindenden Element wird, lebt die Ehe von der
Ergänzung durch Gegen‑
sätzlichkeit. Beides - die Freundschaft und die
geschlechtliche Liebe - sind gottgewollt
und gut; aber die aktive Sexualität ist der
geschlechtlichen Liebe vorbehalten.
In der Erklärung der USCCB (United States Conference of
Catholic Bishops) vom 14. November
2006 mit dem Titel "Ministry to Persons with a Homosexual
Inclination: Guidelines
for Pastoral Care" heißt es im Kapitel "The Place of
Sexuality in God's Plan": (Übersetzung
von PvB)
«Das Phänomen der Homosexualität stellt uns vor
gedankliche Herausforderungen, die nur
mit einer klaren Vorstellung von Sexualität in der
göttlichen Schöpfungsordnung bewältigt
werden können. Im Anfang hat Gott den Menschen nach Seinem
Bild erschaffen; d. h. die
gegenseitige Ergänzung der Geschlechter von Mann und Frau
ist ein Geschenk Gottes - und
sollte als solches verstanden und respektiert werden.
Menschliche Sexualität ist insofern
etwas Gutes, Teil des geschaffenen Geschenkes. Gott sah
die Sexualität als "gut" an, weil Er
den Menschen nach Seinem Bild geschaffen hat, Ihm ähnlich,
als Mann und Frau.
Die Komplementarität von Mann und Frau als weiblich und
männlich ist also eingeschaffener
Bestandteil der von ihm gestalteten Schöpfung. Genauer:
Weil Mann und Frau unterschiedliche
sind - einander ergänzend -, können sie sich in einer
Einheit zusammenfinden, die offen
ist für neues Leben. Jesus lehrte, dass am Anfang der
Schöpfung Gott die Menschen als
männlich und weiblich erschuf. "Aus diesem Grund wird der
Mann seinen Vater und Mutter
verlassen und die zwei [Mann und Frau] werden ein
Fleisch." (Mk 10,6-8).
Das ist der zweite, im Katechismus genannte Grund zur
moralischen Ablehnung der
gelebten Homosexualität:
«Sie [die homosexuellen Handlungen, PvB] entspringen
nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen
Ergänzungsbedürftigkeit. Sie
sind in keinem Fall zu billigen (Vgl. dazu auch 2333.)»
(Katechismus der Katholischen
Kirche (KKK), Nr. 2357)
3. Teil: Vorsicht!
Urteilt nicht!
Durch ein Gebot oder ein Verbot kann nur eine Handlung
moralisch bewertet werden.
Das Urteil darüber, ob die Person, die handelt, böse ist,
überlässt, wer vorsichtig
ist, lieber Gott.
Außerdem ist eine Neigung noch keine Handlung: Eine
Person, die eine Neigung
hat, muss nicht ihr entsprechend handeln. Das Urteil
darüber, ob ein Mensch gar
nicht anders kann, überlässt, wer vorsichtig ist, lieber
dem Experten.
In einer Instruktion zur Homosexualität vom 4.11.2005
bekräftigt die katholische Kirche noch
einmal das, was bereits 1995 im "Katechismus der
Katholischen Kirche (KKK)" grundgelegt
ist. Dort wird zwischen homosexuellen Handlungen und
homosexuellen Tendenzen unterschieden:
«Bezüglich der homosexuellen Handlungen lehrt der
Katechismus, dass sie in der Heiligen
Schrift als schwere Sünden bezeichnet werden. Die
Überlieferung hat sie stets als in sich
unsittlich und als Verstoß gegen das natürliche Gesetz
betrachtet. Sie können daher in keinem
Fall gebilligt werden.
Die tief sitzenden homosexuellen Tendenzen, die bei einer
gewissen Anzahl von Männern
und Frauen vorkommen, sind ebenfalls objektiv ungeordnet
und stellen oft auch für die
betroffenen Personen selbst eine Prüfung dar. Diesen
Personen ist mit Achtung und Takt zu
begegnen; man hüte sich, sie in irgendeiner Weise
ungerecht zurückzusetzen. Sie sind berufen,
den Willen Gottes in ihrem Leben zu erfüllen.»
Darauf bezieht sich das eindringliche Gebot Jesu: «Richtet
nicht, dann werdet auch
ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet
auch ihr nicht verurteilt
werden!» (Lukas 6,37). Ein Urteil über die Person, und
damit letztlich über ihren
Heilszustand, ist und bleibt allein Gott vorbehalten.
Das wird manchmal von christlichen Moralaposteln
übersehen, die nicht nur eine
Handlung ablehnen, sondern auch noch die handelnde Person;
aber noch häufiger
wird diese Unterscheidung von denen vergessen, die sich
als Person verurteilt und
abqualifiziert fühlen, obwohl doch nur eine ihrer
Handlungen als unmoralisch
bezeichnet wurde.
Das gilt auch dann, wenn eine Neigung im Menschen zu
bestimmten Handlungen
besteht, zum Beispiel zum Jähzorn oder zum heimlichen
Naschen aufgrund von
nächtlichem Heißhunger. Nur die Tat darf moralisch
bewertet werden. Gelegentlich
wird zwar auch noch die Neigung (der Jähzorn oder der
Heißhunger) qualifiziert
(z.B. als "ungeordnet") - was aber nicht bedeutet, dass
eine Person, die "ungeordnete
Neigungen" verspürt, deshalb schon sündigt! Letztlich ist
der Ist-Zustand aller
Menschen "ungeordnet".
So oder so: Es verbietet sich eine Disqualifikation eines
homosexuell empfindenden
Menschen ebenso wie eine Herabsetzung eines homosexuell
Handelnden als einer
"moralisch verwerflichen
Person".
«Du bist ein Sünder!» - «Du auch.»
Einen Menschen moralisch zu verurteilen, also von einem
unverbesserlichen, bösartigen
oder sogar teuflischen Menschen zu sprechen, ist selbst
eine Sünde - und keine kleine! Jemanden, der bei einer
Lüge ertappt wurde, als "Lügner" zu bezeichnen,
ist jedoch etwas anderes: Die Bezeichnung "Lügner"
bedeutet ja nicht, dass alles an
diesem Menschen verlogen ist, sondern nur, dass dieser
Mensch zumindest einmal
gelogen hat. So kann man auch jemanden als "Betrüger" oder
als "Mörder" bezeichnen,
falls ihm eine entsprechende Tat nachgewiesen wurde.
Aber - Vorsicht! Die Grenze, einen Lügner nicht nur
deshalb so zu nennen, weil er
einmal gelogen hat, sondern weil man ihm unterstellen
möchte, er sei grundsätzlich
nicht mehr vertrauenswürdig, ist schnell überschritten.
Die Frage "Wer möchte
schon gerne einen Verbrecher in seiner Nachbarschaft
wohnen haben?" unterstellt,
dass der Mensch, der gegen das Gesetz verstoßen hat, ein
gänzlich anderer und
schlechterer Mensch ist als die restlichen, scheinbar
guten Nachbarn.
Zunächst ist es also keine Verurteilung, einen Menschen
als "Sünder" zu
bezeichnen. Die rhetorische Frage von Homosexuellen:
«Wollt ihr etwa behaupten,
wir seien alle Sünder?» darf mit «Ja» beantwortet werden,
wenn bei ihnen homosexuelle
Handlungen vorliegen. Es geht zunächst um eine sachliche
Feststellung. So
gilt ja auch, dass jemand, der gelogen hat, ebenfalls ohne
diskriminierende Hintergedanken
als "Sünder" bezeichnet werden darf.
In der Frage schwingt allerdings auch die Erfahrung mit,
dass aktiv Homosexuelle
sich oft als "Quelle von allen möglichen Sünden"
diskriminiert sehen. Sie hören
dann in der Aussage «Homosexuelle sind Sünder» ein
moralisches Urteil über ihre
Person im Ganzen
heraus - was nicht zu rechtfertigen ist.
Selbstverständlich missbilligt die Kirche auch in
homosexuellen Beziehungen nicht alles und
jedes, sondern nur das, was der Schöpfungsordnung
widerspricht. Im Hinblick auf enge Geister sei das
Selbstverständliche gesagt: Gutes ist natürlich auch dann
gut, wenn es Homosexuelle tun!
Ich will nicht bestreiten, dass manche Aussagen
vernichtend gemeint sind. «Du bist
ein Sünder» soll dann heißen: «Du bist eine ganz und gar
sündhafte Person!» - so,
als handle es sich um jemanden, der ohne Unterlass
sündigt und deshalb zu meiden
ist.
Aber das ist eine Entgleisung - nicht der Normalfall. Es
trägt ebenfalls nicht zur Versachlichung der Diskussion
bei, wenn Sachaussagen im Zweifelsfall als persönliche
Diffamierung verstanden werden. Die Aussage "Du bist ein
Sünder" in einer theologischen
oder moralischen Diskussion ist eine Sachaussage, mehr
nicht. Einem
Menschen zu unterstellen, er habe "sündig gehandelt", ist
kein Angriff oder eine
unverschämte Einmischung, sondern eine vielleicht sogar
hilfreiche Feststellung.
Gerade Christen dürften über eine solche Aussage nicht
erschrecken, ist doch das
eigene "Sünder-Sein" die Voraussetzung für das "Erlöst-werden".
Bezüglich der Sexualität schwimmt die Kirche wirklich
gegen den Strom der Zeit, jedenfalls
so, wie dieser in unserer westlichen Welt fließt. Denn die
Kirche erkennt überhaupt kein
außereheliches Sexualleben als richtig an, auch nicht ein
heterosexuelles. Jedem, der nicht
heiraten kann oder nicht heiraten will oder noch nicht
verheiratet ist, sagt sie: Du sollst sexuell enthaltsam leben! Jedes „Sexualleben" gegen dieses Gebot ist eine
mehr oder weniger
gewichtige Sünde. Wohlgemerkt: Das sagt sie allen
Menschen, nicht nur Homosexuellen!
Mit dieser Forderung löst die Kirche bei einer großen
Mehrheit in unseren Breiten Kopfschütteln
aus. Bei denen aber, die ihr glauben und auch auf die
leise Stimme ihres Gewissens
hören, wird es wiederum eine Mehrheit sein, die sich zwar
bemüht, aber - wie bei anderen
Geboten auch - immer wieder versagt. Ihnen sagt die
Kirche: Gott hat Geduld mit euch, habt
auch ihr selbst Geduld mit euch! Wir sind alle Sünder und
werden es auch unser irdisches
Leben lang bleiben.
Die "sexuelle Identität"
Nicht ganz unschuldig an der Vermengung von Sachaussagen
und persönlichen
Angriffen ist die Begrifflichkeit der Gender-Ideologen.
Mit der Erfindung des Begriffs
"sexuelle Identität" wurde die sexuelle Ausrichtung mit
der eigenen Identität so
verknüpft, dass ein Infragestellen der sexuellen Praktiken
automatisch als Angriff
auf die Person gewertet werden kann.
Abgesehen davon, dass unter diesen Umständen nun eine
sachliche Diskussion
unmöglich wird, ist das auch eine unzulässige Reduzierung
des Menschen.
Ein Mensch, der sich nachts heimlich am Kühlschrank
bedient, würde niemals den Ratschlag
seines Arztes, davon Abstand zu nehmen, als Angriff auf
seine Person verstehen - weil dieser
Mensch seine Identität auch nicht unlösbar mit der "Kühlschrank-Plünderei"
verknüpft hat.
Die Frage der sexuellen Identität bezieht sich allein auf
die Frage, ob dieser
Mensch männlichen oder weiblichen Geschlechts ist. Die
Frage nach der sexuellen
Ausrichtung ist jedoch keine Frage der Identität mehr -
auch dann nicht, wenn der
Betroffene sie selbst dazu erhebt. Denn neben seiner
Identität als Mann und Frau
zeichnet den Mann oder die Frau noch vieles mehr aus:
Mensch, Person, Wissenschaftler,
Nachbar, Autofahrer - außerdem ist er/sie klug, jähzornig,
mutig, geizig
(und noch vieles mehr).
Wenn nun ein autofahrender, jähzorniger Mann aufgrund
dieser ungünstigen Kombination
seiner Neigungen den Führerschein verliert - ihm also
faktisch das Autofahren verboten wird -
ist das auch kein Eingriff in seine Identität. Selbst
dann, wenn der männliche, jähzornige
Autofahrer sich in erster Linie als Autofahrer versteht
und nur nebenbei als Mann.
Wenn nun jemand in der Ausübung einer Tätigkeit
eingeschränkt wird - sei es aufgrund
von staatlichen Verboten, kirchlicher Moral oder aufgrund
von anderweitigen
Umständen -, so ist das kein Angriff auf seine Person.
Es sei denn, jemand würde in seinen Freiheiten nur deshalb
eingeschränkt, weil er
eine bestimmte Identität besitzt. So wäre es natürlich
eine eindeutige Diskriminierung,
wenn man eine an sich nicht bewertbare Handlung (wie z.B.
Busfahren) nur
deshalb jemandem verbietet, weil er Schwarzafrikaner ist.
Oder - so wird nun angeführt
- einem Homosexuellen wird das Ausleben seiner Sexualität
nur deshalb verboten,
weil man etwas gegen Homosexuelle hat. Das wäre dann
tatsächlich
"Homophobie" (Angst vor der Gleichgeschlechtlichkeit) und
genauso verachtenswert
wie Rassismus und "Xenophobie" (Angst vor allem Fremden).
Einen solchen Gedankengang nennt der Logiker "genetischen
Fehlschluss": Weil ein
schlechter Mensch etwas tut, muss diese Handlung schlecht
sein. - Das ist natürlich
ein krasser Denkfehler!
In kirchlichen Kreisen taucht dieser Fehlschluss leider
genauso auf wie bei allen Menschen.
Über den Theologen Bernhard Wenisch (der ein wirklich
gutes Buch zur Wunderfrage
geschrieben hat) hörte ich von einem Studenten ein
vernichtendes Urteil, weil «Wenisch ja
ein abgefallener Priester» sei. Aus der Biografie eines
Menschen zu schließen, dass dieser zu
keiner ordentlichen Theologie mehr in der Lage sei, ist
diffamierend.
Es ist aber auch der umgekehrte "genetischen Fehlschluss"
möglich. So ist zum Beispiel Bill
Gates in Amerika ein beliebter Redner - und auch ein gern
gesehener Gast in evangelikalen
Kirchen, wo er zu Fragen der persönlichen Lebensführung zu
Rate gezogen wird. Aus der Tatsache, dass Herr Gates ein
sehr vermögender Mensch ist, zu schließen, dass er deshalb
kompetent
in allen Lebensfragen ist, wäre allerdings ein
Fehlschluss.
"Homophobie" bedeutet also, dass aus dem gesetzten Urteil
über den Menschen auf
die moralische Qualität seiner Handlungen geschlossen
wird. Aber das ist - zumindest
in der katholischen Moral - nicht erlaubt und hier in
dieser Frage nicht der Fall.
Es gilt noch nicht einmal das Gegenteil: Es wird weder vom
Menschen auf seine
Handlungen geschlossen, noch von den Handlungen auf den
Menschen. Die Qualität
des Menschen ergibt sich nicht aus dem, was er tut,
sondern aus dem, was er ist:
Ein geliebtes Geschöpf Gottes.
Von "Homophobie" als wahrer Grund für die Ablehnung
homosexueller handlungen
kann nur sinnvoll die Rede sein, wenn vorausgesetzt wird,
dass die sexuellen Handlungen
eines Homosexuellen im Grunde belanglos sind - und ihre
moralischen Qualität
nur aus einer angstbesetzten Ablehnung der Person
erhalten.
Wer einem anderen also "Homophobie" unterstellt, nur weil
der eine moralisch
andere Ansicht zur aktiven Homosexualität hat als man
selbst, handelt höchst
unredlich. Der Kirche im Ganzen "Homophobie" zu
unterstellen, ist nicht mehr als
ein argumentativer Fluchtversuch.
4. Teil: Argumente der Befürworter gelebter Homosexualität
Unverschuldete Neigungen
Die Frage, woher Homosexualität stammt - ob es eine
erworbene Eigenschaft ist
(z.B. durch Erziehung, ein Kindheitserlebnis oder durch
einen freien Willensent-
schluss) oder eine angeborene Neigung (genetisch
bedingt) -, ist für die Frage nach
einer Änderung der sexuellen Ausrichtung von großer
Bedeutung (wobei die
Bezeichnung der Änderung als "Heilung" stark kritisiert
wird, weil sie unterstellt,
Homosexualität sei krankhaft).
Dabei ist die Frage, ob die homosexuelle Neigung angeboren
ist (wie heute viele behaupten)
oder ob gilt: «Niemand ist homosexuell geboren» (wie R.
Cohen und etliche andere sagen),
für die Kirche unerheblich. Im Übrigen hat sie dazu keine
eigene Meinung, weil es keine Glaubensfrage
ist und sie dafür nicht kompetent ist. Sie greift nur auf,
was sie der freien Diskussion
der Wissenschaftler entnimmt. Übrigens: Niemand sollte
einen anderen moralisch
diffamieren, weil er in diesem Punkt anders denkt als er
selbst.
Abgesehen von der relativ selten und wenig verbreiteten
Vorstellung, der Homosexualität
liege ein freier Entschluss zugrunde, gehen die meisten
Menschen davon
aus, dass die Neigung zu homosexuellen Handlungen selbst
nicht verschuldet ist.
Daraus schließen manche, eine solche Neigung dürfe dann
auch nicht als "ungeordnet"
bezeichnet werden und die daraus erwachsenen Handlungen
nicht als moralisch
verwerflich. Immerhin könne die homosexuelle Person ja
nichts für ihre
Eigenschaften - und deshalb auch nicht mit einem
"Handlungsverbot" bestraft werden.
Die Antwort auf diesen Gedanken ist einfach, wenn auch für
Betroffenen schwer zu
ertragen. Denn wir Menschen kommen eben nicht perfekt und
schon gar nicht
moralisch fertig auf die Welt. Kinder müssen erzogen
werden, Menschen müssen
sich selbst immer wieder zusammenreißen, weil wir eben ein
ganzes Bündel aus
"ungeordneten" Neigungen sind. Kinder haben eine Neigung,
sich zu nehmen, was
sie begehren, und müssen erst mühsam "Meins" und "Deins"
unterscheiden. Manche Menschen haben die Neigung,
Vertrauliches auszuplaudern, andere verspüren
die Neigung, fremde Häuser in Brand zu setzen. So oder so:
Nur weil eine Neigung
vorhanden ist, ist sie noch nicht gut.
Zudem gilt: Nur, weil eine Neigung nicht gut ist, ist eine
Einschränkung der daraus
entstehenden Handlungen keine Strafe. Ein Verbot, eine
bestimmte Neigung auszuleben,
ist keine Strafe, auch, wenn sie manchmal so empfunden
wird. Im Gegenteil:
Bestimmte, als schlecht erkannte Handlungen zu meiden, mag
Überwindung kosten
und gelegentlich ein Opfer sein. Aber das sagt mir nicht
ein Richter, der über meine
Vergehen befindet, sondern das sagt mir meine Liebe zum
Nächsten oder zumindest
meine Einsicht ins Gute.
Ob eine Neigung ausgelebt werden kann oder nicht, ist
nicht schon dadurch entschieden,
dass diese Neigung vorhanden ist; auch dann nicht, wenn
diese Neigung
selten oder häufig - vielleicht sogar mehrheitlich -
auftritt. Das Vorkommen von
Homosexualität selbst ist kein Argument für deren
moralische Qualität.
Natürlich
Aber aus der (wissenschaftlich noch nicht gesicherten)
Vermutung, die Veranlagung
zur Homosexualität sei durch die Gene (oder die Natur)
vorgegeben, wird ein ähnliches,
etwas anders gelagertes Argument abgeleitet: Wenn die
Natur einen Menschen
mit homosexuellen Neigungen ausstatte, dann sei das ja
schließlich eine
"natürliche Neigung" - und eben kein moralisches Vergehen.
Was aber "natürlich"
sei, kann auch nicht böse sein. Und, falls der so
Argumentierende ein religiöser
Mensch ist, fährt er fort: Gott habe den Menschen
immerhin so erschaffen, wie er
ist, sogar als Sein Ebenbild; dann kann der Mensch, so
wie er ist, auch nicht
schlecht, geschweige denn "böse" sein.
So heißt es in der Schöpfungsgeschichte (hier: Gen
1,26-31) ja auch: "Dann sprach Gott:
Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.
Sie sollen herrschen über die
Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das
Vieh, über die ganze Erde und über
alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den
Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes
schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.... Gott sah
alles an, was er gemacht hatte: Es
war sehr gut. Es wurde Abend, und es wurde Morgen: der
sechste Tag.
Nun - damit wird etwas sehr Wichtiges gesagt. Der Mensch
als solcher ist gut, und
keine seiner Eigenschaften kann ihm dieses Gutsein, seinen
Wert und seine Würde
nehmen. Es geht nicht an, Homosexuelle in ihrem
Personsein, in ihrer Würde und
auch in ihrer Gotteskindschaft herabzusetzen.
Das geschieht zwar bisweilen, aber das geschieht gerade
nicht durch die Behauptung,
Homosexualität sei eine ungeordnete Neigung oder
homosexuelle Handlungen
seien Sünde. Denn der Begriff "natürlich" schließt nicht
automatisch ein, dass alles
"von Natur aus" auch moralisch bestens geordnet ist.
Auch mit einer gewissen Umdeutung der Evolutionstheorie
versuchen einige das Argument zu
konstruieren, dass alles, was in der Natur vorkommt,
seinen "evolutionären" Sinn habe. Auch
dieser Behauptung sei (allein schon aus
naturwissenschaftlicher Sicht) energisch widersprochen.
Das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zur
"guten Schöpfung" zu sein -
und zur Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen. Aber der
Mensch ist nicht mehr so, wie
Gott ihn geschaffen hat; er hat "von Natur aus" seltsame
Neigungen, gelegentlich
auch Krankheiten, Behinderungen und sogar moralisch
bedenkliche Veranlagungen
- zum Beispiel zur Pyromanie.
Oh - ! Ich höre hier schon die kritischen Leser
aufschreien: "Jetzt vergleicht der auch noch
Homosexualität mit einem Hang zu Straftaten!" - Ja, das
tue ich. Aber ich sehe darin kein
Problem, denn es kommt ja darauf an, in
welcher Hinsicht
etwas verglichen wird. Ich behaupte
nicht, dass Homosexualität und Pyromanie im Hinblick auf
ihre moralische Qualität verglichen
werden können - sondern nur in der Hinsicht, dass beides
eine Veranlagung ist, für die
der Mensch selbst nichts kann. Wenn nun die Lust am
Feuerlegen eine erstens vom Pyromanen
nicht selbst verschuldete Neigung ist und zweitens
Pyromanie eine Neigung ist, die zu
verabscheuungswürdigen Handlungen verleiten kann, dann
kann daraus geschlossen werden,
dass zumindest in diesem Fall das, was dem Menschen "von
Natur aus" mitgegeben wurde,
nicht in Ordnung ist. Das kann dann auch für
Homosexualität oder Kleptomanie gelten.
Hilfreich ist es, drei verschiedene Bedeutungen von
"natürlich" zu unterscheiden.
Zum einen benutzen wir das Adjektiv "natürlich" im
Gegensatz zu "künstlich" oder
"chemisch" (wobei die Chemie auch ein Teil der Natur ist -
aber das gehört jetzt
nicht hierher). Ein rein "natürliches Bioprodukt" besagt
also nichts anderes, als dass
sich darin keine künstlich hergestellten Chemikalien
befinden (sollten).
Was nicht bedeuten muss, dass "natürliche Bioprodukte"
deswegen auch gesünder sind. Vor
allem dann nicht, wenn der Konsument an einer
Mangelkrankheit leidet, die eine Zusatzkost
verlangt. Aber auch das gehört nicht hierher.
Die zweite Bedeutung von "natürlich" bezieht sich auf
alles, was in der - vom Men‑
schen nicht manipulierten - Schöpfung vorkommt. So ist
eine unberührte Land‑
schaft, ein klarer Bergsee "natürlich", aber ebenso
Grippe- oder AIDS-Viren,
Überfälle durch Raubtiere, Erdbeben und abstürzende
Asteroiden. Nicht alles davon
ist auch wünschenswert.
Eine dritte Verwendung des Begriffs "natürlich" bezieht
sich auf die moralische
Theorie des Naturrechts. Gut ist, was der Natur der Sache
entspricht. Dabei ist mit
"Natur" aber nicht einfach das So-sein der Welt gemeint,
sondern ihr Wesen und ihr
Sinn. Wer auf diese Weise versucht, die Homosexualität als
"natürlich" zu erweisen,
hat es schwer.
Denn im Schöpfungsbericht wird das Wesen der Schöpfung -
in diesem Fall das Wesen der
Mann-Frau-Schöpfung - durchaus mitgenannt: "Dann sprach
Gott: Lasst uns Menschen
machen als unser Abbild, uns ähnlich... Gott schuf also
den Menschen als sein Abbild; als
Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er
sie. Gott segnete sie, und Gott
sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch!"
Der Sinn bzw. die Natur der Sexualität ist - sowohl dem
Schöpfungsbericht als auch
der biologischen Funktion nach - zielgerichtet auf die
Zeugung von Nachkommenschaft
(wenn auch nicht ausschließlich). Homosexualität kann
sicherlich nicht in diesem
dritten Sinn des Wortes als "natürlich" bezeichnet werden.
Homosexuelle werden aus der Kirche gemobbt!
Sorry, wenn ich es etwas krasser formuliere: Dass
Homosexuelle aus der Kirche
hinaus gemobbt werden, ist zuallererst eine Behauptung der
Homosexuellen selbst.
Vor allem: Eine zumeist unwahre Behauptung!
Klar: wenn das Verbot von homosexuellen Handlungen schon
eine Art Mobbing sein
soll, haben sie recht. Aber in der Kirche wird keiner, der
homosexuelle Neigungen in
sich trägt, allein deshalb schon exkommuniziert.
Ich gebe zu, dass es auch in der Kirche - besonders an der
Basis, in den Gemeinden - zu diskriminierenden
Blicken, Aussagen und Entscheidungen gekommen ist und
immer wieder
kommt. Leider.
Aber die Lehre der Kirche ist unzweideutig: Für Menschen
mit homosexueller Veranlagung
gilt, was für alle Christen gilt: Wer an das Evangelium
glaubt und sich
bemüht, danach zu leben, gehört zur Kirche. Ausschließen
kann man sich nur selbst
durch Unglaube und Sünde. Glaube oder Unglaube haben
nichts mit der sexuellen
Orientierung zu tun.
Viele Menschen glauben, das Leben in der Kirche wäre
einfacher, wenn es nur die Basis gäbe
und keine Hierarchie, keinen Papst und kein Kirchenrecht.
Dabei wird gerne übersehen, dass
wir den Überbau auch deshalb brauchen, um tolerant zu
bleiben. Die Tendenz, ohne Papst
und kirchliche Lehre Menschen aus den Gemeinden
auszuschließen, weil man eine gewisse
Abneigung z.B. gegen Andersartige oder Homosexuelle
verspürt, braucht dagegen eine starke
Hierarchie, die die faktische "vor-Ort-Exkommunikation"
durch intolerante Gemeindemitglieder
verhindert und uns immer wieder daran erinnert, dass
solche Tendenzen der Ausgrenzung
nicht christlich sind.
Die Kirche sollte in dieser Hinsicht barmherziger sein
Ich habe es bereits in anderen Katechesen betont: In
Fragen der Moral kann die
Kirche nicht "erlauben" oder "verbieten". Die Kirche hat
die Pflicht, die Gebote Got‑
tes zu verkünden, sie kann und darf sich nicht anmaßen,
moralische Gebote zu
erlassen oder abzuschaffen. Darum heißen sie ja "Gebote
Gottes" und nicht "Kirchengebote".
"Kirchengebote" gibt es auch. Genau fünf. Aber die
beziehen sich ausschließlich auf das kirchliche
Leben der Katholiken und sind für alle anderen nicht
verpflichtend. Zudem können die
Kirchengebote geändert werden - von der Kirche.
Es ist ein grundlegendes Missverständnis, die von der
Kirche gelehrte Moral sei eine
im Grunde beliebige Festlegung, die irgendwann wieder
geändert werden könnte
und von der ab und zu Ausnahmen zugelassen werden könnten,
ähnlich wie bei der
Straßenverkehrsordnung. Andere dagegen meinen, jeder
moralische Wert sei zwar
nicht von der Kirche, aber von Gott einfach so "erlassen"
worden. Und da Gott nunmal
gut, lieb und barmherzig ist, würde er sicher einige der
Gebote wieder abändern
oder hier und dort einmal ein Auge zudrücken.
Ich kann diese Diskussion an dieser Stelle nicht
vollständig führen. Aber es dürfte
klar sein, dass die Kirche weder in Fragen von Mord,
Folter und Vergewaltigung frei
beschließen kann, dass diese in extremen Situationen doch
eigentlich eine gute
Sache seien. Sonst müsste man die Kirche wegen ihrer
flexiblen Handhabung der
Moral in Bezug auf die Haltung ihrer Mitglieder bei
Hexenverfolgungen, auf Kreuzzügen,
bei der Folter oder während der Inquisition eigentlich nur
loben: «Sehr flexible
Moral!» Wenn aber die Moral unbeugsam für die Kirche gilt
und von ihr nicht abgeändert
werden kann, dann ist die Moral der Kirche offensichtlich
vorgegeben - und
nicht von ihr gemacht.
Das gilt selbstverständlich nicht für alle Bereiche der
Moral. Vom Zölibatsgebot sind genauso
Ausnahmen möglich wie von der Pflicht, vor dem Essen zu
beten. Deshalb unterscheidet die
Kirche "göttliches" und "menschliches" Recht. Am
göttlichen Recht kann weder die Kirche,
noch der Papst oder ein Theologe Abstriche machen.
Eine gelegentliche Abänderung des göttlichen Rechtes und
der vorgegebenen moralischen
Werte - und sei es aufgrund angeblicher Barmherzigkeit -
ist nicht haltbar.
Damit würde die Kirche sich ein unerhörtes Recht anmaßen
und sich selbst zu Gott
machen.
Der Staat muss die Homo-Ehe anerkennen!
Es ist unbestritten, dass der Staat zum Schutz der
menschlichen Beziehungen aufgerufen
ist, wo immer diese sozial wichtig und gleichzeitig
bedroht sind. Das gilt -
so meinen Vertreter der Homosexuellen - auch für die
Beziehungen zwischen homosexuellen Partnern.
Allerdings gibt es neben der Ehe auch viele andere
zwischenmenschliche Beziehungen,
die ihren Wert für die Gesellschaft haben. Dennoch besteht
keine Notwendigkeit,
zum Beispiel Freundschaft gesetzlich zu regeln. Auch mag
es sein, dass
Freundschaften zwischen bekennenden Homosexuellen einen
schlechten Ruf haben;
von einer Bedrohung kann jedoch keine Rede sein.
Eine "Gleichstellung" von homosexuellen Verbindungen mit
der Ehe dagegen wäre
eine Ungleichbehandlung, weil damit nicht nur eine
nicht-eheliche Verbindung zwischen
zwei Menschen einer ehelichen Verbindung gleichgestellt
wird - sondern die
Ehe zugleich auf die gesellschaftliche Anerkennung
anderer, nicht-ehelicher Verbindungen
herabgesetzt wird. Der gesetzlichen Privilegierung von Ehe
und Familie
steht ihre unvergleichbar hohe Bedeutung für das
Gemeinwohl gegenüber. Aus der
Gemeinschaft von zwei Männern oder Frauen wird keine Ehe,
auch wenn man sie so
nennt.
Homosexualität und die Evolution
Die Behauptung, Homosexualität sei ein natürliches Phänomen,
wird oft mit einem
Verweis auf homosexuelle Verhaltensweisen in der Tierwelt
belegt. Der Befund ist
dabei recht eindeutig - der argumentative Nutzen jedoch
gering. Denn auch hier
gilt, dass das Vorkommen von Verhaltensweisen in der
Tierwelt nicht gleichzusetzen
ist mit dem Etikett "natürliches Verhalten", wenn
"natürlich" in einem wertenden
Sinn verwendet wird. Nicht alles, was in der Natur vorkommt,
ist gut.
Man denke nur an alle mögliche Formen von Parasiten...!
Ein anderer Aspekt der tierischen Homosexualität liegt in
der Vermutung, dass
Homosexualität genetisch bedingt sei. Falls dem so sein
sollte und falls darin eine
Fortsetzung der in der Tierwelt genetisch verursachten
Homosexualität zu sehen ist,
stellt sich die Frage nach dem evolutionären Nutzen. Auf den
ersten Blick ist Homosexualität
evolutionär kontraproduktiv: Anstatt für Nachkommen zu
sorgen, sind
homosexuelle Paare in der Tierwelt evolutionäre Sackgassen.
Wie immer in der Evolutionstheorie wird vermutet, dass das
Vorhandensein eines genetisch
bedingten Phänomens bedeutet, dass auch ein evolutionärer
Nutzen vorliegen müsse.
Zumindest zwei Spekulationen über einen möglichen
Selektionsvorteil der Homosexualität
finden sich bei wikipedia:
«(1)
Der Verzicht auf eigene Kinder könnte durch
Verwandtenselektion der Sippe dienen, da
sie dafür sorgt, dass sich eine größere Anzahl von Menschen
um die Nachkommen kümmern
kann. Dies könnte bewirken, dass der Verzicht auf eigene
Kinder auch der Mitversorgung der
genetisch nahe verwandten Neffen und Nichten dient, und
somit auch den eigenen Genen
den Fortbestand erleichtert (siehe auch „Das egoistische
Gene). Diese Theorie erklärt allerdings
nicht den evolutionstheoretischen Nutzen der Homosexualität,
da asexuelles Verhalten
oder Veranlagung den gleichen Effekt hätten.»
«(2)
Weibliche Verwandte homosexueller Männer scheinen
fruchtbarer zu sein. Eine Studie
der Universität Padua kam zu dem Ergebnis, dass weibliche
Verwandte mütterlicherseits
mehr Nachkommen haben als der Durchschnitt. Unter der
Voraussetzung, dass Gene, welche
auch zur Ausbildung der Homosexualität beitragen,
mütterlicherseits vererbt werden und
auch für die höhere Fruchtbarkeit verantwortlich sind,
könnte dies den Nachteil kompensieren
oder sogar überkompensieren.»
Aber selbst
wikipedia
lehnt evolutionäres Denken als Grundlage zur moralischen
Bewertung der Homosexualität ab - dem stimmen wir zu.
5. Fazit und pastoraler Ausblick
Es ist keine bloße Floskel, dass der "Katechismus der
katholischen Kirche" mit
einem Appell schließt:
2358 Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen sind
homosexuell veranlagt. Sie
haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die
meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung
dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen.
Man hüte sich, sie in irgend
einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen
sind berufen, in ihrem Leben
den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind,
die Schwierigkeiten, die ihnen aus
ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des
Herrn zu vereinen.
2359
Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die
Tugenden der Selbstbeherrschung,
die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie
sich - vielleicht auch
mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -, durch das Gebet
und die sakramentale Gnade
Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen
Vollkommenheit annähern.
Dieser Appell ist sicherlich bitter nötig: Menschen, die von
einer gesellschaftlichen
Norm abweichen, haben (trotz gegenteiliger Beteuerung einer
toleranten Gesellschaft) immer noch mit Vorurteilen zu
kämpfen. Mit dem christlichen Menschenbild
ist es aber unvereinbar, Menschen nur aufgrund ihrer
Neigungen zurückzusetzen,
zu diskriminieren oder auszuschließen. Noch einmal: In
dieser Hinsicht müssen sich
alle immer wieder an die Brust schlagen und bekennen, dass
sie diesem Ideal nicht
immer gerecht werden. Das gilt auch für die Vertreter der
katholischen Kirche,
unsere Gemeinden und auch für mich.
Allerdings gehen die Ansichten darüber, was eine
"Zurücksetzung" oder "Diskriminierung"
ist, weit auseinander. Eine moralische Einordnung von
Verhalten - womöglich
gut begründet - ist ganz klar nicht diskriminierend. Somit
bleibt es eine
Herausforderung, sich den Argumenten der katholischen Kirche
vorbehaltlos und
"sine ira et studio" zu widmen - ruhig auch kritisch.
Andererseits darf es niemals bei einer moralischen Bewertung
eines fragwürdigen
Verhaltens bleiben. Immer (!) sind wir Christen
aufgefordert, uns den Betroffenen
zuzuwenden; wohlwissend, dass kein Mensch (auch kein Christ)
frei ist von ungeordneten
Neigungen oder sündigem Verhalten. Seelsorge an
Homosexuellen muss
wie jede echte Seelsorge frei von Arroganz und Herablassung
sein; die eventuelle
Begabung vieler homosexuell empfindender Menschen für
Kreatives, Spiritualität,
Ästethik und Kunst ist dabei nur ein möglicher
Anknüpfungspunkt.
Wenn eine "Heilung", also Umorientierung der homosexuellen
Neigung in eine heterosexuelle
möglich ist, freut sich die Kirche für den Betroffenen. Ob
das geht, ist
wiederum keine Glaubensfrage. Daraus gar eine Forderung zu
machen, wäre
Unsinn.
Allein und sexuell enthaltsam leben, ist für den Menschen zu
schwer. Darum
wünscht sich die Kirche, wie es in den USA bereits
geschieht, eine Art von "Selbsthilfegruppen"
solcher Menschen: Mit Hilfe von geistlichen Programmen
sollen sich
die Betroffenen gegenseitig helfen und bestärken, als
Christen nach dem Evangelium
zu leben. Aus diesen Gruppen können und sollen
Männerfreundschaften (ohne
sexuelle Beziehungen) hervorgehen, wie sie ja auch vom
Katechismus der Katholischen
Kirche angesprochen werden.
Ich möchte mit den Worten des Weihbischofs Andreas Laun
schließen: «Nehmen wir
an: Jemand hat ein starkes gleichgeschlechtliches Verlangen,
zudem erweist sich
dieses als "unheilbar", aber er (oder sie) verzichtet ein
Leben lang auf ein entsprechendes
Sexualleben, und zwar aus Liebe zu Christus und im Glauben
an Gottes
Gebot - dann kann er gerade dadurch ein großer Heiliger
werden, und ich verneige
mich vor der Größe dieses Menschen.
Sicherlich hat es solche homosexuell empfindende Heilige
schon gegeben, und wir
wissen es nur nicht. Es wäre gut, es gäbe einige, von denen
wir es wissen: zur
Ermutigung für unsere Schwestern und Brüder, die
gleichgeschlechtlich empfinden,
und zur Bewahrung vor Überheblichkeit der anderen Christen.»
Quelle: Katechese "Homosexualität" -
Grundlagen zur moralischen Bewertung /
www.karl-leisner-jugend.de
(hier
pdf-Broschüre) |