Ursprung homosexueller Neigungen
bei Kindern:
Elternhaus und gesellschaftliche Einflüsse
Die meisten Kinder, die als junge Erwachsene
homosexuelle Erfahrungen suchen, neigen bereits auf
Grund ihres häuslichen Milieus zu homosexuellem
Verhalten, sagt ein auf dieses Gebiet spezialisierter
Seelsorger.
Der Oblatenpater John Harvey ist Gründer
des katholischen Apostolats für Erwachsene mit
homosexuellen Neigungen, das sich “Courage” (“Mut”)
nennt. Er ist Mitherausgeber von “Homosexuelle Neigung:
Leitfaden für Eltern” (“Same-Sex Attraction: A Parent’s
Guide”) (Ignatius).
Er gab ZENIT einige Interviews darüber, wie Eltern sich
über homosexuelle Neigungen informieren und wie sie mit
ihren Kindern über eine gesunde menschliche Sexualität
sprechen können. ZENIT’s letztes Interview mit ihm
erschien auf Englisch am 16. November.
ZENIT: Sie erwähnten, dass Situationen in der Familie
und im Elternhaus zum Entstehen homosexueller Neigungen
beitragen können. Besteht ein Unterschied zwischen
Kindern in diesen Situationen und Jugendlichen, die sich
auf Grund gesellschaftlicher Einflüsse für homosexuelle
Kontakte entscheiden?
Pater Harvey: Es besteht ein signifikanter Unterschied
zwischen einem Kind mit homosexuellen Neigungen auf
Grund des häuslichen Milieus und jemandem, der durch
Experimentieren dazu kommt.
Dass ein Jugendlicher sich für homosexuelle Kontakte
entscheidet, ist verhältnismäßig selten, auch wenn dies
auf Gymnasium- und Hochschulebene “cool” zu werden
scheint. Im allgemeinen ist die Wahrscheinlichkeit hoch,
dass diejenigen, die Kontakte haben, bereits
homosexuelle Neigungen hatten und dass diese sich in der
Studienzeit manifestieren.
Es kommt nicht häufig vor, dass jemand, der von sich
annimmt, dass er oder sie heterosexuell ist und der aus
einer gesunden Familie kommt, sich homosexuellen
Handlungen zuwendet. Ein Trauma, wie zum Beispiel die
Vergewaltigung eines Mädchens oder Jungen im
Teenageralter, kann ihn oder sie dazu führen, eher zu
gleichgeschlechtlichen Personen hingezogen zu werden als
zum anderen Geschlecht.
Manchmal gibt es eine Teenagerperiode, in der junge
Menschen, die sich nicht vom entgegengesetzten
Geschlecht angezogen fühlen, es mit einer solchen
Beziehung versuchen und es nicht klappt. Sie stellen
auch fest, dass Geschlechtsverkehr mit jemandem vom
anderen Geschlecht kein Heilmittel gegen homosexuelle
Neigungen ist.
Einige gesellschaftliche Einflüsse, die dazu führen,
dass Jugendliche in homosexuelles Verhalten
hineingezogen werden, können auf das Gymnasium zurück
verfolgt werden. Viele fühlten sich allein, weil sie
sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlten und in
die Gruppe nicht gut hinein passten. Beim Studium
gerieten sie in eine Gruppe von Leuten mit homosexuellen
Neigungen, die nach einer passenden Gesellschaft
Ausschau hielten. An diesem Punkt kann es zu
homosexuellen Erfahrungen kommen, zwischen Personen, die
bereits prädisponiert sind.
Je mehr Untersuchungen angestellt werden, desto häufiger
stellt man fest, dass der Einfluss zu Hause früh
beginnt, in der Grundschule und noch früher.
Aber es ist wichtig, daran zu denken, dass Teenager, die
meinen, dass sie eine Hinneigung zum gleichen Geschlecht
haben, nicht fürs ganze Leben festgelegt sind. Sie sagen
zwar, sie sind “schwul”, aber es kann sein, dass sie es
gar nicht sind.
Wenn Teenager sagen, sie fühlen sich unwohl unter
Gleichaltrigen des selben Geschlechts und wenn sie eine
homosexuelle Neigung zu ihnen haben, dann hatten sie oft
auch Schwierigkeiten in ihrer Beziehung zum
gleichgeschlechtlichen Elternteil und in ihrer
emotionalen und psychologischen Identifikation mit ihm
oder ihr -- sie werden sich dieser gespannten Beziehung
nur erst viel später bewusst.
Man muss auch hinzufügen, dass die homosexuelle Neigung
auch durch die Beziehung des Kindes zum
andersgeschlechtlichen Elternteil verursacht sein kann.
In den Jahren, in denen ich Frauen mit homosexueller
Neigung betreue, bin ich einer Reihe von Frauen
begegnet, die glauben, dass ihre homosexuelle Neigung
hauptsächlich ihrer Beziehung zum Vater entspringt. Es
sind jedoch beide Eltern, die einen großen Einfluss auf
das Selbstwertgefühl und die geschlechtliche
Selbstwahrnehmung des Kindes haben. Es können auch
andere traumatische Erfahrungen außerhalb der Familie
sein, die zur Entwicklung homosexueller Neigungen
beitragen.
Wenn auch in den meisten Fällen die homosexuelle Neigung
in der Kindheit beginnt, so wird doch die Teenageperiode
entscheidend -- entweder wird der Teenager dazu
verleitet, sich homosexuell zu betätigen, oder er
bekommt Hilfe und lernt, einen enthaltsamen Lebensstil
zu leben.
Es ist auch möglich, dass der Teenager mit der Hilfe
eines guten Therapeuten und geistlichen Leiters
allmählich darauf hin arbeiten kann, seine Neigung zu
überwinden oder wenigstens auf ein Minimum
zurückzudrängen.
ZENIT: Was kann man für Kinder tun, die in stabilen
Familien leben und sich dennoch aufgrund
gesellschaftlicher Einflüsse homosexuell betätigen?
Pater Harvey: Wenn die Eltern wissen, dass ihr Kind sich
homosexuell betätigt, müssen sie es dazu veranlassen,
eine Therapie durch zuverlässige katholische Ärzte zu
suchen.
Wenn es sich um ein stabiles Familienleben im vollen
Sinn handelt, wo das Kind eine gute Beziehung zu beiden
Eltern hat, müssen die Eltern dann einfach weiterhin für
eine gesunde häusliche Atmosphäre sorgen und dabei
äußere Einflüsse auf die Familie, besonders auf das
Kind, im Auge haben.
Diese “äußeren Einflüsse” können sich im Jugendalter und
in den frühen Studienjahren zeigen, wenn junge Leute
sich in einer akademischen Umgebung befinden, wo es als
“cool” gilt, homosexuell oder bisexuell zu sein. Wenn
der Einzelne bereits eine gewisse Neigung zum gleichen
Geschlecht hat, kann er in homosexuelle Kontakte
hineinschlittern und so zu einer homosexuellen
Lebensweise verleitet werden.
Ein gesundes häusliches Milieu setzt voraus, dass die
Kinder lernen, ein gutes Verhältnis zu beiden Eltern zu
haben. Wenn man das nicht sehen kann, liegen irgend
welche Probleme vor.
Gesellschaftliche Einflüsse und Schwierigkeiten können
eintreten, wenn ein Teenager mit Kameraden ausgeht, die
nicht mit den Einstellungen seiner Eltern übereinstimmen
und keine christlichen Werte haben. Eltern müssen mit
ihren Kindern reden, sie müssen ihr Kind über das Ziel
und den Sinn der menschlichen Sexualität und die
Schönheit der Ehe als der Vereinigung von Mann und Frau
gewissenhaft unterweisen. Dies geschieht selten. Die
Schriften von Christopher West über Papst Johannes Pauls
des II. “Theologie des Leibes” sind dabei besonders
hilfreich.
Die Eltern scheuen sich, ihren Kindern zu sagen, was sie
tun sollen, und mit 18 Jahren haben Teenager ihre
Freiheit, zu tun, was ihnen gefällt. Die verderblichsten
Lehrer der jungen Menschen sind die Medien.
ZENIT: Welche Hilfe kann den Eltern geleistet werden,
die möglicherweise nicht gewillt oder in der Lage sind,
nachzuforschen, ob ihre Kinder Zeichen
gleichgeschlechtlicher Neigungen an den Tag legen?
Pater Harvey: Oft haben Eltern die Befürchtung, dass ihr
Kind eine homosexuelle Neigung hat, wollen aber nicht
Hilfe von Spezialisten in Anspruch nehmen, um die
inneren Neigungen ihres Kindes festzustellen.
Das Problem liegt darin, dass den Eltern kein
zuverlässiges Wissen über die Anzeichen homosexueller
Neigungen vermittelt wird. Und wenn jemand von außen --
ein Arzt, Psychiater, Priester oder Freund -- den Eltern
sagt, dass ihr Kind gleichgeschlechtliche Neigungen
haben könnte, ist dies für die Eltern auch sehr schwer
zu verkraften. Sie wollen es nicht wahrhaben.
Viele Eltern wollen es nicht hören, aber irgend jemand
aus dem Erwachsenenkreis muss es diesen Eltern bewusst
machen, dass ihr Kind um Hilfe schreit. Die Eltern
müssen Hilfe für ihre Kinder bekommen und sich über
homosexuelle Neigungen informieren. Es gibt Bücher, die
hilfreich sind -- zum Beispiel Don Schmierers Buch, “Ein
Körnchen Vorbeugung” (“An Ounce of Prevention”).
Eltern sind manchmal unzugänglich -- es herrscht viel
Ablehnung. Die Eltern wollen nicht glauben, dass ihr
Kind gleichgeschlechtliche Neigungen hat oder dass ihr
Kind einen homosexuellen Lebensstil führen wird, wenn
ihm oder ihr nicht geholfen wird.
Eltern, die nicht schon der Propaganda erlegen sind,
dass ein homosexueller Lebensstil normal und akzeptabel
ist, denken darüber nach, wie schwierig es für sie
selbst und ihr Kind sein wird. Sie glauben, dass sie
nicht damit rechnen können, dass ihr Kind einmal
heiraten wird und sie sich auf Enkelkinder freuen
können, und sie machen sich große Sorgen deswegen.
Die Frage, wie man mit Eltern umgehen soll, die
Anzeichen einer homosexuellen Neigung bei ihrem Kind
nicht zur Kenntnis nehmen können oder wollen, ist
äußerst schwer zu beantworten, weil es sehr schwer ist,
zu wissen, wie man ihnen raten kann. Aber wenn man
einige Monate lang mit diesen Eltern im Gespräch ist,
wird man einen Weg finden, wie man ihnen und dem Kind
helfen kann.
Die Zeichen für eine homosexuelle Neigung sind manchmal
sehr gut verdeckt. Ein großer, kräftiger Jugendlicher,
der begeisterter Fußballspieler ist, kann eine
homosexuelle Neigung haben. Ein kleiner nicht sehr
sportlicher kann heterosexuell sein. Bei der
Interpretation der Anzeichen gibt es viele Probleme;
aber in den meisten Fällen kann die Neigung festgestellt
werden, wenn man die Beziehung zu den Eltern, den
Geschwistern und gleichgeschlechtlichen Altersgenossen
untersucht.
Es ist sehr schwierig, weil das Kind einem oft nicht die
Wahrheit sagen wird, aber einige werden zu einem Berater
reden. Manchmal halten Teenager, die traumatisiert sind,
ihre Neigung verborgen. Wenn sie schließlich darüber
sprechen, kann ihnen unabhängig von ihrem Alter bei
jeder Art homosexueller Neigung geholfen werden .
ZENIT: Welches ist die notwendige gesunde
psychologische Atmosphäre, die Eltern in ihrer Ehe und
Familie schaffen müssen, um homosexuellen Neigungen bei
den Kindern vorzubeugen oder sie heilen zu helfen?
Pater Harvey: Eltern, die mit ihren Kindern zusammen
arbeiten, erzeugen eine gesunde psychologische Umgebung.
In einem Elternhaus, in dem Eltern und Kinder gern
miteinander zusammen sind, werden sowohl heterosexuelle
Kinder als auch solche mit einer homosexuellen Neigung
davon profitieren.
Gleichzeitig müssen die Eltern es klar machen, dass sie
Zeit füreinander brauchen, um ihre Ehe (lebendig) zu
erhalten. Kinder müssen erfahren, dass Vater und Mutter
sich Zeichen der Zuneigung geben. Oft kommen Kinder mit
homosexuellen Neigungen aus einem Elternhaus, in dem sie
nicht sehen, dass ihre Eltern dies tun.
Für ein Kind aus einem Elternhaus, wo es keine Zeichen
der Zuneigung zwischen Eltern oder Geschwistern erlebt,
hat es , wenn es gleichgeschlechtliche Neigungen hat,
Schwierigkeiten, seine Zuneigung und seine Neigungen
richtig zu ordnen.
Man kann nicht mit seinen Kindern nur über
Homosexualität reden -- man braucht einen Hintergrund.
Zuerst muss man mit ihnen über Gott und seinen Plan für
den Menschen reden, dann über die Verschiedenheit der
Geschlechter und dann erst über Homosexualität.
Die beste Annäherung für allein stehende Eltern besteht
darin, jemanden in der Familie zu finden, der dem Kind
Freundschaft und Orientierung geben und ihm als Leitbild
dienen kann. Eine allein stehende Mutter sollte in der
Familie jemanden finden, ihren Bruder etwa oder jemanden
anderen, der mit ihrem Sohn eine gute Beziehung hat,
entsprechend ist es bei einem allein stehenden Vater und
seiner Tochter. Es ist das besondere Vorrecht des
Elternteiles, dies für sein oder ihr Kind zu tun.
Es ist ein langer Prozess, die sexuelle Identität in
ihre natürliche Ordnung zurückzubringen, sie zu heilen.
Es geschieht nicht von heut auf morgen. Dieser Prozess
kann im Alter von drei oder vier Jahren beginnen -- wenn
die Kinder anfangen, Anzeichen für ein Hingezogensein zu
gleichgeschlechtlichen Personen an den Tag zu legen --
und er kann sich durch die Teenagerzeit bis in die
Erwachsenenjahre hinein erstrecken. Er muss unter einem
umfassenderen Blickwinkel gesehen werden.
Zwei Faktoren scheinen mir für Teenager hilfreich zu
sein: eine professionelle Therapie mit einem guten
Therapeuten, der treu zur Lehre der Kirche steht und
geistliche Leitung und Gebet.
ZENIT: Der Katechismus der Katholischen Kirche [Nr.
2358] sagt, dass Menschen mit einer homosexuellen
Neigung ihren Zustand nicht selbst wählen. Bedeutet das
von Ihrem Standpunkt aus, dass es kein erlerntes
Verhalten ist?
Pater Harvey: Eine Art des “Erlernens” homosexueller
Betätigung, liegt dann vor, wenn eine Person mit dieser
Art von Aktivität von einer anderen Person bekannt
gemacht wird. Jemand kann auch auf andere Weise
homosexuelle Praktiken lernen, z.B. durch das, was er
sich anschaut oder was er liest. Die sexuelle
Einstellung selbst jedoch entwickelt sich im allgemeinen
nicht in einer freien Entscheidung.
Ich glaube nicht, dass irgend jemand sich für eine
homosexuelle Neigung entscheidet. Die homosexuelle
Einstellung hat emotionale Wurzeln und wird von
Haltungen in der Seele beeinflusst, die auf Grund
verschiedener äußerer Ereignisse entstehen.
Es ist jedoch keine echte Entscheidung, weil die
betreffende Person normalerweise keine Kontrolle über
die Umstände und Traumata hatte, welche für die
Entwicklung homosexueller Neigungen eine Rolle gespielt
haben. Eine echte Entscheidung setzt volles Wissen und
volle Erkenntnis beim Verstand und Freiheit beim Willen
voraus.
Das Forschungsmaterial stützt sich stark auf die
Tatsache, dass homosexuelle Neigungen weitgehend auf das
Milieu zurückgeführt werden können. Es gibt keinen
Beweis für eine angeborene Homosexualität -- sie
existiert nicht. Seit hundert Jahren wird über die
Homosexualität geforscht, und man ist zu dem Ergebnis
gekommen, dass homosexuelle Neigungen von
milieubedingten Faktoren und psychologischen Einflüssen
abhängen. Alle Untersuchungsergebnisse vor 1973 deuteten
auf milieubedingte Faktoren hin. Dann kam die Idee auf,
dass sie genetisch bedingt sei. Bisher gibt es keinen
Beweis dafür.
Menschen, die eine homosexuelle Neigung haben, folgern
daraus manchmal, dass das ihre Identität ist. Aber die
Identität ist ständig dabei sich zu entwickeln; es
bedarf einer langen Zeit, bis der Mensch in seiner
Identität gereift ist.
Unsere wahre Identität besteht darin, dass wir Geschöpfe
Gottes, Männer und Frauen mit Intelligenz und einem
freien Willen sind. Und, wenn wir getauft werden, werden
wir Brüder und Schwestern Jesu Christi.
Quelle: Zenit 1.4.2004 |