Lesen Sie
bitte den ALfA-Newsletter 20/12 vom 27.05.2012,
der sich eingehend mit dem Thema
"Organspende" und
"Neue Gesetzesregelung"
auseinander gesetzt hat.
Endabstimmung zur Organspende-Debatte im Deutschen Bundestag:
Änderung des Transplantationsgesetzes und Entscheidungslösung
verabschiedet
Berlin
(ALfA). Am 25. Mai hat der Deutsche Bundestag in zweiter und
dritter Lesung über zwei Gesetzentwürfe für eine Reform der
Organspende-Regelung entschieden. Damit gibt es einige
eingreifende Veränderungen im Vergleich zur bisherigen Regelung,
von der nahezu alle Bürgerinnen und Bürger schon bald betroffen
sein werden.
Einführung der Entscheidungslösung bei Organspenden
Der
erste und fraktionsübergreifende Gesetzentwurf regelt die
Einführung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz.
Ziel ist es unter anderem, die Zahl der Organspender in
Deutschland zu erhöhen. Zugleich soll die Aufklärung jedoch
"ergebnisoffen" erfolgen. Damit wird die bislang geltende
erweiterte Zustimmungslösung in eine Entscheidungslösung
umgewandelt. Das heißt, künftig sollen alle Bürgerinnen und
Bürger ab 16 Jahren regelmäßig von ihren Krankenkassen per Post
angeschrieben, über die Organspende informiert und zur Abgabe
einer Erklärung dazu aufgefordert werden. Erstmalig soll dies
schon in diesem Jahr geschehen, danach alle zwei bzw. fünf
Jahre. Hierbei besteht auch die Möglichkeit die Schreiben zu
ignorieren und sich nicht zu entscheiden. In dem Fall sollen im
Falle einer möglichen Organentnahme nach festgestelltem Hirntod
die Angehörigen befragt werden und ihre Zustimmung oder
Ablehnung erklären so wie bisher.
Darüber
hinaus sollen die Behörden bei der Ausgabe von amtlichen
Ausweisen wie z. B. Pass oder Führerschein Informationen zur
Organspende ausgeben. Zudem sollen die technischen und
datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Speicherung der
Entscheidung zur Organspende auf der elektronischen
Gesundheitskarte geschaffen werden. Dabei ist die Speicherung
der Angaben für die Versicherten freiwillig. Die technische
Umsetzung soll in einem stufenweisen Prozess erfolgen.
Verpflichtende Einführung von Transplantationsbeauftragten und
Absicherung der Lebendspende
Mit dem
zweiten Regelwerk, einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Änderung des Transplantationsgesetzes, werden europarechtliche
Vorgaben umgesetzt und damit europaweit geltende einheitliche
Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Organtransplantation
gesetzlich festgelegt. Gleichzeitig wird die Einführung eines
Transplantationsbeauftragten in jedem Entnahmekrankenhaus
vorgeschrieben. Außerdem werden Regelungen zur Verbesserung der
Absicherung des Lebendorganspenders geschaffen. Künftig hat
jeder Lebendspender u. a. einen Anspruch gegen die Krankenkasse
des Organempfängers auf Krankenbehandlung, Vor- und
Nachbetreuung, Rehabilitation, Fahrtkosten und Krankengeld.
Mit
Blick auf die anhaltende Kritik an der als für die
Organsvermittlung als Koordinierungsstelle tätigen Deutschen
Stiftung Organtransplantation (DSO) werden der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen, Bundesärztekammer und die Deutsche
Krankenhausgesellschaft als Auftraggeber der DSO gesetzlich
verpflichtet, diese kontinuierlich zu überwachen. Zudem muss die
DSO im Interesse einer erhöhten Transparenz den Auftraggebern
grundsätzliche finanzielle und organisatorische Entscheidungen
vorlegen und wird dazu verpflichtet, jährlich ihren
Geschäftsbericht zu veröffentlichen. Des Weiteren wurden im
Gesetz die bereits bestehende Überwachungskommission und deren
Aufgaben gesetzlich verankert und neben der Koordinierungsstelle
auch Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäuser zur
Auskunft verpflichtet. Kritiker hatten dies im Vorfeld der
Abstimmung als insgesamt nicht weitreichend genug bezeichnet.
Zur
Diskussion und Abstimmung standen zudem weitere sechs
Drucksachen, die erst zwei Tage vorher eingebracht wurden. Dies
waren je eine Beschlussempfehlung des federführenden
Gesundheitsausschusses zu den Gesetzentwürfen, zwei
Änderungsanträge von Grünen und Linken zum Gesetzentwurf zur
Entscheidungslösung im Hinblick auf den Datenschutz sowie ein
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, SPD und FDP zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung und ein Entschließungsantrag
der Linksfraktion.
Debatte und Abstimmungsergebnisse
Vor der
Abstimmung warben noch einmal gut anderthalb Stunden lang
Abgeordnete aller Fraktionen in ihren Reden für ihre Positionen.
Reden von Abgeordneten, deren Redewunsch nicht berücksichtigt
werden konnte, wurden zu Protokoll gegeben. Angesichts dessen,
dass bereits über 400 von insgesamt 620 Abgeordneten den
Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung unterzeichnet hatten,
herrschte dabei seltene Einigkeit. Gleichwohl gab es im
Gegensatz zur ersten Lesung am 22. März (siehe ALfA-Newsletter
12/12 vom 25.03.2012) mehrere kritische Stimmen, auch die
Diskussion über den Hirntod wurde erwähnt.
Kritikpunkte waren aber vor allem der Datenschutz in
Zusammenhang mit der möglichen Speicherung auf der
elektronischen Gesundheitskarte, zu denen es zwei
Änderungsanträge gab, und die Organisationsstrukturen und
Intransparenz der für die Koordinierung der Organspenden
zuständigen Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).
Ebenfalls kritisiert wurde von der Opposition eine bislang nicht
beachtete Klausel im Gesetzentwurf, die die Forschungsinteressen
der Pharmaindustrie über den Datenschutz der Organ- und
Gewebespender stellt. Die Klausel erlaubt eine ungenehmigte
Weitergabe personenbezogener Organspenderdaten an Dritte, wenn
"das öffentliche Interesse an der Durchführung des
Forschungsvorhabens die schützenswerten Interessen der
betroffenen Person überwiegt und der Forschungszweck nicht auf
andere Weise zu erreichen ist".
Im
Anschluss an die Debatte folgte eine relativ schnelle Abstimmung
per Handzeichen bzw. durch Aufstehen. Dies ist insofern
bemerkenswert und kritikwürdig, da bisher bei früheren
biopolitischen Entscheidungen wie z. B. beim Stammzellgesetz,
der Regelung der Präimplantationsdiagnostik oder von
Spätabtreibungen immer namentlich abgestimmt wurde. Zudem waren
bei den Abstimmungen zur Reform der Organspendereglung gegen
11.00 Uhr nur ca. 100 Abgeordnete von 620 Parlamentsmitgliedern
anwesend, was nicht gerade von großem Interesse am Thema zeugt.
Zwei
Änderungsanträge zum Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung
Als
erstes wurde über die beiden Änderungsanträge zum Gesetzentwurf
zur Regelung der Entscheidungslösung abgestimmt. Ein
Änderungsantrag kam von 23 Abgeordneten der Linksfraktion
(Drucksache 17/9775) und einer von 44 Abgeordneten der Grünen
(Drucksache 17/9776). Die Linken hatten sich in ihrem Antrag
gegen die Speicherung der Organspendeerklärung auf der
elektronischen Gesundheitskarte ausgesprochen. Ebenso die
Grünen, die die Möglichkeit ausschließen wollten, dass
Krankenkassen die Erklärungen zur Organspende auf der
elektronischen Gesundheitskarte eintragen oder löschen können,
sowie das Erheben und Speichern dieser Daten durch die
Krankenkassen selbst. Die möglichen Lese- und Schreibrechte der
Krankenkassen für Inhalte der Organspendeerklärung können nach
Auffassung der Grünen das ohnehin bei Teilen der Bevölkerung
bestehende Misstrauen gegenüber der Elektronischen
Gesundheitskarte verstärken und damit das Anliegen des
Gesetzentwurfes insgesamt konterkarieren. Auch die
Bundesärztekammer hatte kürzlich gefordert von einer
Zugriffsmöglichkeit der Krankenkassen abzusehen.
Der
Änderungsantrag der Linken wurde jedoch mit den Stimmen von
CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen und einigen Stimmen aus der
Fraktion Die Linke gegen viele Stimmen aus der Fraktion Die
Linke abgelehnt. Der Änderungsantrag der Grünen wurde ebenfalls
mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und jeweils Stimmen aus
der Fraktion Die Linke und der Grünen verworfen.
Danach
wurde über den überfraktionellen Gesetzentwurf zur Regelung der
Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz (Drucksache
17/9030) abgestimmt. Dieser wurde mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD, FDP und der Mehrheit der Fraktion Die Linke und der Grünen
bei jeweils einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen aus
der Fraktion der Linken und jeweils einer Enthaltung bei den
Grünen und der FDP angenommen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des
Transplantationsgesetzes und Entschließungsanträge
Anschließend stand die Entscheidung über den Gesetzentwurf der
Bundesregierung zur Änderung des Transplantationsgesetzes
(Drucksache 17/7376) in der vom Gesundheitsausschuss geänderten
Fassung (Drucksache 17/9773) an. Dieser wurde mit den Stimmen
von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linksfraktion bei
Enthaltung der Grünen und einer Enthaltung aus den Reihen der
FDP angenommen.
Ebenfalls angenommen wurde ein Entschließungsantrag von CDU/CSU,
SPD und FDP (Drucksache 17/9777), in dem u. a. begleitende
Informationskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung und die Aufnahme des Themas Organspende in
Erste-Hilfe-Kurse verlangt werden. Die Annahme erfolgte mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen und einer Enthaltung aus
den Reihen der FDP.
Der
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke wurde dagegen mit
den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Linken bei Enthaltung der Grünen abgelehnt. In dem Antrag
forderten die Linken die Bundesregierung dazu auf, einen
Gesetzentwurf vorzulegen, "der 1. nach der Aufarbeitung der
Vorkommnisse um die DSO verbindliche Verfahrensanweisungen und
Kontrollen für die Koordinierungsstellen verankert und die
Koordinierungsstelle in der Rechtsform einer Behörde errichtet;
2. verbindliche und transparente, dem wissenschaftlichen Stand
entsprechende Richtlinien über die Zuteilungskriterien von
Organen, Geweben und Gewebezubereitungen festlegt; 3.
hinsichtlich der Hirntodproblematik weitergehende Kriterien nach
internationalen Standards definiert und Regelungen zur
verpflichtenden apparativen Diagnostik vorschreibt; 4. nach
wissenschaftlichen Kriterien geeignete und dem Stand der
medizinischen Forschung entsprechende Regelungen und
Verordnungen zum Transport von explantierten Organen festlegt;
5. das Verhältnis zwischen Organspendeerklärung und
Patientenverfügung rechtlich eindeutig klärt und vorhandene
Widersprüche und Konflikte auflöst; 6. eine ergebnisoffene und
nicht interessengeleitete Beratung von möglichen Spenderinnen
und Spendern und ihrer Angehörigen sicherstellt, die
konfliktbezogen gestaltet wird und juristische, ethische und
medizinische Aspekte einbezieht." Das dürfte einigen
Abgeordneten wohl doch zu weit gegangen sein.
Weiterer Verlauf
Mit der
Abstimmung im Parlament geht die Debatte zu Organspende-Reform
zumindest vorläufig nun zu Ende, ein weiteres biopolitisch
brisantes Thema wurde abgehakt. Als nächstes folgt mit
ziemlicher Sicherheit die baldige Zustimmung des Bundesrates und
des Bundespräsidenten. Medienberichten zufolge sollen beide
Gesetze voraussichtlich schon bis zum 1. Juli im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Die Entscheidungslösung
gilt vier Monate nach dieser Verkündung, d. h. voraussichtlich
ab 1. November. Innerhalb von zwölf Monaten soll dann erstmals
Post der Krankenkassen versendet werden.
Weitere Informationen:
-
Organ-Lebendspender sollen
bessergestellt werden
Ausschuss für Gesundheit
Berlin: (hib/MPI) Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat
den Weg für eine Besserstellung von Organ-Lebendspendern frei
gemacht. Die Abgeordneten votierten am Mittwoch einstimmig für
entsprechende Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung
(17/7376) zum Transplantationsgesetz.
HIB Heute im Bundestag 23.05.12
-
Feiges Parlament
Ein Nischenthema rückt in die erste Liga der Parlamentsdebatte
Kommentar von Heike Haarhoff
Am Freitag wollen die Parlamentarier dem Volk aber mal so
richtig zeigen, dass sie, wenn es darauf ankommt, mehr können
als Koalitionskrach, Taktiererei und Machtspielchen.
TAZ 24.05.12
-
Streit über Datenschutz:
Parteien-Konsens bei Organspendereform zerbrochen
von Rainer Woratschka
Aus einer fraktionsübergreifenden Einigung bei der
Organspendereform wird nichts, weil die Regierung
Patientendaten ohne deren Einwilligung weitergeben will. Grüne
und Linkspartei fürchten eine Kommerzialisierung der Daten.
TAGESSPIEGEL 24.05.12
-
Novellierung des
Transplantationsgesetzes: Lücke bei Regelung zu
Gewebekomplexen
Siegmund-Schultze, Nicola
Das Transplantationsgesetz könnte in der Neufassung die
zukunftsträchtige Verpflanzung von komplexen Geweben
behindern. Das ist einer der Kritikpunkte im noch laufenden
Verfahren.
Deutsches Ärzteblatt 2012; 109(21) 25.05.12
-
Friede, Freude, kleine Reiberei:
Fraktionsübergreifende Einigkeit bei erster Bundestagberatung
über Organspende-Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung
Stimmen zur Organspende-Debatte: Kritik an fehlender
Hirntod-Debatte und einseitiger Aufklärung pro Organspende
ALfA-Newsletter 12/12 vom 25.03.2012
-
Infoportal der InteressenGemeinschaft
Kritische Bioethik Deutschland zum Thema Organspende,
Transplantation und Hirntod mit umfangreichen
Hintergrundmaterialien
Die folgende
Zusammenstellung aller Debatten-Drucksachen im PDF-Format
dient der Vollständigkeit für alle tiefer Interessierten. Dem
Laien sind diese mit Ausnahme des Plenarprotokolls nicht zu
empfehlen.
-
Plenarprotokoll Deutscher Bundestag 182.
Sitzung Berlin, Freitag, den 25. Mai 2012
Drucksache 17/182
Hier: Organspende
-
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Transplantationsgesetzes
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode, Drucksache 17/7376,
19.10.11 (40 Seiten)
-
Beschlussempfehlung und Berichtdes
Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 17/7376 –
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Transplantationsgesetzes
Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9773,
23.05.12 (58 Seiten)
Anm.: Am 25.05.12 angenommen
-
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung
der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz
Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Kauder, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, Gerda Hasselfeldt, Rainer Brüderle, Dr. Gregor
Gysi, Renate Künast, Jürgen Trittin, Jens Spahn, Dr. Carola
Reimann, Gabriele Molitor u.a.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9030,
21.03.12 (20 Seiten)
Anm.: Am 25.05.12 angenommen
-
Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem
Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Kauder, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, Gerda Hasselfeldt, Rainer Brüderle, Dr. Gregor
Gysi, Renate Künast u.a. – Drucksache 17/9030 - Entwurf eines
Gesetzes zur Regelung der Entscheidungslösung im
Transplantationsgesetz
Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9774,
23.05.12 (10 Seiten)
-
Änderungsantrag LINKE zu der zweiten
Beratung des Gesetzentwurfs der Abgeordneten Volker Kauder,
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Gerda Hasselfeldt, Rainer
Brüderle, Dr. Gregor Gysi, Renate Künast, u.a. – Drucksachen
17/9030, 17/9774 – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der
Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz
Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9775,
23.05.12 (2 Seiten)
Anm.: Antrag am 25.05.12 abgelehnt
-
Änderungsantrag GRÜNE zu der zweiten
Beratung des Gesetzentwurfs der Abgeordneten Volker Kauder,
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Gerda Hasselfeldt, Rainer
Brüderle, Dr. Gregor Gysi, Renate Künast – Drucksachen
17/9030, 17/9774 – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der
Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9776,
23.05.12
Anm.: Antrag am 25.05.12 abgelehnt
-
Entschließungsantrag der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP zu der dritten Beratung des
Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Drucksachen 17/7376,
17/9773 – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Transplantationsgesetzes
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9777,
23.05.12 (2 Seiten)
Anm.: Antrag am 25.05.12 angenommen
-
Entschließungsantrag DIE LINKE. zu der
dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung –
Drucksache 17/7376, 17/9773 – Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Transplantationsgesetzes
Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/9778,
23.05.12 (2 Seiten)
Anm.: Antrag am 25.05.12 abgelehnt
Stimmen zur Organspende-Debatte: Kritik von
Lebensrechtsorganisationen an Entscheidungslösung
Berlin
(ALfA). In den Medien wurden die Bundestagsbeschlüsse zur
Neuregelung der Organspende recht unterschiedlich, aber meist
überwiegend wohlwollend aufgenommen. Während die einen Zeitungen
davon berichteten, was nun alles besser werden würde für die auf
ein Organ Wartenden und welche Hoffnungen mit der Neuregelung
verknüpft sind, gab es auch zahlreiche kritische Stimmen. Den
einen Kommentatoren ging der Beschluss nicht weit genug. Sie
plädierten für die Einführung der Widerspruchslösung, d.h. jeder
der nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat, wird nach
Feststellung des Hirntodes automatisch zum Organspender
deklariert. Die anderen kritisierten die mangelnde Transparenz
der für die Organverteilung zuständigen Deutsche Stiftung
Organtransplantation (DSO) sowie den ausgehöhlten Datenschutz.
Damit werde das Vertrauen in die Organspende verspielt. Zudem
wurde das gesetzgeberische Verfahren kritisiert, insbesondere,
dass der Eindruck entstand, die Gesetze sollten im Eilverfahren
durchgeschoben werden um das Thema vom Tisch zu bekommen, bevor
sich noch mehr Unmut über die DSO und die datenschutzrechtlichen
Bedenken sowie die Kritik an der fehlenden Diskussion über den
Hirntod als Organentnahmekriterium regt.
Emotionale Werbung gegen mangelnde Transparenz und fehlende
parlamentarische Legitimation
Kritik
kam auch von der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz
Stiftung. "Niemand bezweifelt, dass die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages mit der heutigen Entscheidung zum
Transplantationsgesetz nicht etwas Gutes bewirken wollten. Dabei
ist es nicht gelungen, die eigenen Ansprüche zu erfüllen",
erklärte der Geschäftsführende Vorstand der
Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen
Brysch, in einer Presseaussendung. Die Kritik ziele nicht allein
darauf, wie oft die Bürger nach ihrer Einstellung zur
Organspende gefragt werden. Schließlich könne sich heute schon
niemand der Werbung für Organspende entziehen, da die
Krankenkassen in ihren Mitgliedszeitungen, die Ärzte in ihren
Praxen und die Apotheken in ihren Magazinen sowie Auslagen seit
Jahrzehnten aktiv um Organspender werben.
"Unzählige Prominente stellen sich in den Dienst dieser
Öffentlichkeitsarbeit. Sicherlich werden mit bezahlter und
unbezahlter Werbung mehr als 100 Millionen Euro jährlich
ausgegeben. Doch alles, ohne den Anteil der Ausweisträger an den
tatsächlichen Organspendern in der Bevölkerung zu erhöhen: Zehn
Prozent waren es 1996, heute sind es nicht viel mehr. Diese
Fakten hätten das Parlament aufhorchen lassen müssen, denn mehr
Werbung wird das zentrale Problem der Bevölkerung nicht lösen
können", ist Brysch überzeugt. "Mangelnde Transparenz und
fehlende parlamentarische Legitimation bei der Vergabe von
Lebenschancen können nicht durch emotionale Werbung ausgeglichen
werden. Deshalb wäre es an der Zeit gewesen, die staatlich
deregulierte Verantwortungslosigkeit abzulegen und die
Funktionen der privaten Organisationen wie der
Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation
und der niederländischen Stiftung Eurotransplant unter
parlamentarische Kontrolle und Führung zu stellen." Dieser Mut,
etwas wirklich Gutes zu tun, habe den Befürwortern im Bundestag
gefehlt. Damit sei "eine Chance vertan", eine tragfähige Lösung
für das drängende Problem im Transplantationssystem zu finden.
"Wir werden in Deutschland feststellen, dass wir so den Menschen
auf der Warteliste leider nicht helfen konnten", so Brysch.
Neue
Gesetzeslage kann nur noch mühsam den Anschein von
Freiwilligkeit bei der Organspende aufrecht erhalten
Ebenfalls scharfe Kritik übte der Bundesverband Lebensrecht (BVL).
Der Vorsitzende des BVL, Martin Lohmann erklärte in einer
Pressemitteilung: "Das weitreichende Ergebnis, zu dem der
Deutsche Bundestag zur Organspende heute ohne gründliche
parlamentarische Debatte oder vorherige Anhörung leider gefunden
hat, ist mehr als enttäuschend. Hier wird in einer
entscheidenden Frage der Würde und der Selbstverantwortung des
Menschen eine verhängnisvolle Richtung eingeschlagen. Denn im
interessengeleiteten Bemühen zur Bereitschaft von mehr
Organspenden verliert sich immer mehr die Achtung vor der Würde
des Menschen bis zu seinem natürlichen Lebensende", so Lohmann.
Der Gesetzgeber überlasse es allein den Ärzten, den
Todeszeitpunkt durch die kritisch zu hinterfragende
Hirntoddefinition festzulegen. Der Hirntote sei jedoch nicht
tot, sondern werde trotz weiterer künstlicher Beatmung und hoher
Schmerzmitteldosierung bei der Organentnahme, um unerwünschte
Reaktionen zu unterbinden als tot "erklärt", sei jedoch
tatsächlich ein Kranker und Sterbender.
Die
neue Gesetzeslage könne nur noch mühsam den Anschein von
Freiwilligkeit bei der Organspende aufrecht erhalten. "Denn die
Bürger werden nun regelmäßig und nachdrücklich ausgerechnet von
ihrer Krankenkasse aufgefordert, ihre Organe doch zum Zeitpunkt
X auf jeden Fall zu spenden. Stattdessen hat der Gesetzgeber
nunmehr eine verschleierte Zwangsregelung auf den Weg gebracht,
die einer ambitionierten Entmündigung durch eine mehr oder
weniger offene Druckausübung gleichkommt. Die sonst so hoch
gelobte Selbstbestimmung wird faktisch ausgehöhlt und
unterlaufen. Das ist keine der unantastbaren Würde des einzelnen
entsprechende gerechte Vorgehensweise", kritisierte der
BVL-Vorsitzende. Es sei "erschreckend, dass in Deutschland die
Sensibilität für den unbedingten Schutz des Lebens zu verdunsten
scheint."
Drohende Vergesellschaftung der Organspende
Auch
die Christdemokraten für das Leben (CDL), eine
Lebensrechtsinitiative innerhalb der Union, kritisierten durch
die Bundesvorsitzende, Mechthild Löhr, in ihrer Stellungnahme
vehement Art und Umfang der so genannten neuen
"Entscheidungslösung". "Schon länger hat die Gesundheitspolitik
es zu ihrem Ziel erklärt, die Zahl der Organspender in
Deutschland deutlich zu erhöhen. Nicht einmal die zahlreichen
aktuellen Ungereimtheiten und Skandale um die Deutsche Stiftung
Organtransplantation (DSO), die hierzulande das Monopol für
Organverteilung und Entnahme ausübt, haben den Bundestag davon
abgehalten, heute ohne Anhörung kritischer Positionen in zweiter
und dritter Lesung Gesetze zur Neuregelung der Organspende
durchzudrücken. Die zu beobachtende Skepsis der Bürger gegenüber
postmortalen Organentnahmen ist aber nicht grundlos und sogar
noch gestiegen", so Löhr.
Deshalb
solle jetzt auf die Bürger staatlicherseits wachsender
moralischer Druck ausgeübt werden, ohne sie über den
international umstrittenen Hirntod als definitorischer
Voraussetzung für eine Organentnahme aufzuklären. "Im Gesetz ist
denn auch stets von Organentnahme nach dem Tod die Rede, die
Definition des Todes überlässt der Gesetzgeber den Ärzten. Diese
ist und bleibt somit in den verschieden EU-Ländern
unterschiedlich. Hirntote sind zu diesem Zeitpunkt allerdings
eindeutig noch Lebende im Sterbeprozess, die künstlich beatmet
werden. Deshalb wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, dass man
bei der Entnahme von Organen bereits tot sei", stellte die
CDL-Vorsitzende klar.
"Der
Bundestag hat durch die nunmehr beschlossene generelle und
regelmäßige bundesweite Erfassung der Organspendebereitschaft
jedes einzelnen Bürgers eine neue Grenze zur Vergesellschaftung
überschritten. Er fordert jetzt die Krankenkassen auf, auf der
elektronischen Gesundheitskarte die Organspenderfunktion
festzuhalten. Auch das regelmäßige Anschreiben aller Bürger, um
ihre Organspendebereitschaft zu erfassen und damit Auskunft über
eine persönliche Frage auf Leben und Tod zu erhalten, offenbart
eine unglaubliche Hybris des Staates", kritisierte Löhr. Zwar
werde bei der vorgeschlagenen Lösung noch formal das Prinzip der
Freiwilligkeit gewahrt, doch übe der Staat mittelbaren
moralischen Zwang auf die Bürger aus. Das habe durchaus den
"Charakter einer ethischen Nötigung" und missachte das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung. Besonders bei körperlich oder
psychisch schwer erkrankten Menschen könne diese Dauerbefragung
zusätzlich äußert negative Konsequenzen haben.
"Eine
wirklich sachgerechte und angemessene Aufklärung über die
Hirntod-Diagnose würde sicher weiterhin viele Menschen davon
abhalten, sich als Organspender zur Verfügung zu stellen.
Verstärkend kommen die jüngste Reihe der Skandale bei der
Stiftung Organtransplantation (DSO) und die erheblichen
wirtschaftlichen Interessen hinzu, die sich rund um den
Organhandel national wie international drehen", erklärte Löhr.
Bei vielen Bürgern gebe es zu Recht ein tiefes Misstrauen, wenn
der Staat höchstpersönliche Daten abfragt und speichert.
"Es
wird sich jetzt wohl nur noch durch das Bundesverfassungsgericht
klären lassen, ob der Staat überhaupt befugt ist, Daten dieser
Art über jeden Bürger permanent zu erheben und durch Dritte
verwalten zu lassen. Dass auch dieses wichtige Gesetz heute in
2.und 3. Lesung im Eiltempo und ohne vorherige Anhörung durch
eine breite Allparteienkoalition verabschiedet worden ist, wirft
zusätzlich ein bedenkliches Licht auf die aktuelle
parlamentarische Diskussionskultur unseres Landes", so die
CDL-Vorsitzende abschließend.
Deutsche Bischofskonferenz begrüßt bestehende Freiwilligkeit
einer Organspende
Vergleichsweise wohlwollend äußerte sich von Seiten der Kirchen
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK),
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch zur beschlossenen Änderung des
Transplantationsgesetzes. "Wir haben bereits im Vorfeld dieser
politischen Entscheidung immer wieder deutlich gemacht, welche
Grenzen und Kriterien bei diesem sensiblen Thema zu beachten
sind: Wenn die Organspende, wie die Kirche formuliert, ‚als
Ausdruck großherziger Solidarität' gefördert werden soll, dann
bedarf es der Freiwilligkeit", so Zollitsch in einer
Pressemitteilung. Die Organspende sei nur dann sittlich
annehmbar, wenn der Spender oder die Angehörigen ihre
ausdrückliche freie Zustimmung dazu gegeben haben.
"So
begrüßen wir, dass die Freiwilligkeit einer Organspende auch
weiterhin gewahrt bleibt. Außerdem begrüßen wir, dass die schon
lange erhobenen Forderungen, Lebendspender besser abzusichern,
mit in die Änderung aufgenommen wurden. Mehr Spender für Organe
werden sich nur dann finden lassen, wenn die Menschen davon
ausgehen können, dass kein Zwang auf sie ausgeübt wird, und sie
in Freiheit ‚großherzige Solidarität' üben können", sagte der
DBK Vorsitzende. Von Seiten der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD) war leider kein Statement zu finden.
Beschlüsse 115. Deutscher Ärztetag: Verbot organisierter
Sterbehilfe gefordert - Nürnberger Erklärung zur NS-Medizin
Nürnberg (ALfA). Vom 22. bis 25 Mai fand in Nürnberg der 115.
Deutsche Ärztetag statt. Dabei sprach sich der Ärztetag, d.h.
die Hauptversammlung der Bundesärztekammer, für ein Verbot jeder
Form der organisierten Sterbehilfe aus. Die Delegierten
begrüßten die Gesetzespläne der Bundesregierung, die
gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe zu
stellen. "Wenn jedoch verhindert werden soll, dass
Sterbehilfeorganisationen unter einem anderen Rechtsstatus
weiter ihren Geschäften nachgehen, muss jede Form der
gewerblichen oder organisierten Sterbehilfe in Deutschland
verboten werden", forderte der Ärztetag.
Die
Delegierten warnten davor, dass sich diese Organisationen in der
Praxis leicht zu vermeintlich altruistisch handelnden Vereinen
oder Stiftungen umfirmieren ließen. Deshalb müsse der
Gesetzgeber "alle Facetten der gewerblichen und organisierten
Sterbehilfe strafrechtlich sanktionieren, also auch die
Organisationen miterfassen, bei denen rechtlich keine
Gewinnerzielungspraxis nachweisbar ist", heißt es in einer
Entschließung.
Nürnberger Erklärung zur NS Medizin
In
einer "Nürnberger Erklärung" vom 23. Mai hat der Ärztetag zudem
den Opfern der Verbrechen von Ärzten in der Zeit des
Nationalsozialismus gedacht. Hintergrund ist, dass in Nürnberg
vor 65 Jahren 20 Ärzte als führende Vertreter der "staatlichen
medizinischen Dienste" des nationalsozialistischen Staates wegen
medizinischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt
wurden. "Wir bekunden unser tiefstes Bedauern darüber, dass
Ärzte sich entgegen ihrem Heilauftrag durch vielfache
Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, gedenken der
noch lebenden und der bereits verstorbenen Opfer sowie ihrer
Nachkommen und bitten sie um Verzeihung", heißt es in der
Erklärung des Deutschen Ärztetages.
Die
Delegierten wiesen darauf hin, dass die Initiativen gerade für
die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen nicht von
politischen Instanzen ausgegangen seien, sondern von den Ärzten
selbst. "Diese Verbrechen waren auch nicht die Taten einzelner
Ärzte, sondern sie geschahen unter Mitbeteiligung führender
Repräsentanten der verfassten Ärzteschaft", erklärte der
Ärztetag. Ebenso seien medizinische Fachgesellschaften,
herausragende Vertreter der universitären Medizin sowie
renommierte biomedizinische Forschungseinrichtungen beteiligt
gewesen. "Wir erkennen die wesentliche Mitverantwortung von
Ärzten an den Unrechtstaten der NS-Medizin an und betrachten das
Geschehene als Mahnung für die Gegenwart und die Zukunft", heißt
es weiter. Der Deutsche Ärztetag verpflichtete sich ferner,
darauf hinzuwirken, die weitere historische Forschung durch die
Gremien der deutschen Ärzteschaft sowohl in Form finanzieller
als auch institutioneller Unterstützung zu fördern.
Weitere lesenswerte Artikel finden Sie im
ALfA-Online-Pressespiegel
Den "Alfa-Newsletter
können Sie
hier
kostenlos bestellen |
Leserbrief in der FAZ am 31.5.2012
veröffentlicht
Organspende: Das neue Gesetz und der alte Alltag der Bürger
Eine
gute Woche nach dem der Bundestag die Reform des
Transplantationsgesetzes beschlossen hat und kurz vor dem „Tag
der Organspende“ fragt man sich: was jetzt? Hat sich was
verändert? Und wenn ja: was und zu wessen Gunsten… Eine
gute Woche nach dem der Bundestag die Reform des
Transplantationsgesetzes beschlossen hat und kurz vor dem „Tag
der Organspende“ fragt man sich: was jetzt? Verändert sich was?
Und wenn ja: was und zu wessen Gunsten… Weil Veränderungen Geld
kosten lohnt es sich oft in Gesetzentwürfen zuerst den Abschnitt
„Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte“ zu
lesen. So auch hier. Das refomierte Transplantationsgesetz hat
demnach zuallererst Auswirkungen auf unseren Briefträger, für
den Mehrarbeit ins Haus stehen, denn er muss Klappkarten
in unerhörter Zahl austragen:
Informationsmaterial einschließlich eines Organspendeausweises
liegt derzeit u. a. in Form einer Klappkarte der BZgA mit
heraustrennbarem Organspendeausweis vor. Für den Druck von rund
70 Millionen Klappkarten und die Versendung an Krankenkassen und
private Krankenversicherungs-unternehmen seitens der BZgA
entstehen zusätzlich insgesamt Kosten i. H. v. rund 1,7 Mio.
Euro, damit alle Versicherten einmal informiert werden können.
Bei wiederholter Information der Versicherten entstehen diese
Kosten erneut.“
So
viel auch zum Thema „informierte und unabhängige Entscheidung
jedes Einzelnen“, die in § 1 Abs 1 Transplantationsgesetz (neue
Fassung) postuliert wird. Denn auch unter „sonstige Kosten“ wird
zwar versucht zu beziffern, wie hoch zusätzliche Kosten durch
den geplanten Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte für
die Zwecke des Transplantationsgesetzes ausfallen könnten, die
von den Kassen auch geforderte, recht umfangreiche Aufklärung
ihrer Versicherten soll aber offenbar nicht zu Buch schlagen.
Wenn Sie also wissen wollen, wie sich Ihre Patientenverfügung
zur Organspendeerklärung verhält, ob Sie besser hier oder dort
etwas ändern sollten, wenn sie die beiden Erklärungen
harmonisieren wollen, riskieren Sie entweder nichts zu erfahren
oder schlimmer noch allgemeine Plattitüden zu hören, die
bestenfalls nicht falsch sind: Spezialwissen ist nicht umsonst
zu haben und kann schon gar nicht kostenneutral angeboten
werden. Versuchen sollten Sie es trotzdem, sich individuell
beraten und nicht nur mit Klappkarten eindecken zu lassen: schon
damit die Kassen den Bedarf (und günstigstensfalls ihre Probleme
den zu decken) sehen.
Wenn nun aber, mit Anschreiben und allem Drum und dran,
der Organspendeausweis ins Haus geflattert ist – was tun? Was
Sie mögen: lesen, wegschmeissen, beides – Sie sind,m wie
drängend der Text auch formuliert sein mag, frei zu entscheiden.
Paragraph 2 Absatz 2a TPG:
„Niemand kann verpflichtet werden, eine Erklärung zur Organ-
und Gewebespende abzugeben.“
Es kommt sodann das Argument: Wer sich nicht erklärt,
zwingt seine Angehörigen sich zu erklären und belastet sie
damit. Dazu ist zum einen auf
den charmanten Gedanken des Kollegen Hefty hier auf diesen
Seiten zu verweisen, der begründet hat, warum das neue
Gesetz eigentlich den Rückgriff auf die Meinung der Angehörigen
nicht nehmen dürfte (die Klage eines befragten Angehörigen auf
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Befragung bzw. eines
Menschen, der sich grundsätzlich weigern will zu antworten und
der auch seine Angehörigen nicht befragt wissen will, könnten
spannend werden). Rechtlich (gegenwärtig jedenfalls noch)
relevanter ist Paragraph 4 Abs 1 Satz 4 TPG, der den
entscheidungsbefugten nächste Angehörigen verpflichtet einen
mutmaßlichen Willen des möglichen Spenders zu beachten – und
wenn der mutmaßliche oder gar bekannte Wille des hirntoten
Menschen auf Nicht-Entscheidung gerichtet war, dürfte auch das
beachtlich sein – mit der Konsequenz, dass der Nicht-Entscheider
zum Nicht-Spender werden wird.
Und was ändert sich
sonst noch? Für die meisten Menschen wenig, bis die
elektronische Gesundheitskarte kommt. Dann allerdings wird es
spannend: Die Organspende-Erklärung kann man hier direkt
speichern. Menschen mit Patientenverfügung können nicht deren
Inhalt, wohl aber deren Fundort und Existenz speichern lassen.
Das kann im Ernstfall wegen des Zusammenspiels von
Patientenverfügung und Organspende-Erklärung spannend werden.
Man stelle sich den Fall
der sterbenden Tante K. vor:
Sie ist potenzielle Organspenderin
und gleichzeitig hat sie eine
Patientenverfügung. Jetzt muss entschieden werden:
Verlängerung des Sterbeprozess
auf der Intensivstation um den Organerhalt zu sichern oder
Verlegung ins Hospiz für ein sanftes Sterben. Die
Patientenverfügung existiert und findet sich im Haus Karlstraße,
3. Stock im Schreibtisch. Den haben die Angehörigen aber schon
auf den Sperrmüll gebracht. Und nun: erklärter, dokumentierter
Wille der Organspendeerklärung oder dem folgen, was mutmaßlich
in der Patientenverfügung steht? Meines Erachtens muss man der
Patientenverfügung folgen, solange der Patient lebt. Die
OrganentAufs nahme-Erklärung, wie sie offiziell verteilt wird,
deckt eben nur das Geschehen nach der Hirntodfeststellung ab.
Und
sonst? Viele Änderungen sind politischer und organisatorischer
Art. Aufs Individuum wirken sie sich nur mittelbar aus.
Unmittelbar wirksam sind aber die neuen Vorschriften zur
Lebendspende, die die Sicherheit des Spenders erhöhen:
Komplikationen gehen nicht mehr automatisch zu seinen Lasten, er
hat Anspruch auf Reha und Kuren , auch spätere Schädigungen
werden ausgeglichen, die allgemeinen
Krankenversorgungsleistungen greifen unbedingt. Auch wenn die
Lebendspende eine problematische Spenderform ist, weil sie ein
direktes Ungleichgewicht zwischen zwei Menschen schafft und ggf.
sogar Abhängigkeiten, kann das jedenfalls nicht zu Lasten des
Spenders gehen. In diesem Zusammenhang wäre es übrigens meines
Erachtens angebracht gewesen die Benachteiligung von Kindern
bei der Lebendspende zu verringern bzw. eine Klärung
herbeizuführen: . Dazu hätte der Gesetzgeber sich an § 8 Abs 1
TPG ran gemusst, der bei Organen, die von Lebendspendern
gewonnen werden, nur die Entnahme bei engen Verwandten erlaubt
und bei Personen, die dem Spender in besonderer Weise persönlich
verbunden sind. Die enge persönliche Verbundenheit ist gerade
bei recht kleinen Kindern kaum nachzuweisen: Hier wäre eine
Konkretisierung sinnvoll gewesen, die deutlich macht wann bei
kleinen Kindern die erforderliche Verbundenheit anzunehmen ist –
bei Patenschaften, bei Großeltern, bei engen Freunden der
Familie…..
Sie
können dieses Blog gerne kommentieren. Insbesondere freue ich
mich über konkrete
Aufklärungsbemühungen
durch die Kassen zu erfahren…..
|