Die Webseite, die Unrecht beim Namen nennt !

www.Babycaust.de

"WO RECHT ZU UNRECHT WIRD, WIRD WIDERSTAND ZUR PFLICHT, GEHORSAM ABER VERBRECHEN!"

                                                                                                         Papst Leo XIII.(1891)

 

 

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Euthanasie - Sterbehilfe

Es wiederholt sich alles

 

 

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Niederlande legalisieren Sterbehilfe bei todkranken Babys


Utrecht – Niederländische Ärzte dürfen den Sterbeprozess totkranker Babys beschleunigen, um ihnen unnötige Qualen zu ersparen. Das hat die Ärzteorganisation KNMG in einem gestern veröffentlichten Bericht festgelegt. Demnach ist es Medizinern erlaubt, die Behandlung Neugeborener mit geringer Lebenserwartung einzustellen und den Tod durch die Gabe von Muskelrelaxanzien aktiv herbeizuführen.

In den Niederlanden wird diese Vorgehensweise bereits seit Jahren praktiziert und hat in der Vergangenheit bei Kinderärzten und Juristen zu kontroversen Diskussionen geführt. Der nun vorgelegte Bericht legalisiert die Praxis und schreibt erstmals Regelungen zur Sterbehilfe bei todkranken Babys fest.

Um maximale Transparenz sicherzustellen, müssen entsprechende Fälle deshalb zukünftig einer eigens dafür eingerichteten Kommission gemeldet werden. Darüber hinaus soll der Leitfaden aber auch betroffenen Eltern helfen, die Entscheidung des Arztes nachzuvollziehen.

Von den jährlich rund 175.000 niederländischen Neugeborenen, sterben etwa 650, von denen die Hälfte Frühgeburten ohne reelle Lebenserwartungen sind. Die andere Hälfte sind Kinder mit schweren Anomalien, beispielsweise der Lungen, des Herzens oder des Gehirns.
© hil/aerzteblatt.de
 

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Niederlande:

Unheilbar kranke Babys dürfen getötet werden


Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Belange der Menschen mit Behinderungen warnt vor unkontrollierbarer Euthanasiepraxis.
Den Haag (www.kath.net) In den Niederlanden dürfen in Zukunft Ärzte schwer behinderte oder todkranke Babys nach der Geburt töten. Die so genannte "Sterbehilfe" bleibt zwar strafbar, wird aber nicht verfolgt, wenn Ärzte "Sorgfaltskriterien" beachten und einer Kommission anschließend Bericht erstatten, meldete die Deutsche Ärztezeitung laut Mitteilung der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA).
Vertreter des Justiz- und des Gesundheitsministeriums haben dazu dem Parlament in Den Haag am 29. November Einzelheiten der geplanten Regelung mitgeteilt. Die medizinische Prognose der in Frage kommenden Neugeborenen müsse "aussichtslos" sein, die Kinder müssen "unerträglich leiden" und es bedarf zwingend der Zustimmung der Eltern.
Zudem muss die Meinung eines weiteren Arztes eingeholt werden. Gleiche Vorgaben gelten laut "Deutscher Ärztezeitung" auch dann, wenn Ärzte eine vorgeburtliche Kindstötung nach der 24. Schwangerschaftswoche durchführen wollen.
Der jetzt vorgestellte Kodex ist zurückzuführen auf das so genannte "Groningen Protokoll", das im März dieses Jahres im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht worden war. Demnach wurden von Ärzten für 22 Neugeborene im Zeitraum von 1997 bis 2004 "Sterbehilfe" dokumentiert.
Hubert Hüppe, Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Belange der Menschen mit Behinderungen und ehemals Mitglied der aufgelösten Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Bundestages, kritisierte die Freigabe der Euthanasie behinderter Neugeborener in den Niederlanden.
"Damit gehen unsere westlichen Nachbarn beim ärztlichen Töten wieder einen Schritt weiter. Dies belegt die abschüssige Bahn von der Tötung auf Verlangen bei schwerer Krankheit über die Tötung bei beginnender Demenz zur Tötung ohne jegliches Verlangen", sagte der Parlamentarier.
Die Niederlande seien der unübersehbare Beleg dafür, dass ein erstes Abweichen vom Tötungsverbot zu einer immer weiter ausufernden und unkontrollierbaren Euthanasiepraxis führt. Dies sei ein warnendes Beispiel für die deutsche Diskussion.
Die neue Regelung verstoße nach Ansicht Hüppes zudem offenkundig gegen das niederländische Euthanasie-Gesetz, demzufolge niemand ohne sein ausdrückliches Verlangen getötet werden darf. In Holland können zwar schon Zwölfjährige rechtswirksam Sterbehilfe verlangen, allerdings ist die Zustimmung ihrer Eltern oder des Vormunds erforderlich. Ein Neugeborenes jedoch könne einen Todeswunsch gar nicht äußern.

Quelle: kath.net 12.12.2005

Ärzte leisten Sterbehilfe meist ohne Einwilligung


Britische Ärzte haben im vergangenen Jahr einer Studie zufolge rund 3000 Patienten Sterbehilfe geleistet - trotz gesetzlichen Verbots. In zwei von drei Fällen sollen die Patienten keinen Todeswunsch geäußert haben.

London - Es ist die erste halbwegs verlässliche Studie über Sterbehilfe in Großbritannien, und sie nennt erschreckende Zahlen. Von den knapp 585.000 Todesfällen, die sich 2004 in England, Schottland, Wales und Nordirland ereigneten, sollen rund 3000 auf das Konto der aktiven Sterbehilfe gegangen sein, schreibt ein Forscherteam um Clive Seale von der englischen Brunel University im Fachblatt "Palliative Medicine".

 

0,16 Prozent der Tode, was 930 an der Zahl wären, sind der Studie zufolge auf die sogenannte freiwillige Sterbehilfe zurückzuführen, bei der ein Patient den Tod wünscht und der Arzt das tödliche Medikament verabreicht. In 1930 Fällen aktiver Sterbehilfe aber hätten die Patienten nicht ausdrücklich die Beendigung ihres Lebens verlangt, heißt es in der Untersuchung.

Ob sich die Zahlen tatsächlich auf das Hundertstelprozent genau auf die Wirklichkeit übertragen lassen, ist nicht unbedingt sicher. Seale und seine Kollegen hatten zwischen Oktober und Dezember des vergangenen Jahres 1000 zufällig ausgewählte Allgemeinärzte und Klinik-Spezialisten per Post nach ihrem letzten verstorbenen Patienten befragt. 857 ausgefüllte Fragebögen kamen zurück.

Seale ist jedoch überzeugt, dass seine Untersuchung brauchbare und ausgesprochen positive Ergebnisse produziert hat. So seien britische Ärzte im Vergleich zu Kollegen aller anderen europäischen Länder weniger schnell bereit, das Leben ihrer Patienten vorzeitig zu beenden. "Wir haben in Großbritannien ein starkes Ethos, exzellente Palliativmedizin zu leisten", teilte Seale auf der Website seiner Universität mit.

Obwohl seine Studie besagt, dass die aktive Sterbehilfe in zwei von drei Fällen ohne klare Einwilligung des Patienten erfolgt, hält Seale die Ergebnisse für einen Beweis der hohen Integrität britischer Ärzte. Diese seien bereit, "andere Arten von Entscheidungen" zu treffen, "deren Priorität das Wohlbefinden des Patienten ist, ohne das Leben um den Preis des Leidens zu verlängern". Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, "dass die bestmögliche Versorgung des Patienten die stärkste Triebfeder medizinischer Entscheidungen ist".

Andere Briten interpretieren die Ergebnisse freilich anders. "Diese Untersuchung beweist, dass einige Ärzte bewusst das Gesetz brechen und Patienten beim Sterben helfen", sagte Deborah Annetts von der Voluntary Euthanasia Society der Zeitung "The Guardian". "All dies geschieht im Geheimen und wird öffentlich geleugnet. Einige dieser Ärzte handeln aus Mitleid und auf Wunsch ihrer Patienten, andere dagegen eindeutig ohne Zustimmung."

Weiterhin kam die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Ärzte bei einem Drittel aller britischen Todesfälle schmerzlindernde Medikamente verabreicht haben, die das Leben der Patienten verkürzt haben könnten. Bei weiteren 30 Prozent bzw. rund 177.000 Fällen sei passive Sterbehilfe - der Verzicht auf lebensrettende Maßnahmen - im Spiel gewesen. Keiner der befragten Mediziner hatte angegeben, einem Patienten die für einen Suizid notwendigen Medikamente ausgehändigt zu haben.
Quelle: Stern Online 18.01.2006

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Nach- oder Vordenker der Euthansie?:

Peter Singer

Philosoph und Bioethiker

   ...zunächst wird erdacht !

   ...dann im Geheimen experimentiert!

   ...durch Sinnänderung der Worte Akzeptanzverschaffung !

   ...dann Durchführung des Erdachten !

   ...Peter Singer,  wir brauchen kein Nazi-Denken !

 

Wird Tötungsphilosoph Peter Singer in Deutschland hoffähig?


Stuttgart (ots) - Der umstrittene australische Philosoph Peter Singer erhält nach 15jähriger Debatte über Redeverbot im deutschsprachigen Raum erstmals öffentliches Podium. Auf einer internationalen Konferenz in Heidelberg spricht sich der Ethiker für die aktive Tötung schwerstbehinderter Menschen aus. Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) fordert, Peter Singer in Deutschland kein Podium für Agitationszwecke zur Verfügung zu stellen.

Auf seiner internationalen Konferenz zum Thema "Menschenwürde und Wissenschaft" hat das Deutsch-Amerikanische Institut in Heidelberg dem australischen Philosophen und Ethiker Peter Singer am 11. Dezember Gelegenheit gegeben, seine menschenverachtenden Thesen von der Tötung behinderter Neugeborener vorzutragen. Peter Singer, der vor allem durch sein Buch "Animal Liberation" bekannt geworden ist, vergleicht darin menschliches Leben mit tierischem. Seit Jahren entbehren seine wissenschaftlichen Theorien jedweder neuen Erkenntnisse aus der therapeutischen Arbeit mit schwerstmehrfach behinderten und schädelhirntrauma verletzten Menschen.

"Wenn Ärzte vor die Entscheidung gestellt werden, ein schwer behindertes neugeborenes Kind oder ein gesundes Schimpansenbaby zu retten, so halte ich es für legitim, das Leben des Affen dem des behinderten Menschen vorzuziehen!", konstatierte der Ethiker in seinem Heidelberger Vortrag. Das Lebensrecht eines Menschen knüpft er an Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein und einen Sinn für Zukunft. Wer diese Fähigkeiten nicht besitze, so unterstrich Singer nochmals in seinem öffentlichen Diskurs, der habe auch kein Recht auf Leben.

"64 Jahre nach zigtausendfachem Mord an Menschen mit Behinderungen in Deutschland darf offensichtlich das Lebensrecht behinderter, schädelhirnverletzter und auch schwerstpflegebedürftiger alter Menschen wieder öffentlich in Frage gestellt werden!", empört sich der erste Vorsitzende des BeB Pfarrer Klaus-Dieter Kottnik. "Dies ist ein Angriff auf die Menschenwürde, die das Grundgesetz allen Menschen zuerkennt! Und es ist ein Schlag gegen die Grundlagen des christlichen Menschenverständnisses, das zu den Grundfesten des demokratischen Deutschland gehört!"

Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe protestiert mit aller Entschiedenheit gegen die Auftritte des australischen Philosophen in Deutschland. Seine Thesen sind in vielen Fachdiskussionen und auch in den Auseinandersetzungen der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" mannigfaltig widerlegt worden. "Augenscheinlich aber ist es in einer Zeit der Diskussion um Sozialstandards wieder opportun, das Lebensrecht der Menschen, die sich nicht dagegen wehren können, unter dem Deckmantel vermeintlicher Humanität anzuzweifeln", folgert Kottnik aus der Tatsache, dass Singers Heidelberger Vortrag nahezu unangefochten öffentliches Gehör fand.

Der an der Princeton University lehrende Bioethikprofessor spricht heute, am 13. Dezember, im Rahmen einer Ringvorlesung an der Heinrich Heine-Universität in Düsseldorf über "Neue Betrachtungsweisen eines alten Verhältnisses. Der Wandel der Beziehungen zwischen Mensch und Tier."

Der Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe e.V. ist ein Fachverband im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschland. Seine rund 600 Mitgliedseinrichtungen halten Angebote für mehr als 100 000 Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen aller Altersstufen bereit. Damit deckt der BEB bundesweit annähernd 50 Prozent der Angebote der Behindertenhilfe sowie wesentliche Teile der Sozialpsychiatrie ab.


Dieser Artikel ist vom Montag, 13.Dezember. @ 17:17:50 CETOriginaltext: BEB BV der Evangelischen Behindertenhilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=53841 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_53841.rss2

Pressekontakt:


Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe Karin Steimann Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Gerokstr. 17 70184 Stuttgart Tel.: 06221 / 70 98 62 Fax: 06221 / 70 98 63 mobil: 0160 / 90 24 26 75 e-mail: steimann@beb-ev.de www.beb-ev.de

 
 
Dies ist ein Angriff auf die Menschenwürde

Heftige Proteste wegen Auftritt von Peter Singer in Düsseldorf - Singer fordert Tötung von Säuglingen und behinderten Menschen - Skandal, dass ein solcher Philosoph eine Öffentlichkeit bekommt

Mit Entsetzen und Wut haben wir zur Kenntnis genommen, dass P. Singer im Rahmen einer Ringvorlesung der philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf einen populären Auftritt bekommt. Dies meinte die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben“ Deutschland (ISL) am Montag in einer Aussendung zum Auftreten des umstrittenen Ethikers Peter Singer auf der Universität Düsseldorf. Singer spricht sich seit Jahren für die aktive Tötung von Säuglingen und behinderten Menschen aus. Die ISL meint dazu: Wer Positionen vertritt, die außerhalb des Grundgesetzes und der UN Menschenrechtscharta angesiedelt sind, kann nicht ein Recht auf Diskussion verlangen. Die unveräußerlichen Menschenrechte wollen und werden wir nicht in ihrer Substanz diskutieren. Nicht das Machbare definiert und bestimmt die Menschenwürde, sondern sie begründet sich aus dem Menschsein selbst. Auch die Kriterien, die Singer für seine Ideologie aufzustellen versucht, z.B. Freude als Lebenswert, Leid als Lebensunwert zu definieren, können wir nicht hinnehmen, da sie ein stigmatisierendes und eindimensionales Bild des Menschen zeichnet. Die ISL erinnerte daran, dass Singer wie kein anderer das Lebensrecht von Menschen mit Behinderungen angreift.

Auch das Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik verurteilt den Auftritt von Singer in Düsseldorf. In einer Stellungnahme heißt es: Wir als Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik verurteilendie Einladung von P. Singer. Wir fordern die Veranstalter auf sich von P. Singer öffentlich zu distanzieren und ihm keine Präsentationsfläche zu geben. Weiterhin möchten wir unsere Solidarität mit den behinderten Menschen ausdrücken, die sich von solchen Auftritten bedroht und verletzt fühlen. Es ist ein Skandal, dass hier bei uns und mit den Erfahrungen aus unserer Geschichte, ein solcher Philosoph eine Öffentlichkeit bekommt, der sich gegen ein uneingeschränktes lebensrecht von behinderten Menschen ausspricht.“

Auch der Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe (BeB) hat schwere Bedenken gegen Singer geäußert. 64 Jahre nach zigtausendfachem Mord an Menschen mit Behinderungen in Deutschland darf offensichtlich das Lebensrecht behinderter, schädelhirnverletzter und auch schwerstpflegebedürftiger alter Menschen wieder öffentlich in Frage gestellt werden!“, empört sich der erste Vorsitzende des BeB, Klaus-Dieter Kottnik. „Dies ist ein Angriff auf die Menschenwürde, die das Grundgesetz allen Menschen zuerkennt! Und es ist ein Schlag gegen die Grundlagen des christlichen Menschenverständnisses, das zu den Grundfesten des demokratischen Deutschland gehört!“

Quelle: kath.net  13.12.2004

 

Lebenswertes und weniger lebenswertes Leben?
Axel W. Bauer liest Peter Singers "Praktische Ethik"


Vorbemerkung

Wenn man die präferenzutilitaristischen Auffassungen des seit 1999 an der Princeton University in New Jersey (USA) lehrenden australischen Bioethikers Peter Singer zur Frage des Lebensrechts kritisiert, hört man von dessen Anhängern nicht selten den Vorwurf: "Man muß die Texte von Peter Singer erst einmal vorurteilsfrei lesen, bevor man über sie urteilt". Das ist zweifellos ein stichhaltiges Argument. Also habe ich Peter Singers Buch Praktische Ethik (1979), Reclam Verlag Stuttgart, 2. Auflage 1994, sorgfältig von der ersten bis zur letzten Seite studiert. Im Folgenden bringe ich nun einige Auszüge aus diesem Werk; lediglich eines der Zitate stammt aus Singers Aufsatz Schwangerschaftsabbruch und ethische Güterabwägung (1989). Hier möchte ich zunächst meinen persönlichen Eindruck nach der Lektüre schildern:

Das Buch Praktische Ethik erscheint mir als ein raffiniert konzipiertes, suggestives rhetorisches Gesamtkunstwerk, das auf einer nur scheinbar logischen, allmählichen Eskalation von hypothetischen Argumenten basiert. Es enthält eine Fülle unscharf definierter Begriffe sowie zahlreiche - durch polyseme Bedeutungsnuancen in unterschiedlichen Kontexten erzeugte - Abduktionsschlüsse ohne apodiktische Beweiskraft. Es ist offenbar auch kein Zufall, daß das Buch mit dem Tierschutz beginnt und mit der Frage der Tötung menschlichen Lebens endet. Es handelt sich dabei weniger um ein slippery slope, also um eine schiefe Ebene der Argumentation, sondern vielmehr um ein dirty slope, eine logisch unsaubere Beweiskette.

Axel W. Bauer


Hier sind nun einige Auszüge aus Peter Singer: "Praktische Ethik" (1979), Reclam Verlag, Stuttgart, 2. Auflage 1994. Die Bemerkungen in Kursivschrift sind Kommentare und Erläuterungen von Axel W. Bauer. Auch die durch Unterstreichen markierten Hervorhebungen im Text stammen von mir und nicht von Peter Singer.


Zitat 1:

Indem ich akzeptiere, daß moralische Urteile von einem universalen Standpunkt aus getroffen werden müssen, akzeptiere ich, daß meine eigenen Interessen nicht einfach deshalb, weil sie meine Interessen sind, mehr zählen als die Interessen von irgend jemand anderem. Daher muß, wenn ich moralisch denke, mein ganz natürliches Bestreben, daß für meine Interessen gesorgt wird, ausgedehnt werden auf die Interessen anderer. ... Anstelle meiner eigenen Interessen habe ich nun die Interessen aller zu berücksichtigen, die von meiner Entscheidung betroffen sind. ... Die utilitaristische Position ist eine minimale, eine erste Grundlage, zu der wir gelangen, indem wir den vom Eigeninteresse geleiteten Entscheidungsprozeß universalisieren.
(S.29-31)


Es folgt eine Ablehnung des Sexismus, des Rassismus sowie des von Singer so bezeichneten "Speziesismus" , also der nach seiner Meinung ungerechtfertigten Beschränkung ethischer Güterabwägungen auf Angehörige der biologischen Spezies "Homo sapiens". (Der Terminus "Speziesismus" stammt übrigens aus einem 1970 von Richard D. Ryder privat gedruckten Flugblatt.) Im folgenden Text nimmt Peter Singer Bezug auf den Erfinder des Klassischen Utilitarismus, Jeremy Bentham (1748-1832) :


Zitat 2:

Bentham [zeichnet] die Fähigkeit zu leiden als jene entscheidende Eigenschaft aus, die einem Lebewesen Anspruch auf gleiche Interessenabwägung verleiht. Die Fähigkeit zu leiden oder genauer, zu leiden und/oder sich zu freuen oder glücklich zu sein ist nicht einfach eine weitere Fähigkeit wie die Sprachfähigkeit oder die Befähigung zu höherer Mathematik. ... Die Fähigkeit zu leiden und sich zu freuen ist vielmehr eine Grundvoraussetzung dafür, überhaupt Interessen haben zu können, eine Bedingung, die erfüllt sein muß, bevor wir überhaupt sinnvoll von Interessen sprechen können. ... Ein Stein hat keine Interessen, weil er nicht leiden kann. Nichts, das wir ihm zufügen können, würde in irgendeiner Weise auf sein Wohlergehen Einfluß haben. Eine Maus dagegen hat ein Interesse daran, nicht gequält zu werden, weil sie dabei leiden wird.

Wenn ein Wesen leidet, kann es keine moralische Rechtfertigung dafür geben, sich zu weigern, dieses Leiden zu berücksichtigen. Es kommt nicht auf die Natur des Wesens an. Ist ein Wesen nicht leidensfähig oder nicht fähig, Freude oder Glück zu erfahren, dann gibt es nichts zu berücksichtigen. Deshalb ist die Grenze der Empfindungsfähigkeit die einzig vertretbare Grenze für die Rücksichtnahme auf die Interessen anderer.
(S.84-85)


Zitat 3:

Normale erwachsene Menschen haben geistige Fähigkeiten, derentwegen sie unter gewissen Umständen mehr leiden als Tiere. ... Was dieses Argument betrifft, so gehören nichtmenschliche Lebewesen, Säuglinge und schwer geistig behinderte Menschen zur selben Kategorie; und wenn wir uns dieses Arguments bedienen, um Experimente an nichtmenschlichen Lebewesen zu rechtfertigen, so müssen wir uns selbst fragen, ob wir bereit sind, Experimente an Säuglingen und schwer geistig behinderten Menschen zuzulassen. Wenn wir einen Unterschied zwischen Tieren und diesen Menschen machen, so ist das nur möglich, weil wir die Angehörigen unserer eigenen Spezies in moralisch unvertretbarer Weise bevorzugen.
(S.87-88)


Zitat 4:

[Der protestantische Theologe Joseph] Fletcher hat eine Liste mit "Indikatoren des Menschseins" aufgestellt, die folgendes umfaßt: Selbstbewußtsein, Selbstkontrolle, Sinn für Zukunft, Sinn für Vergangenheit, die Fähigkeit, mit anderen Beziehungen zu knüpfen, sich um andere zu kümmern, Kommunikation und Neugier. Diese Bedeutung des Begriffs haben wir vor Augen, wenn wir von jemand sagen, er sei ein "wirklich menschliches Wesen" oder zeige "wahrhaft menschliche Eigenschaften". Damit meinen wir natürlich nicht, daß die Person der Spezies Homo sapiens angehört, was eine biologische Tatsache ist und kaum in Zweifel gezogen wird; wir implizieren vielmehr, daß menschliche Wesen gewisse charakteristische Eigenschaften besitzen und daß daher die betreffende Person sie in einem hohen Maße besitzt. ... Dem Leben eines Wesens bloß deshalb den Vorzug zu geben, weil das Lebewesen unserer Spezies angehört, würde uns in dieselbe Position bringen wie die Rassisten, die denen den Vorzug geben, die zu ihrer Rasse gehören.
(S.118-119;121)


Zitat 5:

Unsere heutige Haltung geht auf das Christentum zurück. Es gab eine spezifisch theologische Motivation für die Christen, die Wichtigkeit der Zugehörigkeit zur Spezies zu propagieren; es war der Glaube, alle von menschlichen Eltern Geborenen seien unsterblich und zu ewiger Seligkeit oder immerwährender Qual vorherbestimmt. Mit diesem Glauben bekam das Töten eines Homo sapiens eine schreckliche Tragweite, weil dadurch ein Wesen seinem ewigen Schicksal überliefert wurde. ...

... Tötet man eine Schnecke oder einen 24 Stunden alten Säugling, so vereitelt man keine Wünsche ..., weil Schnecken und Neugeborene unfähig sind, solche Wünsche zu haben.
(S.122-123)


Zitat 6:

Weit davon entfernt, sich für jedes Leben einzusetzen, ... zeigen diejenigen, die gegen Abtreibung protestieren, jedoch regelmäßig das Fleisch von Hühnern, Schweinen und Kälbern verspeisen, nur ein vordergründiges Interesse am Leben von Wesen, die zu unserer Spezies gehören. Denn bei jedem fairen Vergleich moralisch relevanter Eigenschaften wie Rationalität, Selbstbewußtsein, Bewußtsein, Autonomie, Lust und Schmerzempfindung und so weiter haben das Kalb, das Schwein und das viel verspottete Huhn einen guten Vorsprung vor dem Fötus in jedem Stadium der Schwangerschaft und wenn wir einen weniger als drei Monate alten Fötus nehmen, so würde sogar ein Fisch, ja eine Garnele mehr Anzeichen von Bewußtsein zeigen.

Ich schlage daher vor, dem Leben eines Fötus keinen größeren Wert zuzubilligen als dem Leben eines nichtmenschlichen Lebewesens auf einer ähnlichen Stufe der Rationalität, des Selbstbewußtseins, der Wahrnehmungsfähigkeit, der Sensibilität etc. Da kein Fötus eine Person ist, hat kein Fötus denselben Anspruch auf Leben wie eine Person. Ferner ist es sehr unwahrscheinlich, daß Föten von weniger als achtzehn Wochen überhaupt fähig sind, etwas zu empfinden, weil ihr Nervensystem allem Anschein nach noch nicht genug entwickelt ist. Wenn das so ist, dann beendet eine Abtreibung bis zu diesem Datum eine Existenz, die überhaupt keinen Wert an sich hat.
(Peter Singer: Schwangerschaftsabbruch und ethische Güterabwägung, in: Hans-Martin Sass (Hrsg.), Medizin und Ethik. Stuttgart 1989/1994. S.139-159. Zitat S.154-155)


Nun folgt die Demonstration des rhetorischen unseriösen Gebrauchs eines polysemen (mehrdeutigen) Terminus, nämlich des Wortes "lebenswert" durch Peter Singer, der damit gleichzeitig die Gruppe der Contergan-Geschädigten verhöhnt: Singer nimmt eine assoziative Identifizierung von intrasubjektiver ("wahrscheinlich irgendwie schlechter") und objektivierender Bedeutung ("weniger lebenswert") dieses prekären Terminus vor. Die intrasubjektive Bedeutung entspricht dabei der persönlichen Sicht der Betroffenen, die eine geminderte "Lebensqualität" zu beklagen haben. Die objektivierende Bedeutung gibt jedoch die Perspektive eines außenstehenden Beobachters wieder, der aus der geminderten subjektiven "Lebensqualität" einen geringeren sozialen Wert des Lebens von Behinderten mithilfe eines logisch unzulässigen deduktiven naturalistischen Fehlschlusses ableitet. Das aber ist das pseudowissenschaftliche Verfahren des Sozialdarwinismus und des nationalsozialistischen Rassismus.

Zitat 7:

Man mag immer noch einwenden, daß es unrecht sei, einen [geschädigten] Fötus oder ein [geschädigtes] Neugeborenes [durch einen gesunden Fötus bzw. durch ein gesundes Neugeborenes] zu ersetzen, weil dadurch heute lebenden Behinderten suggeriert wird, ihr Leben sei weniger lebenswert als das Leben derer, die nicht behindert sind. Wer leugnet, daß dies im Durchschnitt gesehen so ist, verkennt die Realität. Nur so geben Handlungen, die wir alle für selbstverständlich halten, einen Sinn. Man erinnere sich an den Contergan-Fall: Von Schwangeren eingenommen, war dieses Mittel die Ursache dafür, daß viele Kinder ohne Arme oder Beine geboren wurden. Als die Ursache für diese anormalen Geburten erkannt war, wurde das Mittel vom Markt genommen, und die verantwortliche Firma mußte Schadenersatz leisten. Wären wir wirklich der Überzeugung, daß es keinen Grund gibt anzunehmen, daß das Leben einer behinderten Person wahrscheinlich irgendwie schlechter ist als das einer normalen Person, dann hätten wir das damals nicht als Tragödie empfunden. Schadenersatz wäre weder gefordert noch von den Gerichten verhängt worden. Die Kinder wären eben bloß "anders" gewesen.
(S.241)


Zitat 8:

Würden behinderte Neugeborene bis etwa einen Woche oder einen Monat nach der Geburt nicht als Wesen betrachtet, die ein Recht auf Leben haben, dann wären die Eltern in der Lage, in gemeinsamer Beratung mit dem Arzt und auf viel breiterer Wissensgrundlage in bezug auf den Gesundheitszustand des Kindes, als dies vor der Geburt möglich ist, ihre Entscheidung zu treffen.
(S.243)


Zitat 9:

Wir bezweifeln nicht, daß es richtig ist, ein schwerverletztes oder krankes Tier zu erschießen, wenn es Schmerzen hat und seine Chance auf Genesung gering ist. "Der Natur ihren Lauf lassen", ihm eine Behandlung vorzuenthalten, aber sich zu weigern, es zu töten, wäre offensichtlich unrecht. Nur unser unangebrachter Respekt vor der Lehre von der Heiligkeit des menschlichen Lebens hindert uns daran, zu erkennen, daß das, was bei einem Pferd offensichtlich unrecht ist, ebenso unrecht ist, wenn wir es mit einem behinderten Säugling zu tun haben.
(S.271)


Martin Blumentritt: Von Singer zu Hitler
Internet-Forum zum Unterricht in Medizinischer Ethik (Diskussionsforum 1)
Perspektiven und ethische Probleme der "High-Tech-Medizin" (Diskussionsforum 2)
Abtreibung bis zur Geburt? Eine Kontroverse (nicht nur) im Deutschen Ärzteblatt (Diskussionsforum 3)
Axel W. Bauer's Virtual Office for History, Theory, and Ethics in Medicine
Index zu den WWW-Seiten von Axel W. Bauer
Quelle: www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauersin.htm
 

Peter Singer

 

1. Je mehr wir für andere leben, desto zufriedener leben wir

 

2. Die Ethik der Embryonenforschung

 


Je mehr wir für andere leben,
desto zufriedener leben wir

von Peter Singer (Melbourne)

 

Ich bin nie religiös gewesen. Ich wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Familie jüdischer Abstammung auf, die von Österreich nach Australien ausgewandert war. Meine Eltern waren weder religiös noch hielten sie sich an die jüdischen Traditionen, obwohl meine Großmutter, die bei uns wohnte, an bestimmten Feiertagen fastete. Sie hatte den Krieg in Theresienstadt, einem Konzentrationslager der Nazis, verbracht und war die einzige von meinen Großeltern, die Hitlers Versuch, alle Juden auszurotten, überlebt hatte. Somit gehörten der Nationalsozialismus, der Krieg und all das Leiden und Sterben, das gerade stattgefunden hatte, zu dem geistigen Hintergrund meiner Kindheit. Angesichts eines solchen Ausmaßes von Leiden setzte es mich immer wieder in Erstaunen, wenn jemand ernsthaft glauben konnte, daß die Welt von einem liebenden, allmächtigen Gott gelenkt werde.

Meine Eltern schickten mich auf eine der besten Privatschulen Melbournes, die von der Presbyterianischen Kirche gegründet worden war und ihr gehörte, denn sie dachten, daß eine Privatschulerziehung meine Erfolgsaussichten im späteren Leben verbessern würde. Daher nahm ich sechs Jahre lang morgens vor dem Unterricht an einer religiösen Veranstaltung teil mit Bibellesung, Choral und Gebet; außerdem gab es regelmäßige Gottesdienste in der Kapelle und Religionsstunden. So hatte ich viel Zeit, in der Bibel zu blättern und die Abschnitte zu lesen, die uns nicht vorgelesen wurden. Abgesehen von den bekannten Stellen aus dem Alten Testament, die uns als Schuljungen besonders interessierten, weil wir sonst wenig Gelegenheit hatten, etwas über Sex zu erfahren, fühlte ich mich von Markus, Kapitel 11, betroffen, wo berichtet wird, wie Jesus zu dem Feigenbaum kam, in der Hoffnung, daß er Früchte daran fände; aber der Baum hatte keine Früchte, »denn es war nicht die Zeit für Feigen« - woraufhin Jesus ihn prompt verfluchte, und am nächsten Morgen war der Baum verdorrt. Eine solche selbstsüchtige und zügellose Ungeduld schien mir wenig zu einem großen Lehrer der Ethik zu passen, und schon gar nicht zu einem göttlichen Wesen. Die Episode von den Gardarenischen Säuen, die bei Markus in Kapitel 5 erzählt wird, zeigte einen ebenso rücksichtslosen Charakterzug des Gottessohnes: Warum sandte er die unsauberen Geister in die Schweine, die sich dann im Meer ertränkten, wenn er die Teufel vermutlich ebenso leicht in eine Staubwolke hätte verwandeln können? Ich fragte unsere Religionslehrer nach einer Erklärung, aber sie sprachen nur dunkel von Geheimnissen, die sich unserem Verständnis entzögen, und trugen somit zu meiner Überzeugung bei, daß religiöse Menschen, jedenfalls in Sachen der Religion, lächerlich leichtgläubig sind.

Woran glaube ich denn nun anstelle der Religion? Ich bin oft danach gefragt worden. Aber diese Frage wird nicht richtig formuliert. Warum sollte ich denn an etwas glauben? Warum soll ich nicht einfach das glauben, was durch vorhandene Beweise und die besten Vernunftsgründe gesichert ist, zumindest so lange wie ich keinen guten Grund habe, etwas anderes zu glauben. Mit anderen Worten: Bleibe aufgeschlossen und nutze deine kritischen Fähigkeiten! Es besteht keine Notwendigkeit, sich sonst auf irgend etwas festzulegen. Das Sicherste scheint mir im Augenblick zu sein, daß ich ein Mitglied der Gattung Homo sapiens bin, einer Tiergattung, die sich wie andere auf unserem Planeten entwickelt hat, gemäß der wissenschaftlichen Theorie, die Darwin zuerst vorlegte, und die andere seitdem verbessert, ausgearbeitet und verteidigt haben.

Ist das alles, was dazu zu sagen ist? Viele wollen tiefergehende, philosophische Fragen stellen. Was für einen Sinn hat ein Leben, das sich einfach entwickelt hat? Wenn unsere Existenz das Ergebnis blinder Evolutionskräfte ist, zwingt uns das dazu, unser Leben als letztlich sinnlos anzusehen? Die Antwort ist sowohl "Ja" als auch "nein". Wenn Menschen nach dem »Sinn des Lebens« fragen, suchen sie oft nach einer umfassenden Sinngebung für das ganze menschliche Dasein in bezug auf irgendeinen Plan oder eine Absicht, die höher ist als unsere eigene. Da es aber einen solchen Plan oder eine solche Absicht nicht gibt, kann unser Leben offensichtlich einen Sinn dieser Art nicht haben.

Es ist aber ein großer Fehler zu meinen, daß darum unser Leben bedeutungslos sei oder, schlimmer noch, von da zu einer Art Nihilismus zu kommen, der sagt, daß es »auf nichts ankomme«. Im Gegenteil, unser Leben und was wir damit anfangen, kann für andere einen großen Unterschied ausmachen, und weil das so ist, können wir unser Leben so gestalten, daß es zählt, daß es wirklich von Bedeutung ist. Um es ganz einfach auszudrücken: Es gibt Milliarden von lebenden und fühlenden Wesen. Für jedes von ihnen kann das Leben gut oder schlecht verlaufen. Sie können gezwungen sein, elende Qualen zu erleiden, oder sie können ein Leben führen, das angenehm, vielleicht sogar voller Freude ist. Obwohl Schmerz nicht immer nur etwas Negatives sein muß, weil Gutes daraus entstehen kann -, sind Schmerz und Leiden in sich immer schlimm. (Selbst wenn aus dem Leiden Gutes entstehen kann, wäre es besser, wenn das Gute ohne das Leiden kommen könnte.) Dies kann einfach nicht bestritten werden, wenn wir die Sache von einem allgemeinen Standpunkt aus betrachten. Wir alle wünschen, daß unsere Schmerzen aufhören, falls wir nicht hoffen, daß etwas Gutes daraus entsteht, das höher ist; es gibt jedoch keinen Grund dafür, daß - von einem universalen Standpunkt aus gesehen - unsere eigenen Schmerzen und Leiden wichtiger sein sollten als die Schmerzen und Leiden anderer. Infolge dessen kann unser Leben zumindest diesen Sinn haben: wir könnten die Welt ein klein wenig besser hinterlassen, als sie es gewesen wäre, wenn wir nie existiert hätten. Wir können dies erreichen, indem wir die Schmerzen und Leiden der Geschöpfe in dieser Welt verringern; oder umgekehrt, indem wir ihnen zu mehr Glück und Freude verhelfen.

Dies ist nur ein großer Abriß dessen, was ich sagen würde, wenn dies ein Buch über Ethik wäre und nicht nur eine kurze Stellungnahme. Denn es sind nicht nur Schmerzen und Leiden, auf die es ankommt. Es geht im Leben um mehr als das; all die Wünsche und Hoffnungen von Menschen, und auch von nichtmenschlichen fühlenden Wesen, sollten in einem Bericht über das, was letztlich wichtig ist, eine Rolle spielen. Schmerzen und Freuden sind wichtig. Ihre Bedeutung ist leicht zu begreifen, weil sie so allgemein sind; sie sind das grundlegende Mindestmaß dessen, was wir alle verstehen können. Und weil großer Schmerz dazu neigt, alle anderen Werte zu überlagern, und solange es so viel unnötiges Leiden in der Welt gibt, hat die Reduzierung von Schmerz und Leiden offensichtlich ganz unbestrittene Priorität, im Unterschied z.B. zur Förderung der Gastronomie. Zu meinen engsten Freunden und Kollegen gehört Henry Spira- obwohl er auf der anderen Seite der Welt lebt - ein Amerikaner, der sich sein Leben lang für die Rechte der Afro-Amerikaner im amerikanischen Süden eingesetzt hat, für Arbeiter, die von korrupten Gewerkschaftsbossen ausgebeutet werden, für Laborratten, die zu Tode vergiftet werden, um Lebensmittelfarben zu testen, und Hühner, die in Legebatterien gehalten werden, nur um des Profits der Farmer willen. Spira beurteilt den Wert dessen, was Menschen tun, danach , in welchem Ausmaß sie zu der »Reduzierung der Welt von Schmerz und Leiden« beigetragen haben. Als er kürzlich in einem Interview gefragt wurde, was er als Grabinschrift haben wollte, antwortete er mit typischem New Yorker Humor: »Er schob die Erdnuß ein wenig vorwärts.« Mit anderen Worten, Spira wird sein Leben für lebenswert halten, wenn gesagt werden kann, daß er die Dinge ein klein wenig in die richtige Richtung bewegt habe.

Wir können alle die Erdnuß vorwärts schieben, und wenn es auch nur ein wenig ist. Wir alle können uns und unsere Bemühungen mit der langen Tradition von Menschenfreunden in Einklang bringen, die versucht haben, die Welt ein bißchen besser zu machen. Sobald wir dies einmal verstanden haben, brauchen wir uns keine Gedanken mehr über einen Mangel an Sinn in unserem Leben zu machen - auch werden wir kaum noch Zeit haben, darüber nachzudenken. Da ist einfach zu viel zu tun. Menschen, die gelangweilt sind, die unter einem Gefühl der Sinnlosigkeit leiden, die meinen, sie seien bedeutungslos, sind oft die Gefangenen selbstbezogener Wünsche. Unsere eigenen Freuden sind nicht weniger wert als die von anderen, aber für diejenigen unter uns, die ein bequemes Leben in einer entwickelten Überflußgesellschaft haben, ist das Vergnügen, das sie aus selbstbezogenen Aktivitäten ziehen können, relativ unbedeutend im Vergleich zu dem, was sie für andere tun können. Diejenigen, denen ein Ziel in ihrem Leben fehlt, müssen begreifen, daß das, was sie mit ihrem Leben anfangen, einen wirklichen Unterschied ausmachen kann. Sie werden dann ein merkwürdiges Paradox entdecken, über das sich schon viele Schriftsteller geäußert haben: je mehr man für andere da ist, um so befriedigender wird das eigene Leben.

Aus Karlheinz Deschner (Hg.): Woran ich glaube, Gütersloh 1993 mit freundlicher Genehmigung des Gütersloher Verlagshauses

 


 

Die Ethik der Embryonenforschung

von Peter Singer (Melbourne)

Von all den Fragen, die durch die moderne Reproduktionsmedizin aufgeworfen werden, ist die nach dem moralischen Status des Embryos wohl die umstrittenste. Vor ihr stehen wir beispielsweise dann, wenn wir mehr Eizellen befruchten, als wir in die Gebärmutter geben wollen, oder Embryonenforschung betreiben möchten.

Die Forschung an Embryonen stellt uns bedeutende medizinische Fortschritte in Aussicht. Zu den ersten und unmittelbarsten gehört die Verbesserung der In-vitro-Fertilisation. Wenn es uns nicht gelingt, die Erfolgsrate der In-vitro-Fertilisation zu erhöhen, bleibt es fraglich, ob sie das Geld wert ist, das wir gegenwärtig für sie ausgeben. Australische Forscher sind außerdem an der Embryonenforschung interessiert, weil sie gerne sicherstellen würden, daß sich auch diejenigen Embryonen normal entwickeln, die aus tiefgefrorenen menschlichen Eizellen erzeugt werden. Zudem möchten sie verschiedene Techniken der "Mikro-Injektion" testen - also Verfahren, bei denen die Spermien direkt in die Eizelle eingebracht werden -, da sich mit ihrer Hilfe zumindest jene Formen männlicher Unfruchtbarkeit reduzieren ließen, die durch abnormale Spermien oder eine zu geringe Spermienzahl bedingt sind. Das nächste Forschungsziel wird die Vermeidung genetischer Defekte sein. Wenn solche Defekte schon bei frühen Embryonen erkannt werden, können sich erblich belastete Eltern für eine In-vitro-Fertilisation entscheiden, bei der nur die gesunden Embryonen transferiert werden. Dies würde Frauen davor bewahren, genetisch defekte Embryonen - wie bisher - selektiv abtreiben zu müssen. Weitergehende Forschungen könnten auch zur Entwicklung einer Gen-Therapie führen, die beispielsweise in solchen Fällen anwendbar wäre, in denen Individuen bereits mit einem mono-genetischen Defekt wie Thalassämie, Sichelzellenanämie, ADA-Mangel oder dem Lesch-Nyhan-Syndrom geboren wurden.

Die langfristigen Fortschritte sind sogar noch dramatischer. Dazu zählen u.a. ein besseres Verständnis der Entwicklung von Krebszellen, sowie schnellere und zuverlässigere Methoden, um zu prüfen, ob neue Arzneimittel bei schwangeren Frauen eventuell Fruchtschäden hervorrufen. Die Verwendung von Embryonen könnte auch eine Alternative zu den gesetzlichen Sicherheitstests bieten, bei denen gegenwärtig vielen Tieren beträchtliches Leid zugefügt wird. Was die klinische Anwendung betrifft, so könnte die Kultivierung von Blut-Stammzellen die Heilung von Krankheiten wie Sichelzellenanämie und Leukämie ermöglichen; und schließlich mag es sogar möglich sein, isolierte Organe zu entwickeln, die - in-vitro kultiviert - dazu verwendet werden könnten, kranke Organe von Kindern und Erwachsenen zu ersetzen.

Ist eine solche Forschung akzeptabel? Ich meine: Ja! Sobald wir bereit sind, uns von einem Weltbild zu befreien, das auf einigen spezifisch religiösen Prämissen beruht, werden wir einsehen, daß der frühe Embryo kein Recht auf Leben haben kann. Um es vorläufig auf einen Punkt zu bringen, der als grobe Annährung an unsere spätere Antwort dienen kann: So wie wir den Hirntod als das Ende einer Person betrachten, sollten wir das Hirnleben als den Beginn einer Person betrachten. Vor diesem Zeitpunkt können wir den Embryo daher mit Einwilligung derer, aus deren Ei- und Samenzelle er sich entwickelt hat, zur wissenschaftlichen Forschung verwenden.

Ich werde nicht weiter ausführen, aus welchen Gründen ich diese Ansicht vertrete, denn das habe ich bereits an anderer Stelle getan. Mein Kerngedanke ist, daß das Standard-Argument, mit dem man dem Embryo ein Recht auf Leben zuzusprechen sucht, auf einer Wortverdrehung beruht. Dieses Argument lautet bekanntlich: Jedes menschliche Wesen hat ein Recht auf Leben. Der menschliche Embryo ist ein menschliches Wesen. Also hat auch der menschliche Embryo ein Recht auf Leben!

Die Wortverdrehung liegt in der Verwendung des Begriffs "menschliches Wesen". Ohne jeden Zweifel ist der Embryo ein menschliches Wesen in dem Sinne, daß er ein Mitglied der Spezies Homo sapiens ist. Aber ist der Embryo auch ein menschliches Wesen in dem moralisch relevanten Sinn, den wir meinen, wenn wir von menschlichen Wesen sagen, daß sie ein Recht auf Leben besitzen, das nicht-menschliche Wesen nicht besitzen? Wenn wir fragen, weshalb Menschen ein Recht auf Leben haben, das beispielsweise Hunde, Schweine oder Krallenaffen nicht haben, wird sich jede plausible, nicht-religiöse Antwort auf unsere überlegenen geistigen Fähigkeiten beziehen müssen - auf unser Selbstbewußstsein, unsere Rationalität, unser Sittlichkeitsgefühl, unsere Autonomie oder eine Kombination davon. Eigenschaften wie diese sind es, würden wir sagen, die uns zu "wirklichen Menschen" machen. Oder genauer: Eigenschaften wie diese sind es, die uns zu Personen machen. Wenn es aber dies ist, was wir meinen, wenn wir von menschlichen Wesen - oder besser: Personen - sagen, daß sie ein Recht auf Leben haben, dann wird sofort klar, daß der Embryo, insbesondere der frühe Embryo, kein menschliches Wesen ist. Der frühe Embryo besitzt keine der geistigen Fähigkeiten, die Mitglieder unserer Art von Mitgliedern anderer Arten unterscheiden. Der frühe Embryo hat kein Gehirn, ja noch nicht einmal ein Nervensystem. Man kann daher berechtigterweise annehmen, daß er über kein größeres Bewußtsein verfügt als, sagen wir, ein Salatblatt.

Es ist natürlich immer noch wahr, daß der menschliche Embryo ein Mitglied der Spezies Homo sapiens ist. Das ist ja, wie wir gesehen haben, auch der Grund dafür, daß man nur schwer bestreiten kann, daß der menschliche Embryo ein menschliches Wesen ist. Aber wir können nun erkennen, daß dies nicht die Bedeutung von "menschlichem Wesen" ist, die wir benötigen, damit das Standard-Argument zutrifft. Ein gültiges Argument darf seine zentralen Begriffe schließlich nicht in zwei verschiedenen Bedeutungen verwenden. Wenn die erste Prämisse wahr ist, wenn mit "menschlich" ein "Wesen mit bestimmten geistigen Fähigkeiten" gemeint ist, und die zweite Prämisse wahr ist, wenn mit "menschlich" ein "Mitglied der Spezies Homo sapiens" gemeint ist, dann bewegt sich das Argument offensichtlich auf einer Rutschpartie zwischen zwei verschiedenen Bedeutungen, und ist damit ungültig.

Kann man das Argument retten? Offensichtlich kann man es nicht retten, indem man behauptet, daß der Embryo ein Wesen mit den geforderten geistigen Fähigkeiten ist. Das könnte auf einen späteren Zeitpunkt in der Entwicklung des Embryos zutreffen, auf den des frühen Embryos aber mit Sicherheit nicht. Wenn schon die zweite Prämisse nicht mit der ersten in Einklang gebracht werden kann, ist es dann vielleicht möglich, die erste Prämisse so zu vertreten, daß sie mit der zweiten vereinbar wird? Kann man so argumentieren, daß menschlichen Wesen nicht aufgrund irgendwelcher moralischer Eigenschaften ein Recht auf Leben zusteht, sondern weil sie - im Gegensatz zu Schweinen, Kühen, Hunden oder Salatblättern - Mitglieder der Spezies Homo sapiens sind?

Das ist ein gefährlicher Schachzug. Wer ihn macht, muß die Behauptung verteidigen, daß es die bloße Artzugehörigkeit ist, die für das Tötungsverbot entscheidend ist. Aber warum sollte die Artzugehörigkeit moralisch relevant sein? Wenn wir uns fragen, ob es falsch ist, ein Lebewesen zu töten, müssen wir sicherlich darauf achten, welche Eigenschaften es hat, nicht aber darauf, welcher Art es angehört. Wenn sich herausstellte, daß ET und ähnliche außerirdische Besucher sensible, denkende und planende Wesen sind, die genau wie wir Heimweh bekommen, dürfte man sie dann töten, nur weil sie nicht Mitglieder unserer Art sind? Sollten Sie irgendwelche Zweifel haben, dann stellen Sie sich dieselbe Frage gleich noch einmal, aber dieses Mal mit "Rasse" statt mit "Art". Wenn wir die Behauptung zurückweisen, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse für das Tötungsverbot relevant ist, dann ist schwer einzusehen, warum wir dieselbe Behauptung akzeptieren sollten, wenn sie sich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Art gründet. Denken Sie daran, daß die Tatsache, daß andere Rassen ebenso fühlen, denken und für die Zukunft planen wie wir, vollkommen irrelevant ist, solange wir die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zur Bedingung für ein Recht auf Leben machen. Wenn wir dies berücksichtigen, bin ich sicher, daß wir zu der Schlußfolgerung gelangen, daß weder die Rassen- noch die Artzugehörigkeit für die Zuschreibung eines Lebensrechts relevant sein kann.

 

Das Potentialitäts-Argument

An diesem Punkt der Diskussion ändern die, die dem Embryo ein Recht auf Leben zusprechen, zumeist ihre Strategie. Sie sagen dann: Wir sollten den moralischen Status des Embryos nicht auf die geistigen Eigenschaften gründen, die er besitzt, solange er ein Embryo ist, sondern auf sein Potential - auf das, was er zu werden vermag!

Nehmen wir einmal an, daß ein Wissenschaftler zwei reife Eizellen von zwei Frauen erhalten hat - nennen wir sie Jane und Mary. Beide hoffen, daß ihre Eizellen mit dem Sperma ihrer Männer befruchtet und anschließend in ihre Gebärmutter übertragen werden. Jane hat sich zuerst der Laparoskopie unterzogen; ihre Eizelle wurde vor ein paar Stunden mit dem Sperma ihres Mannes in eine Petri-Schale gegeben. Wie der Wissenschaftler feststellen kann, hat die Befruchtung bereits stattgefunden. In Marys Fall ist das anders: Da das Sperma ihres Mannes gerade erst in das Schälchen getan worden ist, hat noch keine Befruchtung stattfinden können. Da das Labor aber eine Erfolgsrate von 90% hat, darf der Wissenschaftler davon ausgehen, daß die Befruchtung innerhalb der nächsten Stunden erfolgen wird. Viele würden nun sagen, daß es weit schlimmer wäre, wenn man Janes Embryo zerstörte, als wenn man Marys Eizelle zerstörte. Aber warum? In beiden Fällen würde man eine potentielle Person zerstören. Der einzige Unterschied wäre der, daß es eine etwas größere Wahrscheinlichkeit dafür gibt, daß sich aus dem, was in Janes Petri-Schale ist, eine Person entwickelt, als daß sich aus dem, was in Marys Petri-Schale ist, eine Person entwickelt. Wenn wir die beiden Fälle dennoch unterschiedlicher beurteilen, als es das Gefälle der Wahrscheinlichkeiten rechtfertigt, dann kann es unmöglich die Verhinderung einer potentiellen Person sein, die diese Zerstörung falsch macht.

Wenn es diesem Beispiel nicht gelingt, irgendeine relevante Bedeutung des Potentials aufzudecken, die den Unterschied zwischen dem Embryo einerseits und den Ei- und Samenzellen andererseits erklärt, so wünschte ich mir, daß diejenigen, die der Meinung sind, daß es eine solche Bedeutung gebe, dies auch deutlich zeigten. Ich glaube nicht, daß es sie gibt. Ich kann verstehen, daß es einen Unterschied in der in vivo Situation geben mag, in der sich der Embryo ohne jeden menschlichen Eingriff zu einem Kind entwickeln kann, während sich die Ei- und Samenzelle nicht ohne einen speziellen menschlichen Akt weiterentwickeln. Im Labor aber sind sowohl die Ei- und Samenzelle als auch der Embryo auf menschliche Hilfe angewiesen, um sich weiterentwickeln zu können. Da sich die Wahrscheinlichkeiten, daß es zu einer solchen Weiterentwicklung kommt, nicht nennenswert voneinander unterscheiden, kann ich nicht sehen, weshalb es einen scharfen Unterschied hinsichtlich ihres Potentials geben sollte.

Die christliche Verteidigung des Embryos

Ich habe vorhin gesagt: "Sobald wir bereit sind, uns von einem Weltbild zu befreien, das auf einigen spezifisch religiösen Prämissen beruht, werden wir einsehen, daß der frühe Embryo kein Recht auf Leben haben kann". Das habe ich nun gezeigt. Aber manche mögen einwenden, daß diese anfängliche Eingrenzung des Argumentationsfeldes ungerechtfertigt ist. Jemand könnte sagen: Wie schwach auch immer die rationalen Argumente für ein embryonales Lebensrecht sein mögen, die religiösen Argumente sind stark genug, um gläubige Christen davon zu überzeugen, daß Embryonen wie menschliche Wesen behandelt werden sollten - und diese religiösen Argumente dürfen nicht von vornherein zurückgewiesen werden.

Es ist sicher richtig, daß die scharfe Trennung, die die meisten westlichen Gesellschaften zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen vornehmen, ein Erbe unserer jüdisch-christlichen Tradition wiederspiegelt. Weder der Buddhismus noch der Hinduismus erheben den Menschen derart über andere Lebewesen. Zwei christliche Vorstellungen sind wohl dafür verantwortlich, daß wir dem menschlichen Leben einen so hohen Wert beimessen: Die Vorstellung, daß jedes menschliche Wesen "nach dem Bilde Gottes" geschaffen wurde, und der Glaube, daß allein menschliche Wesen eine "unsterbliche Seele" besitzen.

Das erste, was man gegen eine religiöse Argumentation in der Debatte zur Embryonenforschung sagen könnte, wäre, daß es den Anhängern des Christentums natürlich unbenommen bleibt, derartige Glaubensvorstellungen zu akzeptieren, daß es aber gegen fundamentale Werte einer pluralistischen Gesellschaft verstößt, wenn religiöse Gruppen - egal wie groß sie sind - ihre Überzeugungen anderen aufzudrängen suchen. Solange die Einwände gegen die Embryonenforschung ausschließlich auf religiösen Argumenten beruhen, sollte ein pluralistischer Staat also keine gesetzlichen Zwangsmaßnahmen ergreifen, um Wissenschaftler daran zu hindern, mit Embryonen zu experimentieren, die ihnen von Patienten freiwillig gespendet wurden.

Vielleicht ist das schon alles, was gesagt werden muß. Warum sollte ein nicht-religiöser Autor wie ich auch den Glauben von Leuten kritisieren, die sich zu einer bestimmten Religion bekennen? Wenn die Kirchen nicht ständig versuchen würden, die Rechtsordnung und die Gesetzgebung zu beeinflußen, könnte ich es tatsächlich dabei bewenden lassen. Aber so muß ich hinzuzufügen, daß es selbst im Rahmen christlicher Glaubensüberzeugungen absurd erscheint, wenn man von Embryonen sagt, daß sie "nach dem Bilde Gottes" geschaffen wurden und im Besitze einer "unsterblichen Seele" seien. Wie soll man es verstehen, daß ein Embryo aus nur zwei Zellen "nach dem Bilde Gottes" geschaffen wurde? Wenn Menschen Gott ähnlicher sind als, sagen wir, Schimpansen, dann vermutlich wegen ihrer größeren geistigen Fähigkeiten. Aber ein Embryo verfügt nicht über diese Fähigkeiten! Worin könnte er Gott also ähneln? Vielleicht in seinem genetischen Code, der ihm gewissermaßen das Potential verleiht, sich zu einem Wesen mit höheren geistigen Fähigkeiten zu entwickeln als ein Schimpanse? Aber das ist ein unsicherer Boden für den Christen. Denn was müßte er dann von menschlichen Wesen sagen, denen aufgrund einer genetischen Abnormität selbst das Potential fehlt, sich zum Niveau eines Schimpansen zu entwickeln? Und ist es nicht in jedem Falle merkwürdig, daß ein Wesen Gott gleichen soll, weil es einen besonderen Satz Gene besitzt? Gibt es einen "genetischen Code" für Gott?

Wenn ein Christ auf diese Weise in die Enge getrieben wird, nimmt er für gewöhnlich zum zweiten Argument Zuflucht: Alle menschlichen Wesen, ob nun Embryonen oder genetisch Defekte, sind einem Schimpansen überlegen - nicht wegen ihrer Gene, sondern wegen ihrer "unsterblichen Seele". So fallen die beiden getrennten Argumente - nach dem Bilde Gottes geschaffen zu sein und im Besitz einer unsterblichen Seele zu sein - zu einem einzigen zusammen. Aber wie stark ist dieses zweite Argument? Der frühe Embryo ist ein Bündel von Zellen, von denen jede die Möglichkeit besitzt, sich zu einem eigenständigen Wesen zu entwickeln. Bis etwa zum 14. Schwangerschaftstag kann sich der Embryo in zwei oder mehr Embryonen teilen, so daß identische Zwillinge, Drillinge oder Vierlinge entstehen. Es ist sogar möglich, daß sich der Embryo teilt und später wieder zu einem einzigen Embryo zusammenwächst. Was passiert in diesen Fällen mit der Seele? Kann sich eine Seele - etwas Immaterielles - teilen und wieder vereinigen? Pater Norman Ford, ein berühmter australischer Theologe, hat die Schwierigkeiten erkannt, die entstehen, wenn man Wesen eine Seele zusprechen möchte, die viel eher einer Ansammlung unabhängiger Zellen gleichen als einem einzigen, unteilbaren Individuum. Er hat deshalb vorgeschlagen, daß es vielleicht solange kein Individuum gibt - und folglich auch kein beseeltes Wesen -, bis die Möglichkeit zur Zwillingsbildung vorüber ist, also ungefähr bis zum 14. Schwangerschaftstag. Das ist sicherlich plausibler als die Ansicht, daß die Seele schon unmittelbar bei der Empfängnis vorhanden ist. Aber wenn wir überhaupt an eine Seele glauben, warum sollten wir dann nicht annehmen, daß sie sich zusammen mit dem Verstand entwickelt, und daß, solange es kein Bewußtsein gibt, es auch keine Seele gibt? Das eigentliche Problem bei der Beantwortung solcher Fragen, besteht natürlich darin, daß das ganze Konzept einer "unsterblichen Seele", die die Zerstörung des Körpers überleben kann, so obskur ist, daß man überhaupt keine Grundlage findet, auf der sich eine überzeugende Antwort konstruieren ließe.

Eine positive Annäherung

Nachdem wir gesehen haben, wie unzulänglich die Versuche sind, dem frühen Embryo ein Recht auf Leben zuzusprechen, bleibt nur noch die Frage: Wann kann der Embryo überhaupt Rechte erlangen?

Die Antwort muß von den tatsächlichen Eigenschaften des Embryos abhängen. Eingangs hatte ich gesagt, daß wir in Analogie zu der weithin akzeptierten Idee, daß Menschen erst dann tot sind, wenn ihre Gehirne tot sind, sagen könnten, daß Menschen erst dann "leben", wenn ihre Gehirne leben. Aber das ist nur eine Annäherung. Der Hirntod ist ein plötzliches Ereignis, das Hirnleben eine allmähliche Entwicklung. Wonach wir suchen sollten, sind daher jene geistigen Entwicklungen, die moralisch wirklich relevant sind.

Die Eigenschaft, die ein Embryo mindestens besitzen muß, um einen Anspruch auf moralische Berücksichtigung zu haben, ist die Empfindungsfähigkeit. Denn solange er außerstande ist, irgendetwas zu empfinden, können wir ihm in keiner Weise schaden.Wir könnten ihm natürlich dann schaden, wenn er sich einmal zu einer Person entwickeln sollte, doch wenn er niemals eine Person wird, ist ihm auch nicht geschadet worden, zumal das völlige Fehlen des Bewußtseins jedes Interesse daran ausschließt, eine Person zu werden.

Im Gegensatz zum Embryo können Tiere wie Affen, Hunde, Kaninchen, Ratten oder Mäuse durchaus Schmerz empfinden. Dennoch wird ihnen im Rahmen wissenschaftlicher Forschung oft beträchtliches Leid zugefügt. Ich habe bereits gesagt, daß die bloße Artzugehörigkeit für den moralischen Status eines Wesens irrelevant ist. Warum ist man dann aber bereit, mit empfindungsfähigen Kaninchen zu experimentieren, nicht aber mit völlig empfindungslosen Embryonen? Erst wenn der Embryo imstande ist, Schmerzen zu empfinden, müssen wir ihn vor Experimenten schützen, denn erst wenn er diese Entwicklungsstufe erreicht hat, steht er mit den empfindungsfähigen Tieren moralisch auf einer Stufe. So wie wir sicherstellen sollten, daß den Embryonen kein Leid zugefügt wird, sollten wir auch sicherstellen, daß den Tieren kein Leid zugefügt wird.

Wann entwickelt der Embryo die Fähigkeit, Schmerz zu fühlen? Ich bin zwar kein Experte auf diesem Gebiet, aber nachdem ich die Fachliteratur gelesen habe, würde ich sagen, daß es unmöglich vor der sechsten Woche sein kann - möglicherweise sogar erst nach der achtzehnten oder zwanzigsten. Obwohl ich der Meinung bin, daß wir sehr vorsichtig sein sollten, scheint mir die 14-Tage-Grenze, die von der Warnock-Kommission vorgeschlagen worden ist, doch zu konservativ. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Embryo noch einige Zeit länger vollkommen empfindungslos ist. Selbst wenn wir alle nur erdenkliche Vorsicht walten lassen, würde eine 28-Tage-Grenze ausreichen, um Embryonen davor zu bewahren, unter Experimenten leiden zu müssen.

 

 

09

Aussagen des kath. Lehramtes

 

Unter Euthanasie/Sterbehilfe versteht man eine Handlung Oder Unterlassung, die ihrer Natur nach und  aus bewußter Absicht den Tod herbeiführt, um auf diese Weise jeden Schmerz zu beenden. 

(Evangelium vitae, III 65)

 

Der Verzicht auf außergewöhnliche oder unverhältnismäßige Heilmittel ist nicht gleichzusetzen mit Selbstmord oder Euthanasie/Sterbehilfe; er ist vielmehr Ausdruck dafür, daß die menschliche Situation angesichts des Todes akzeptiert wird.

(Evangelium vitae, III 65)

 

Selbstmord ist immer ebenso sittlich unannehmbar wie Mord. ... aus objektiver Sicht eine schwer unsittliche Tat ... 

(Evangelium vitae, III 66)

 

Gesetze, die Abtreibung und Euthanasie/Sterbehilfe zulassen und begünstigen, stellen sich nicht nur radikal gegen das Gut des einzelnen, sondern auch gegen das Gemeinwohl und sind daher ganz und gar ohne glaubwürdige Rechtsgültigkeit.

 (Evangelium vitae III 72)

 

081

Euthanasie durch die Hintertür?
 

Der Europarat wird sich kommende Woche mit dem Thema „aktive Sterbehilfe“ befassen – Deren Befürworter könnten Erfolg mit ihrer Strategie haben
DT Nr.9 vom 22.01.2004 Von Markus Berger

Im Europarat, der ältesten europäischen Institution, die sich um die grundsätzlichen Fragen der Menschenrechte, der Kultur und des Rechts der europäischen Staaten bemüht, steht zum zweiten Mal seit 1999 das Thema Euthanasie – oder wie es beschönigend heißt: „aktive Sterbehilfe“ – zur Entscheidung an. Im September vergangenen Jahres beantragte der Schweizer Dick Marty deren Zulassung. In seinem Bericht des Sozialausschusses an das Plenum heißt es: „Wenn todkranke Patienten ständige unerträgliche Schmerzen haben und ohne Hoffnung auf Besserung ihrer Lage leiden, sind manche Ärzte bereit, dem Leben des Patienten auf seinen freiwilligen und wohlüberlegten Wunsch hin ein Ende zu setzen, oder einzuwilligen, dem Patienten zu helfen, aus seinem Leben zu scheiden.“ Das Ziel dieses Antrags ist es, solche Ärzte aus der „Grauzone“ des Strafrechts zu bringen und den Patienten einen gesicherten Zugang zur Sterbehilfe zu öffnen.

Das klingt humanitär, und in der Schweiz ist das inzwischen ebenso gängige Praxis wie in Holland und in Belgien, wo dies gesetzlich geregelt wurde. Aber ist das auch „Recht“? Der Berichterstatter des Rechtsausschusses zu Martys Initiative, Kevin Mc Namara, weist in seinem Bericht dazu auf die „erschreckende Häufigkeit der aktiven Sterbehilfe bei Patienten“ in Holland hin, „die keine ausdrückliche Bitte in diesem Sinne geäußert hatten, und ebenso (auf) erschreckende Unterlassungen der Fachkräfte im Gesundheitswesen, Fälle geleisteter Sterbehilfe der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden“.

Vielleicht war es dieses Alarmsignal des Rechtsausschusses, das den Antragsteller dazu veranlasste, sowohl im Dezember als auch am Freitag vergangener Woche den Beratungen im Rechtsausschuss fernzubleiben. Diese wurden deshalb zweimal vertagt. Aber am 29. Januar wird höchstwahrscheinlich die Parlamentarische Versammlung insgesamt zu diesem umstrittenen Thema eine Empfehlung aussprechen, auch wenn keine Voten der Fachausschüsse vorliegen. Diese könnten außerdem noch kurz vorher beschlossen werden. Die Initiative verfolgt das erklärte Ziel, den Beschluss des Europarates von 1999 zu kippen, in dem es hieß, dass „es die Aufgabe des Europarates sei, die Würde aller Menschen und die aus ihr hervorgehenden Rechte zu schützen“. Folglich empfahl damals die Versammlung den Mitgliedstaaten, „anzuerkennen, dass der Sterbewunsch einer todkranken beziehungsweise sterbenden Person selbst keine gesetzmäßige Rechtfertigung (dafür) darstellen“ könne, den Tod der Sterbenden herbeizuführen.

Schlimme Folgen für das Rechtsbewusstsein der Bürger

An den Voraussetzungen für diese Em-pfehlung hat sich seit damals nichts geändert. Sie ist zwischenzeitlich sogar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich bestätigt worden. Wenn sie nun dennoch in ihr Gegenteil verkehrt werden soll – und das ebenfalls unter Berufung auf die Würde des Menschen –, dann kann das nur bedeuten, dass der Antragsteller diesmal auf geänderte Mehrheiten in der Versammlung setzt. Eine intensive Diskussion in den Ausschüssen könnte sich dabei möglicherweise als wenig hilfreich erweisen, zumal Marthy in der Sache bereits einen halben Sieg in der Tasche hat.

Denn der für diesen Antrag kompetente Rechtsausschuss hat – wohl um der Wahrung seines Ansehens willen – in seinem Bericht an das Plenum Skepsis durchblicken lassen und einige Richtigstellungen am Marthy-Bericht vorgenommen. Dessen Vorschlag für einen Aufruf der Parlamen-tarischen Versammlung an die Regierungen der Mitgliedstaaten hat er jedoch in seinen entscheidenden Teilen übernommen. Darin heißt es, die Regierungen sollten „empi-risches Beweismaterial sammeln und analysieren, das mit freiwilliger aktiver Sterbehilfe, Beihilfe zum Selbstmord, passiver Sterbehilfe und den damit zusammen-hängenden Praktiken verbunden ist“. Außerdem sollen die Haltung der Öffentlichkeit und die Erfahrungen des medizi-nischen Personals sowie die Rechtsprechung der Gerichte erfasst werden, heißt es darin.

Dies bedeutet jedoch: „Empirisches“ Beweismaterial zur Euthanasie wie zur Beihilfe beim Selbstmord können die Regierungen der Mitgliedstaaten eigentlich nur dann sammeln, wenn sie diese Tötungsdelikte vorher zulassen, also legalisieren oder – wie beim so genannten „Gesetz zum Schutz des ungeborenen Lebens“ – für „rechtswidrig, aber straffrei“ erklären. Dass sich diese Aufforderung durchaus an alle Mitgliedstaaten richtet – und nicht nur an diejenigen, die dergleichen schon zugelassen haben –, ergibt sich aus der dritten konkreten Forderung im Schlussabsatz. Hier heißt es, die Regierungen sollten vergleichende Analysen und Diskussionen über derartiges Material im Rahmen des Europarates fördern, unter besonderer Berücksichtigung der belgischen und holländischen Gesetze. Letzteres hätte man auch jetzt schon tun können.

Diese zwar kaschierte, aber dennoch eindeutige Aufforderung zur Zulassung der Euthanasie in den Mitgliedstaaten des Europarates kommt also, dem Gegenstand angemessen, sozusagen durch die Hintertür. Ein solches Vorgehen verletzt die Würde des Europarates! Fände die Vorlage eine Mehrheit, dann hätte das schlimme Folgen für das Rechtsbewusstsein der Bürger Europas. Noch schlimmere Folgen hätte das für Tausende todkranker, siecher und sterbender Menschen wie für die noch junge Hospizbewegung, die diese Menschen begleiten will. Auch der weitere Aufbau einer umfassenden palliativen Vorsorge käme wohl zum Erliegen. Die Deutsche Hospizstiftung schätzt, dass in der Folge eines solchen Beschlusses jährlich hunderttausend Menschen in Europa der Euthanasie zum Opfer fielen – und davon nach den Erfahrungen in Holland und Belgien ein Viertel gegen ihren Willen, ohne gefragt zu werden.

 

 

08

Euthanasie

 

Das niederländische Parlament verabschiedete, nachdem die Euthanasie jahrelang stillschweigend toleriert wurde, nun ein Euthanasiegesetz, wonach aktive Euthanasie zwar grundsätzlich verboten, jedoch auf Wunsch des Patienten - aber auch ohne dessen Zustimmung - straffrei ist.

Laut einer Regierungsaussage waren 1991 unter den 120.000 Sterbefällen in den Niederlanden 20.000 Euthanasieopfer.

Die Statistik weist allerdings nur 2.300 Euthanasieopfer aus, da das holländische Gesetz unter Euthanasie nur die Fälle erfasst, in denen ein tödliches Mittel, auf Wunsch des Patienten, vom Mediziner verabreicht wurde.

400 Fälle, in denen der Mediziner ein tödliches Mittel besorgte, sowie 1.100 Getötete, die ohne ihre Einwilligung mittels eines tödlichen Giftes willkürlich vom Mediziner umgebracht wurden, tauchten ebenso wenig in der Statistik auf wie die 8.000 Getöteten, die durch eine Überdosis ermordet wurden. Letztere wurden unter der Rubrik "normale medizinische Behandlung" geführt.

In mindestens weiteren 8.000 Fällen wurde die medizinische Behandlung abgebrochen oder erst gar nicht aufgenommen, um so den Menschen umzubringen.

Das holländische Euthanasiegesetz gleicht u.a. in eklatanter Weise dem deutschen Abtreibungsgesetz. Auch hier ist die Tötung grundsätzlich verboten, aber de facto straffrei, und es werden jährlich fast eine halbe Million Kinder allein in der Bundesrepublik Deutschland umgebracht.

Ebenso, wie die niederländische Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung Pate für die Gesetzgebung in vielen anderen europäischen Ländern stand, wird sicher auch dieses oder ein ähnliches Euthanasiegesetz, im Zuge einer Harmonisierung des EG-Rechtes bald in ganz Europa Geltung haben.

Es ist unerheblich, ob nur die so genannte passive oder auch die aktive Euthanasie laut Gesetz straffrei bleibt. Im heutigen Sinne heißt Euthanasie "Schön getötet werden!" So wie es in der Abtreibungspraxis keinen Unterschied macht, ob die Kinder nach einer Fristen- oder nach einer Indikationsregelung getötet werden, so wird es auch in der kommenden Euthanasiepraxis kein Unterschied sein, ob lediglich die passive oder auch die aktive Euthanasie straffrei bleibt. Diese Unterschiede bestehen nur auf dem Papier.

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Passive Euthanasie

Ein Beispiel für sog. passive Euthanasie, wie sie heute verstanden wird, ist der Entschluss, einen Menschen nicht weiter "künstlich am Leben zu erhalten". Die künstliche Ernährung - unter die auch Löffelfütterung gezählt wird - wird eingestellt.

Hier ein Auszug aus dem Verlaufs-Protokoll der letzten Lebenstage eines so zum Tode Verurteilten:

Sein Mund trocknet aus, verklebt oder wird von einer dicken Substanz überzogen

Seine Lippen trocknen aus, springen auf oder reißen

Seine Zunge schwillt an und kann platzen

Seine Augen sinken in die Augenhöhlen ein

Seine Wangen werden hohl

Die Nasenschleimhäute können reißen und Nasenbluten verursachen

Seine Haut hängt lose an seinem Körper und wird trocken und schuppig

Sein Urin wird hochkonzentriert und verursacht ein Brennen in der Blase

Seine Magenwände trocknen aus, und es kommt zu Würgen und Erbrechen

Es kommt zu Hyperthermie, einer sehr hohen Körpertemperatur

Seine Gehirnzellen beginnen auszutrocknen und verursachen Konvulsionen (Krämpfe, Schüttelkrämpfe)

Seine Atemwege trocknen aus. Dies führt zur Absonderung sehr dickflüssiger Sekrete, die seine Lungen verstopfen und seinen Tod verursachen können

Schließlich kommt es zum Versagen der wichtigen Organe, einschließlich Lunge, Herz und Gehirn

Da der Patient sich nicht äußern kann (z.B. bei Komatösen), ist nicht bekannt, welche Todesqualen er erleidet.

Natürlich findet jeder noch menschlich Empfindende einen solchen Tod unwürdig und unmenschlich. Aber dennoch ist die Angst vor der Apparatemedizin (=Überbehandlung) überall anzutreffen. Um einem "Dahinvegetieren" an einer Maschine zu entgehen, wird vielerorts das so genannte Patiententestament oder der Patientenbrief diskutiert. Dabei ist eine solche Verfügung vollends unnötig, da ich im ansprechbaren Zustand sowieso vor jeder Behandlung meine Einwilligung geben muss, und für den Fall, dass ich nicht ansprechbar bin, meine Angehörigen diesbezüglich gefragt werden müssen.

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Das Patiententestament

Hier ein Beispiel für ein sogenanntes Patiententestament:

"Wenn ich ein unheilbares Leiden haben sollte, das meinen Tod innerhalb einer kurzen Zeit verursachen wird, und ich nicht mehr in der Lage bin, Entscheidungen bzgl. meiner medizinischen Behandlung zu treffen, gebe ich meinem behandelnden Arzt die Weisung, eine Behandlung, die den Vorgang des Sterbens nur verlängert und nicht für mein Wohlbefinden oder die Schmerzlinderung notwendig ist, zu unterlassen oder abzubrechen."

Was heißt:

unheilbares Leiden?

Asthma, Diabetes, Zerebrale Lähmungen, Herzleiden, Schlaganfallsleiden, Depressionen ...?

Tod ... innerhalb einer kurzen Zeit?

Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre ...?

nicht in der Lage zu sein, Entscheidungen zu treffen?

weil ich schlafe, bewußtlos bin, verwirrt bin oder für verwirrt erklärt werde, unter Medikamenten stehe, von Problemen erdrückt werde ...?

meinem behandelnden Arzt?

dem Hausarzt, dem Spezialisten, den Sie nicht kennen, dem Medizinassistenten in der Notaufnahme, dem Arzt, der auf meinen Tod zwecks Organentnahme wartet ...?

Behandlung abzubrechen oder zu unterlassen?

das Beatmungsgerät, die Operation, die Chemotherapie, das Insulin, das Antibiotikum, die Nahrung, das Wasser, auch Löffelfütterung ...?

Einem anderen Aspekt der Euthanasiedebatte begegnen wir in der Frage nach der Organtransplantation.

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Organstransplantation

Die Grundfrage, die dabei zunächst zu klären ist: Ist der Mensch bei der Organentnahme bereits tot, oder wird er erst dadurch getötet?

Seit der Gedanke der Organtransplantation in den Gehirnen der Mediziner Einzug gehalten hat, wurde die Todesdefinition geändert. Man sprach nun nicht mehr vom Tod als solchem oder vom Gesamttod des Menschen, man verlegte den Tod auf einen früheren Zeitpunkt und einigte sich auf den Hirntod.

Dabei standen weniger die moralischen Erwägungen als vielmehr die praktischen Überlegungen im Vordergrund. Nur einem Hirntoten kann man das noch schlagende Herz entnehmen. Einem Hirn- und Herzkreislauftoten, also einem Toten nach der klassischen Definition, die auch dem gesunden Volksempfinden entspricht, der also weder Atmung (ob künstlich oder natürlich) noch Herzschlag aufweist, kann man verschiedene Organe zur Transplantation nicht mehr entnehmen, da sie zu diesem Zweck bereits unbrauchbar geworden sind.

Die amerikanischen Ärzte Dr. med. Paul A. Byrne und Dr. med. Richard G. Nilgers geben Antwort (sinngemäße Auszüge aus amerikanischen Veröffentlichungen) auf die so heiklen Fragen nach dem Hirntod.

Nilgers: "Ich habe viele Hirntote gesehen. Sie sehen nicht tot aus. Es ist wahr, ihre Atmung ist passiv, die Maschinen atmen für sie, aber ihr Herz schlägt, ihr Blut zirkuliert, sie sind rosig und warm. Die jungen Männer sehen gut aus, die jungen Frauen sind hübsch, sogar bei ihrem Hirntod. Solch eine Person kann gesetzlich für tot erklärt werden, und es können ihr die Organe zur Transplantation entnommen werden.

Die Öffentlichkeit muss verstehen - und dieser Punkt wird oft zugunsten der Transplanteure beschönigt - daß der Körper - oder ist es noch die Person? - dann zum ´Eingriff` freigegeben wird, wenn das Herz noch schlägt und die Haut warm und rosig ist."

 

Die Frage bleibt: Sind Organspender wirklich tot?

Byrne: "Eine Hirntod-Diagnose bedeutet das Fehlen von Gehirnfunktionen, die teilweise oder ganze Zerstörung des Hirns oder Tod. Diese Begriffe werden oft durcheinandergebracht. Die meisten Leute finden diese Begriffe verwirrend und sind nicht fähig, über den 'Hirntod' zu reden. Letztes Jahr berichtete das Journal of the American Medical Association, daß im Gebiet Cleveland nur 35% derer, die mit Organbeschaffung zu tun haben, die gesetzlichen und medizinischen Kriterien für die Bestimmung des Todes korrekt bestimmen konnten ... 19% klassifizierten Anenzephale (Menschen ohne Großhirnfunktion) und Patienten im 'vegetativen Zustand' für tot."

Gehen wir zunächst auf diese Definitionen ein, die im strengen Sinne - noch - nichts mit dem Hirntod zu tun haben, aber schon bei der nächsten Umdefinierung haben können.

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Vegetativer Zustand

"Die Diagnose vom 'anhaltenden vegetativem Zustand' ist eine moderne Hinzufügung zur Liste potentieller Organspender. Es gibt viele, viele Krankheitsprozesse, die in der Vergangenheit als 'anhaltend' vorausgesagt worden waren, plötzlich wurden Methoden für genauere Diagnosen und Behandlungen gefunden und seitdem waren sie nicht mehr in der Kategorie 'anhaltend' zu finden.

Wie schwer ein "anhaltender vegetativer Zustand" diagnostiziert werden und was diese Diagnose bedeuten kann, verdeutlicht die Geschichte von Sergeant David Mack, einem Polizeibeamten aus Minneapolis, der bei einem Schußwechsel verletzt worden war.

"Es wurde diagnostiziert, er sei in einem 'anhaltend vegetativen Zustand' (PVS). 22 Monate später war er - mit Hilfe seiner Augen und einer Buchstabentafel - fähig, sich den Umstehenden mitzuteilen. Er beschrieb und nannte eine Krankenschwester, die sich um ihn gekümmert hatte. Dr. Ronald Cranford war einer der Ärzte, die mit der (falschen) Diagnose von Sergeant Mack zu tun hatten. Dieser Mediziner ist einer der Vorkämpfer, die für das Verweigern von Nahrung und Wasser bei Patienten in 'hoffnungslosen' Zuständen sowie 'anhaltend vegetativen Zuständen' und 'irreversiblem Koma' eintreten. Dr. Cranford ist ebenso gut bekannt als Vorreiter, der auf eine gesetzliche Anerkennung des Hirntodes drängte."

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Koma

Ein anderer Begriff, der oftmals mit Hirntod verwechselt oder gar gleichgestellt wird, ist das Koma. Es handelt sich hier um einen vorübergehenden oder dauernden Zustand (chronisches Koma).

Nach Dr. Cranford und anderen Verfechtern der Euthanasie sollte man diese Menschen "sterben lassen". Ehrlicher wäre, töten zu sagen.

Hierzu Dr. Bryne: "Ein Patient im Koma ist wie eine Person, die schläft, mit einer Ausnahme, daß eine schlafende Person spontan aufwacht und geweckt werden kann. Eine Person im Koma kann nicht geweckt werden. Das Koma folgt normalerweise auf eine akute Verletzung oder Schädigung des Gehirns oder des Kreislaufs zum Gehirn. Innerhalb einiger Wochen wird der Patient aus dem schlafähnlichen Koma erwachen. Wenn der Patient nach einigen Wochen immer noch nicht reagiert, ist er/sie in einem eher chronischen Zustand. Halbkomatös bedeutet, daß die Person zwar mehr reagiert als jemand, der schläft, aber noch nicht geweckt werden kann."

Komatöse Menschen sind nicht unbedingt Sterbende, nicht einmal direkt Kranke. Sie können oft über Jahre hinweg weiterleben, ähnlich Schlafenden.

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Hirntod

Was aber ist mit den wirklich Hirntoten?

Zunächst einmal müssen wir bedenken, daß der Ausfall sämtlicher Gehirnfunktionen äußerst schwer zweifelsfrei feststellbar ist und das Risiko einer Fehldiagnose beständig mitschwingt.

Dr. Byrne: 

"Wir sollten das Konzept des 'Hirntodes' ablehnen. Es ist Betrug, obwohl es legalisiert wurde. Einen Patienten tot zu nennen, wenn er noch lebt, macht ihn nicht tot, auch wenn das Gesetz erlaubt, ihn für tot zu erklären.

Wenn die Wissenschaft einer Tatsache widerspricht (z.B. der Tatsache, daß ein Körper mit einem schlagendem Herzen lebt und nicht tot ist), ist es das letzte, was passieren darf, daß die Wissenschaft hier neue Definitionen einführt. Wissenschaft, die der Realität widerspricht, ist keine Wissenschaft! Laut Theologie, Philosophie oder Medizin, die auf den Erkenntnissen der Biologie und Biochemie basieren, ist der Tod ein Zustand, nach dem das Leben beendet ist. Seit Bestehen des menschlichen Lebens ist ein Mensch eine Einheit, ein Ganzes. Vom Standpunkt der Biologie und Biochemie aus sollte niemand für tot erklärt werden, bevor es keine Zerstörung der Hauptsysteme des Körpers gibt. So sollte niemand für tot erklärt werden, ohne daß die Zerstörung der Atmungs- und Kreislaufsysteme und des ganzen Gehirns vorliegt. Auf der anderen Seite ist es absolut nicht vertretbar, jemanden für tot zu erklären aufgrund des Mangels an Beweisen von Gehirnfunktionen."

Beim Hirntod liegt - nach bisherigem Kenntnisstand der Medizin - der Ausfall des gesamten Gehirns und der Spontanatmung vor. Das Herzkreislaufsystem arbeitet aber noch und zwar mindestens solange, wie die Atmung (künstlich) aufrecht erhalten bleibt - und das bleibt sie bei Organspendern solange, bis das Herz schlagend herausgeschnitten wird.

Was die Organtransplantation angeht, so lautet nach Dr. Byrne die Frage: 

"Ist es gerechtfertigt, ein schlagendes Herz herauszuschneiden, wenn es Zweifel über den Tod gibt?" 

Und die Antwort: 

"Es ist nicht gerechtfertigt, auch nicht einen Augenblick vor dem Tod!"

 

Und es gibt enorme Zweifel. - Um keinen Preis dürfen wir das Leben eines Menschen verkürzen, weder das Leben des Komatösen noch das Leben des hirntoten Sterbenden.

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Den Sterbeprozeß nicht abkürzen

Hierzu Dr. Nilges: "Richard Strauß erwachte auf seinem Totenbett aus seinem vorletzten Koma und erklärte, daß er gerade die letzten Noten seines 'Tod und Transfiguration' gehört habe: 'Sterben ist genauso, wie ich es in Tod und Verklärung geschrieben habe."

Christliche Mystiker haben einen 'schönen Punkt der Seele' während Zuständen gebetsvoller, vorübergehender Leblosigkeit beschrieben. Wie viele Trompetenklänge zur Ewigkeit, wie viele Gebete und sogar mystische Visionen haben wir Ärzte plündernd unterbrochen beim 'Ausschlachten lebender Organe'?

Wo ist das Mitleid, wo die Liebe, wo ist wenigstens die Grundverbindlichkeit von Arzt und Patient in diesen 'Ärzten', die handeln, als hätten sie Pumpen statt Herzen und Eiswasser statt Blut?"

Es gibt in Deutschland bereits eine Reihe entsetzter Eltern, die ihre toten Kinder nach der Organentnahme fast nicht mehr wiedererkannten. Den Hirntoten wurden z.B. Herz, Lunge, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Knochenmark, Hirnhaut und Augen entnommen. Zurück blieb eine völlig verstümmelte Leiche und Eltern, die den Anblick ihres im und nach dem Sterben mißhandelten und entwürdigten Kindes niemals vergessen.

 

07

Aktive und Passive Euthanasie

Euthanasie beschreibt ursprünglich ein sanftes - möglichst schmerzfreies - Sterben und den natürlichen Tod des Menschen.

Im Laufe der Jahrhunderte aber änderte sich der Inhalt des Begriffes Euthanasie - besonders drastisch in der NS-Zeit -, so daß darunter ein wahlloses Morden aller nicht erwünschten Menschen verstanden wurde. Die Frage nach dem natürlichen Tod wurde erst gar nicht mehr gestellt.

Auch der "modernen" Euthanasiebewegung geht es weder um ein sanftes Sterben noch um einen natürlichen Tod.

Aktive Euthanasie        Passive Euthanasie

 

Aktive Euthanasie

 

Natürlicher Tod:

Die sog. aktive Euthanasie achtet den natürlichen Tod nicht. Sie greift aktiv in den Sterbeprozeß ein und setzt ihm ein künstliches Ende. Man läßt den Menschen nicht sterben, sondern tötet ihn.

 

Sanftes Sterben:

Je nachdem, wie der Patient umgebracht wird, kann der Todeskampf - wie z.B. bei der Anwendung von Zyankali - sehr schmerzhaft unter Krampfzuständen und Atemnot über längere Zeit anhalten. Von einem sanften Sterben bzw. "Getötet-Werden" kann hier nicht die Rede sein.

 

Aktive Euthanasie ohne Zustimmung des Betroffenen:

In Holland weigern sich bereits viele alte Menschen, ins Krankenhaus gebracht zu werden, weil sie - mit Recht - fürchten, dort umgebracht zu werden.

Dies entspricht nicht der Vorstellung vom schmerzfreien, angstfreien, sanften Tod, wie ihn die Befürworter der Euthanasie "schmackhaft" machen wollen.

 

Aktive Euthanasie mit Zustimmung des Patienten:

Der Wunsch nach Euthanasie entspringt in der Regel der Verzweiflung eines Patienten. Sie ist somit keine wirklich "freie Entscheidung" (abgesehen davon, daß der Mensch niemals ein Entscheidungsrecht über Leben und Tod hat; nicht über das eigene Leben, geschweige denn über das eines anderen. Unser Leben ist uns nur anvertraut und geliehen - von Gott!), sondern wird in einem Ausnahmezustand getroffen, in dem der Mensch nicht voll zurechnungsfähig, das heißt also auch nicht geschäftsfähig im juristischen Sinne, ist. Aber auch eine Verfügung im vorhinein, wie aus dem "Patiententestament" oder "Living-Will" bekannt, ist letztlich keine freie Entscheidung, sondern sie ist unter der Angst vor Behinderung, Überbehandlung, Pflegebedürftigkeit, Vereinsamung und Schmerzen getroffen worden. Angst aber war zu allen Zeiten ein schlechter Ratgeber und ist niemals die Grundlage einer echten freien Entscheidung.

 

Information:

In einer Mädchengruppe wurde das Thema Euthanasie diskutiert und der autobiographische Film über das Leben der durch Sportunfall vom Hals abwärts gelähmten Joni gezeigt. Als zu Anfang des Filmes die Leiden und die Verzweiflung bis hin zu Selbstmordwünschen der jungen Frau sehr drastisch und ausführlich dargestellt wurden, äußerte ein Mädchen spontan: "Wenn es mir mal so gehen soll, könnt ihr mir sofort die Spritze geben!"

Nachdem dasselbe Mädchen im weiteren Verlauf des Filmes erfuhr, wie Joni Leiden, Schmerzen und Verzweiflung besiegte, war sie tief beeindruckt und nahm ihre spontane Äußerung über Euthanasie uneingeschränkt zurück.

 

Gewissenskonflikt:

Kann ein Arzt oder das Pflegepersonal in der Frage nach der aktiven Euthanasie in Gewissenskonflikt kommen?

Nein!

Das Gewissen eines Menschen kann diesem niemals vorschreiben zu töten. Es kann sein, daß das Leiden eines schwerstkranken Menschen dem Pflegepersonal zur unerträglichen Belastung wird. In diesem Fall muß der überforderten Pflegekraft persönliche Hilfe zuteil werden, ggf. muß sie von der Betreuung dieses Menschen freigestellt werden.

Es mag sein, daß sich tausend Rechtfertigungsgründe finden, mit denen man die Tötung eines Patienten zu begründen sucht. Man wird aber nicht umhinkommen zuzugeben, daß man mit diesen lediglich das eigene Gewissen zu beruhigen sucht, nicht aber einem etwa unüberwindlichen Anruf des Gewissens, das zu töten verlangt hätte, gefolgt sei.

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Passive Euthanasie

Begriffsverwirrung:

Der Begriff `passive Euthanasie@ hat mehr noch als die sog. aktive Euthanasie eine hundertprozentige Umdeutung erfahren.

Die Unklarheit des Begriffes führt immer wieder zur Verwirrung und zu einer bedingungsweisen Zustimmung zur Euthanasie. Damit aber sind dem Morden Tür und Tor geöffnet, wie gerade in Deutschland die Vergangenheit schmerzvoll gezeigt hat.

Verstand man früher unter passiver Euthanasie, einen Menschen möglichst sanft und schmerzfrei sterben zu lassen, ohne dabei in den Sterbeprozeß einzugreifen und den Menschen so bis zu seinem natürlichen Tod zu begleiten, so verstehen die Euthanasiebefürworter unserer Zeit unter passiver Euthanasie etwas ganz anderes.

 

Natürlicher Tod:

Man redet zwar immer noch bei der sog. "passiven Euthanasie" vom Sterbenlassen, was allerdings tatsächlich geschieht, ist häufig das Herbeiführen des Todes durch Unterlassung oder Beendigung einer Hilfe/Behandlung. So wird z.B. Patienten Nahrung, Sauerstoff oder Medikamente vorenthalten. Behinderte Neugeborene werden im Kreissaal unversorgt oder gar am offenen Fenster liegen gelassen, und Kinder mit offenem Rücken oder Hydrozephalus ("Wasserkopf") nicht operiert. Menschen mit Down-Syndrom (körperlich-geistig-behindert) werden lebensrettende Herzoperationen verweigert usw.

Die aktive Euthanasie führt den Tod des Patienten z.B. durch eine Überdosis von Medikamenten herbei.

Die passive Euthanasie führt den Tod des Patienten durch Nichtbehandlung herbei.

 

Unterscheidung:

Es gilt die sog. passive Euthanasie von der echten ärztlichen Sterbebegleitung zu unterscheiden. Während die passive Euthanasie den Tod des Patienten herbeiführt, wird in der ärztlichen Sterbebegleitung der Tod des Menschen erwartet, seine Lebensspanne wird weder künstlich verkürzt noch verlängert. Man wartet mit dem Patienten auf den natürlichen Tod und versucht, ihn der Menschenwürde gemäß möglichst schmerzfrei und bei Bewußtsein zu halten. Dieses verantwortliche ärztliche Handeln der Sterbebegleitung nannte man bis vor wenigen Jahren "passive Euthanasie" und wird auch heute noch von vielen Menschen so verstanden.

Da aber, wie oben erwähnt, der Begriff "passive Euthanasie" in den letzten Jahren eine eklatante Umdeutung erfahren hat, ist es geradezu lebensnotwendig geworden, jedwede Form von Euthanasie abzulehnen und klare Begriffsunterscheidungen zu treffen.

 

Wenn zwei das gleiche tun ...

"Wenn zwei das gleiche tun, ist das nicht dasselbe", sagt ein Sprichwort treffend.

Äußerlich kann die Handlung eines Arztes, der seinen Patienten im Sterben begleitet, und die eines Mediziners, der den Tod seines Patienten durch passive Euthanasie herbeiführt, völlig identisch sein. Maßgeblich ist das Motiv, welches hinter der Entscheidung, eine Behandlung abzubrechen oder erst gar nicht aufzunehmen, steht.

 

Gewissenskonflikt:

Kann ein Arzt oder das Pflegepersonal in der Frage nach der passiven Euthanasie in Gewissenskonflikt kommen?

Nein!

Das Gewissen eines Menschen kann diesem niemals vorschreiben, den Tod eines anderen herbeizuführen.

Im Übrigen gilt das, was zu dieser Frage unter dem Stichwort aktive Euthanasie ausgeführt wurde.

Kann aber ein Arzt oder das Pflegepersonal in Fragen der ärztlichen Sterbebegleitung in Gewissenskonflikte kommen?

Ja!

Insbesondere für den Arzt, der mit der Behandlung eines Schwerstkranken bzw. Sterbenden betraut ist, können massive Gewissenskonflikte auftreten, wenn er sich nicht im Klaren darüber ist, ob die Behandlung nun wirklich noch eine lebenserhaltende bzw. -verlängernde Maßnahme ist oder, ob lediglich der Sterbeprozeß unterbrochen oder verlängert wird.

Der Katechismus der katholischen Kirche (2278) sagt hierzu: "Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Außerordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende, aufwendige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. ..." (Anm.: Hervorhebungen durch die Redaktion).

Der Arzt, der sich vor seinem Gewissen nicht schuldig machen will, muß in einem echten Gewissenskonflikt bei der Frage der Weiterbehandlung des Patienten nach Abwägen aller Fakten klar ausschließen können, daß er den Tod des Patienten absichtlich herbeiführen will (sog. "Erlösungstod").

Die Frage, ob es "Wert" hat, einen solchen Patienten (z.B. einen unheilbar kranken oder behinderten Menschen) weiter zu behandeln, darf, wie Christoph Wilhelm Hufeland, der Leibarzt Goethes und Schillers im Jahre 1806 feststellte, erst gar nicht Teil der Überlegungen eines Arztes sein. Ihn hat einzig zu interessieren, ob er das Leben noch - und wenn es nur für eine Weile ist - erhalten kann oder ob er bereits dabei ist, den Menschen am Sterben zu hindern.

Im Zweifelsfalle aber muß der Arzt sich stets für das Leben und für eine Weiterbehandlung entscheiden.

Sicherlich bedarf es gerade hier wieder des gläubigen Arztes, der in einem solchen echten Gewissenskonflikt vor Gott dem Schöpfer auf die Knie geht und IHN um Klarheit bittet.

 

 

06

- Euthanasie -

Folge eines gewandelten Menschenbildes

S. k. H. Dr. Otto v. Habsburg:

 

Die im folgenden wiedergegebene Rede hielt Dr. Otto von Habsburg anlässlich eines Symposiums zum Thema "Euthanasie" im Europaparlament, das 1993 vom "Straßburger Gesprächskreis" veranstaltet wurde. Dr. Otto von Habsburg ist Europa-Abgeordneter in Straßburg und Mitglied im Beirat des WIESE-Institutes.

 

Europa - ein sterbender Erdteil

Ich möchte hier einige Bemerkungen aus der Perspektive des Politikers zu den Fragen der Euthanasie und des Lebens machen. Dabei möchte ich davon ausgehen, dass wir, als Europäer, uns darüber im klaren sind, dass wir ein sterbender Erdteil sind. Sie brauchen sich nur die Bevölkerungspyramide anzuschauen. Und das alles ist meines Erachtens die Folge des total gewandelten Menschenbildes.

 

Gott spielt keine Rolle mehr

Vor noch nicht allzu langer Zeit ist in vielen Teilen der Welt der Mensch noch als ein Geschöpf Gottes betrachtet worden. Wie wenig aber spielt Gott noch eine Rolle in unserer Gesellschaft? Das bei uns vorherrschende Menschenbild ist lediglich ein Zerrbild dessen, was es sein soll. In diesem Sinne hängen Abtreibung und Euthanasie engstens zusammen. Denn der Mensch wird hier als das behandelt, wofür ihn die Philosophie heute sozusagen betrachtet, nämlich als Gegenstand einer großen Produktions- und Konsummaschine ohne Seele, ohne die viel höhere Weihe und Berufung, die tatsächlich dem Menschen gehört.

Ja, ich gehe sogar soweit: Wenn wir uns mit Recht immer wieder über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufregen und hierüber das Urteil fällen, so möchte ich doch nur eines dazu sagen: Hitler ist halt 50 Jahre zu früh auf die Welt gekommen. Heute wäre er Direktor einer Abtreibungsklinik, oder er wäre einer jener, die die Euthanasie bei uns durchzusetzen versuchen. Daher ist vieles, was heute über die Vergangenheit gesagt wird, eigentlich doch nichts anderes als Heuchelei.

 

Rückkehr zur Menschenwürde

Meine Damen und Herren, unsere Zivilisation wird, wenn sie so weitergeht - und das wird gar nicht mehr sehr lange dauern - verschwinden. Schauen wir nur nach dem, was sich heute in Bosnien-Herzegowina abspielt, so wissen wir die praktischen Folgen. Die ethnische Säuberung, die Massenvergewaltigung der Frauen, das alles ist doch die Folge dieses verfälschten Menschenbildes, das nunmehr bei uns besteht. Das ist die große Gefahr, die unserem Erdteil droht. In diesem Sinne glaube ich, dass es in Wirklichkeit nur eine ganz wesentliche Sache gibt, um dieses Europa und diese Zivilisation von einer ansonsten drohenden Katastrophe zu retten: Wieder zurückzukehren zum richtigen Menschenbild. Also dem Menschen wieder seine inhärente Würde zuzugestehen, die man ihm heute in unserer Gesellschaft zunehmend abspricht.

 

Bald entscheiden Gremien

Man braucht sich nur die Gedanken von Prof. Schwarzenberg anzuschauen, der Mitglied des Europäischen Parlamentes ist, um zu wissen, wo dies alles hinführt. Er betrachtet ja auch schon den Menschen nur mehr als einen Gegenstand, auch wenn er heute noch sagt, dass der Kranke selbst erklären muss, ob er umgebracht werden will oder nicht.

Ich habe den Hintergrund dieser Politik verfolgt. Ich bin der Überzeugung, dass, ist die Euthanasie erst einmal eingeführt, sehr bald ein Gremium gebildet wird, welches dann über Leben und Tod entscheidet. Wir werden dann langsam und sicher zu jener Vernichtung des so genannten lebensunwürdigen Lebens kommen, die eben am Anfang dieser letzten Phase unserer Entwicklung im Dritten Reich durchgeführt worden ist.

Und in diesem Sinne glaube ich, dass es unsere ganz wesentliche Aufgabe ist, für die Würde des Menschen zu kämpfen.

 

Christus im Zentrum

Ich bin in meinem Leben sehr viel in der Welt herumgekommen, und ich kann Ihnen nur sagen, allein schon unser Straßenbild zeigt, was unsere Zivilisation ist. Schauen Sie, wenn Sie aus Europa weggehen, was finden Sie in den Städten? Städte, die entweder durch Großbanken beherrscht sind oder durch irgendwelche Verwaltungssilos. Bei uns sind noch die Kathedralen im Zentrum, da ist noch die Seele und der Geist im Zentrum. Und das ist das Eigentliche, das wir hier zu verteidigen haben.

 

Christus allein ist Richter

Ich möchte hier Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen, ich weiß, dass Sie weiterarbeiten wollen, ich wollte nur diese Gedanken bei Ihnen lassen, denn für mich als Politiker ist dies das Zentralproblem. Wir müssen dem Menschen seine Würde als Geschöpf Gottes wieder zugestehen, und das ist die Problematik, in der Frage der Abtreibung genauso wie in der Frage der Euthanasie.

Und vielleicht ist es symbolisch, dass dieses Problem sich am Anfang und am Ende des Lebens zeigt, dass es sozusagen das ganze Leben umfasst. Schließlich wissen wir ja, der entscheidende Tag in unserem Leben ist doch der letzte Tag. Er ist und bleibt der Höhepunkt, denn da werden wir Rechenschaft ablegen über das, was wir getan haben. Solange wir leben, können wir immer wieder alles korrigieren. Der Tod allerdings ist endgültig, da haben wir alle einzeln Rechenschaft abzulegen, und darum ist es ja auch so wichtig, dass wir uns mit diesem Problem, gerade in der Perspektive des Lebens, gerade in der Perspektive der Aktualität befassen.

Wir sind zwar heute eine Minderheit in diesem Parlament, aber wir werden alles tun, um aus dieser Minderheit einmal eine Mehrheit zu machen. Jedenfalls werden wir alles tun, um zu verteidigen, was unser gemeinsames Ideal ist. Ich danke Ihnen.

 

05

Schweiz: Jedem zweiten Todesfall geht \'Sterbehilfe\' voraus

Erschreckende Zahlen präsentiert eine in mehreren Ländern der EU durchgeführte Studie, in der insgesamt 20.000 Ärzte befragt wurden.

 

Schweiz (www.kath.net) Jedem zweiten Todesfall in der Schweiz geht eine Form von Sterbehilfe voraus. Das ergab eine EU-Studie, die in Belgien, Dänemark, Holland, Italien und Schweden erstmals die Häufigkeit der Sterbehilfe-Formen untersuchte und insgesamt 20.000 Ärzte befragte. In 420 Fällen pro Jahr - ein Prozent aller Todesfälle - leisten Ärzte an Patienten aktive Sterbehilfe, die in der Schweiz illegal ist. 180 Patienten würden auf Verlangen und 240 ohne deren ausdrücklichen Wunsch getötet; oft gehe es nur um eine geringe Lebensverkürzung, meinte der Rechtsmediziner Walter Bär am Mittwoch laut Bericht im Tages-Anzeiger. In welchem dieser Fälle eine strafbare Handlung vorliege, könne nicht pauschal beurteilt werden.

In jedem vierten Fall - bei 28 Prozent - wird die sogenannte „passive Sterbehilfe“ praktiziert, bei der auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichtet wird. Die katholische Kirche sagt seit 50 Jahren, der Verzicht auf unnötig verlängernde Maßnahmen zur Lebensverlängerung, dieser Verzicht ist nicht nur erlaubt, sondern auch geboten, meinte der Theologe Christian Kiesling laut Bericht von Radio Vatikan. Wir haben heute eine über-technisierte Medizin, wir setzen so viele Maschinen in der Behandlung von kranken und sterbenden Menschen ein, dass wir einen Menschen, wenn es mit seinem Leben zu Ende geht, nicht in Ruhe sterben lassen.“ Erschreckend hoch sind auch die Zahlen bei der sogenannten Beihilfe zum Selbstmord, die in der Schweiz straffrei ist. 300 Fälle - 0,4 Prozent aller Todesfälle - soll es jährlich geben.

Quelle:  KATH.NET 20. 06. 2003

 

04

Behinderte - Opfer der Spaßgesellschaft

Abtreibungsdebatte. Eine Stellungnahme zu dem neuesten BGH-Urteil, das ein behindertes Kind zum "Schadensfall" erklärt.


Eugenik bereits gängige Praxis


Der Bundesgerichtshof hat am 18. Juni ein Urteil bestätigt, wonach eine Ärztin Unterhalt für ein schwer behindertes Kind zahlen muß, weil sie die Fehlbildungen während der Schwangerschaft nicht erkannte. Bei Kenntnis der Behinderung hätte sich die Mutter für einen rechtlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch entschieden.

Wer soll in dem Streitfall um den Schadenersatz für ein behindertes Kindes eigentlich "schuldig" gesprochen werden? Der Bundesgerichtshof wegen seiner Anwendung unseliger, aber geltender Gesetze? Die Eltern, die eine Möglichkeit sehen, benötigtes Geld für den Unterhalt ihres Kindes zu erhalten? Die Ärztin, die die Eltern nicht über die Schäden des Ungeborenen informierte, das schließlich schwerbehindert auf die Welt kam, anderenfalls aber abgetrieben worden wäre?

Es gab viele kluge Kommentare zu diesem Vorfall. Einige nehmen den BGH in Schutz und sagen, es handele sich um kein Grundsatzurteil zur Sache selbst, sondern nur um eine "juristische Kategorie des Arzthaftungsrechtes", also um keine Tatsachenfeststellung zur Menschenwürde.

Viele haben das Urteil scharf kritisiert, vor allem die Bundesärztekammer. Mit dieser Art Rechtsprechung werde indirekt die Abtreibung behinderter Kinder als Instrument propagiert. "Dieses Verständnis von Beliebigkeit menschlichen Lebens steht im krassen Gegensatz zum ärztlichen Berufsethos und den Wertvorstellungen einer humanen Gesellschaft", so BÄK-Präsident Hoppe.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Enquete-Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin, Hüppe, ist der gleichen Auffassung. Das Urteil diskriminiere alle Menschen mit Behinderungen und setze Ärzte einem Druck zur Selektion aus, der mit ärztlicher Standesethik nicht vereinbar sei. Denn der "Schadensfall Kind" hätte sich nur durch die vorgeburtliche Tötung des Kindes vermeiden lassen.

Alle diese Argumente sind vollkommen zutreffend, und dennoch fehlt etwas bei diesen plötzlichen Empörungen. Angesichts der Tatsache, daß schon jahrelang in voller Absicht und Überzeugung die Zuggeleise auf Konfrontationskurs gestellt sind bzw. dieses Tun untätig beobachtet wurde, darf man sich nicht wundern, wenn es eines Tages "kracht". Nicht nur die obersten Richter des BGH sind längst dem Zeitgeist verfallen. Schwerwiegender noch ist der Umstand, daß in der Abtreibungsgesetzgebung das Töten von Menschen zwar formell als Unrecht bezeichnet wurde, aber dennoch umfassend rechtlich geordnet und weitgehend sozialstaatlich gefördert wird. Wenn aber ein Unrecht wie Recht behandelt wird, hinterläßt das seine Spuren im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung, die durch genügenden Druck zuvor ein gut Stück selbst dazu beigetragen hat, daß diese Gesetze überhaupt von den Politikern akzeptiert und in Gesetze gegossen wurden.

Unser Grundgesetz ist längst zur Farce verkommen, wenn es die Interessen einzelner dem Lebensrecht und -schutz aller vorzieht. Und es gibt wohl kein Thema im Deutschen Bundestag, das so hartnäckig gemieden wird wie das Thema Abtreibung. Selbst bei offensichtlichsten Fehlentwicklungen schauen die meisten angestrengt weg - man will es mit dem Wähler nicht verderben.

Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hatte 1995 die sogenannte "eugenische Indikation" abgeschafft, wonach ein behindertes Ungeborenes "nur" bis zur 22. Schwangerschaftswoche abgetrieben werden durfte. Das Wort "eugenische Indikation" diskriminiere die behinderten Menschen, hieß es. In unglaublicher Naivität feierten fast alle Beteiligten (politische, kirchliche und selbst Behindertenverbände) den Wegfall der "eugenischen Indikation", die nunmehr in die "medizinische Indikation" integriert wurde. Der "Preis" dafür war aber der eigentliche Dammbruch: Seither ist nämlich die Abtreibung in solchen Fällen - ohne Beratungspflicht - praktisch bis kurz vor der Niederkunft möglich!

Natürlich hat Ärztekammerpräsident Hoppe recht, wenn er beklagt, daß gerade das jüngste Urteil als Instrument zur Aussonderung behinderter Menschen "mißbraucht" würde. Hoppe weiß aber auch, daß wir schon lange in einem eugenisch geprägten Staat leben, in dem Schwerkranken die notwendigen Mittel verweigert werden und die Pränataldiagnostik nicht zum Wohle des Kindes, sondern zum Auffinden von Behinderungen, mit anschließendem Todesurteil, mißbraucht wird. Wir leben schon lange in einem eugenisch geprägten Staat, der nachweisbar sogar das Kindereuthanasieprogramm der Nazis (das übrigens von den Eltern gestoppt wurde) in den Schatten stellt. Er weiß, daß die Dämme längst gebrochen sind, ob bei "teuren Kranken" oder Ungeborenen. Und er weiß auch, daß dabei der Geldaspekt - oder soll man besser "Spareffekt" sagen? - eine immer wichtigere Rolle spielt.

Und auch Kardinal Meißner liegt richtig, wenn er moniert, das Grundgesetz sei bei den Richtern nicht mehr in guten Händen, weil sie das Recht nicht mehr zum Schutze der Schwächsten anwendeten. Natürlich diskriminiert das Urteil behinderte Menschen - so sie denn überhaupt noch geboren werden und ihre weitere Entwicklung überleben. Und das Urteil setzt besonders die Ärzteschaft, sofern sie dieses "Spielchen" denn mitspielt und sich ihm nicht von vornherein entzieht, einem noch größeren Druck zur Selektion aus.

Das naheliegende Druckmittel in diesem Fall ist das Arzthaftungsrecht. Ursprünglich gedacht, um bei Kunstfehlern und einer falschen Beratung Schäden zu regulieren, wird es nun wohl immer häufiger mißbraucht werden. So mancher Arzt wird wohl nun bei der geringsten diagnostischen Unsicherheit oder bei kleinstem Verdacht auf Unstimmigkeiten zum Schwangerschaftsabbruch raten.

Eugenik bereits gängige Praxis

Und nun? Die Karre ist gründlich in den Dreck gefahren, und es reicht nicht, Sonntagsreden zu halten, seine Empörung auszudrücken und sich dann wieder dem Tagesgeschäft zuzuwenden. Sollen wir wieder einmal an die Menschenwürde und die Heiligkeit menschlichen Lebens erinnern? Sollen wir zum zigsten Mal detailliert nachweisen, welche Art Dammbruch sich aus der Abtreibungsdebatte der letzten Jahre entwickelt hat?

Wir werden dies nicht tun. Jedem ist die Gabe des Nachdenkens gegeben, und jeder kann sich, sofern er es will, selbst aus dem Zustand der Lethargie wachrütteln. In Deutschland wird ganz offen oder verdeckt Eugenik betrieben - und das ganze Land schläft. Ist das eine Welt, in der man weiter ungerührt leben, seinen Kindern Werte vermitteln und selbst alt werden will?

Die meisten werden sich in die Brust werfen und sagen, damit haben wir nichts am Hut, wir bringen niemanden um. Dann vielleicht etwas Persönlicheres: Versetzen Sie sich einmal in die (nicht erfundene) Situation, wo Ihnen Ihr Arzt die Diagnose eröffnet und in den allerersten Worten sagt: "Sagen Sie niemandem, daß Sie an dieser Krankheit leiden. Dafür wurden Menschen bei den Nazis umgebracht. Viele Leute denken leider heute immer noch so."

Könnten Sie das jemals vergessen, würde Sie das "kalt" lassen? Niemand sollte denken, bei dem jüngsten BGH-Urteil gehe es doch "nur" um Ungeborene? Ja, es geht dort um Ungeborene, doch der Geist dieses Urteils war bereits im BGH-Grundsatzurteil vom 13.9.94 angelegt, demzufolge erstmals lebenserhaltende Maßnahmen auch bei Nichtsterbenden eingestellt werden durften. Im damaligen Fall ging es um eine komakranke Frau, der die Nahrung verweigert werden sollte.

Wir kommentierten damals in unserem Offenen Brief Nie wieder Euthanasie!: "Die Zeiten, in denen aufgrund der Euthanasiegreuel der Nazis noch öffentlich Zurückhaltung geübt wurde, scheinen vorbei zu sein."

Wir sollten leider recht behalten. Heute gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder man lenkt sich irgendwie ab und hofft, daß am nächsten Morgen "schon alles anders aussieht" und "nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird"; oder man setzt sich mit der ganzen Frage Euthanasie und Menschenwürde noch einmal grundsätzlich auseinander. Setzen Sie sich an den Computer und lesen Sie auf unserer Internetseite club-of-life.de, was wir in den letzten Jahren zu diesem Thema gesagt haben!

Wenn Ihr Gewissen nicht vollkommen ein Opfer der Spaßgesellschaft geworden ist und Sie die Entwicklung der letzten fünf Jahre auch nur ein wenig verfolgt haben, muß hier nicht länger erklärt werden, warum Abtreibung oder Euthanasie dem Menschen höchst unwürdig sind, sich gegenseitig bedingen und immer neue und abstrusere Formen der Mißachtung der Menschenwürde nach sich ziehen.

An diese Menschen wenden wir uns. Wer es tatsächlich ernst meint, wird spätestens jetzt gegen diese Barbarei aufstehen und geeignete Schritte unternehmen, daß das BGH-Urteil in der Gesellschaft zumindest folgenlos bleibt. Die ärztliche Verweigerung am Kranken- oder Untersuchungsbett, das Gespräch mit den Eltern, die Forderung der Lobbyverbände nach ausreichender Unterstützung von finanziell und kräftemäßig überforderten Eltern, die Erleichterung der Adoption - auch von solchen Adoptionseltern, die sich zutrauen, selbst schwerbehinderte Kinder großzuziehen - all dies wird mehr bewirken als nur wortreiche Proteste. Und daß der Paragraph 218 dringend wieder aufgerollt werden muß, ist eine Binsenweisheit. Dazu braucht es den Willen der Bevölkerung - Ihren Willen. Mit der nötigen Ernsthaftigkeit wird dabei der Blick auf die Schöpfung, den Menschen und den Staat grundsätzlich neu ausfallen.

Jutta Dinkermann

 

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Die Euthanasie-Debatte rollt an

 

Der Nationale Ethikrat streitet über die Zulassung „aktiver Sterbehehilfe“. Forderungen nach einer Auseinandersetzung mit den Sterbehilferegelungen anderer Länder werden immer lauter. Doch eine jüngst veröffentlichte Studie präsentiert erstmals Zahlen und Fakten der Euthanasieproblematik im internationalen Vergleich. Die Ergebnisse sind erschreckend und aufschlussreich.

Eine Legalisierung der so genannten „aktiv en Sterbehilfe“ soll nach dem Willen ihrer Befürworter einen Beitrag zu mehr Selbstbestimmung am Lebensende leisten. Dies war jedenfalls das Leitmotiv der Gesetzgebungsakte in den Niederlanden (2001) und Belgien (2002). Auf diese beiden Länder verwies kürzlich auch die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Meo-Micaela Hahne, als sie sich in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – vorsichtig – eine „Auseinandersetzung mit Sterbehilferegelungen in anderen europäischen Ländern“ wünschte. Noch wesentlich direkter forderte der Philosoph Volker Gerhardt auf einer Sitzung des Nationalen Ethikrates vor zwei Wochen die gesetzliche Zulassung der aktiven Sterbehilfe (siehe DT vom 29. Juli).

„Sterbehilfegesetze“ als Königsweg?

Dass liberale „ Sterbehilfe“-Regelungen nicht notwendigerweise die Achtung vor sterben den Menschen fördern, zeigen neueste Untersuchungsergebnisse im europäischen Vergleich. Länder mit freizügigen Regelungen wie Belgien, Holland und die Schweiz weisen einen durchaus hohen Anteil an Patiententötungen ohne deren explizite Einwilligung auf. Dieser Befund stützt sich auf ein internationales Forschungsprojekt, an dem fünf EU-Länder (Belgien, Dänemark, Italien, die Niederlande, Schweden) sowie die Schweiz beteiligt sind. Es trägt den offiziellen Titel: „Medizinische Entscheid ungen am Lebensende: Einstellungen und Praktiken in sechs europäischen Ländern“, kurz: EURELD-Projekt („European End-of-Life Decisions Proje ct“). Die Initiative zu dem Projekt, das innerhalb des 5. Rahmenprogramms der Europäischen Union durchgeführt wurde, kam aus den Niederlande n; in Rotterdam befindet sich auch das Koordinationszentrum. Verantwortlich für das Unternehmen zeichnet ein 16-köpfiges Konsortium von Wissenschaftlern aus den beteiligten sechs Staaten. Die Untersuchung glied ert sich in zwei Teile: die „Todesfallstudie“ und die „Ärztestudie“. Erstere wurde im Jahr 2001 durchgeführt und ermittelte – streng quantit ativ – Häufigkeit und Hauptmerkmale der angewandten Sterbehilfemaßnahmen. Die Datenerhebung der Studie 2, also der Ärztestudie, erfolgte 20 02 und befragte Fachärzte anhand konkreter Fallbeispiele nach ihrer Einstellung zu verschiedenen Formen der Sterbehilfe. Allen Befragten wurde strikte Anonymität zugesichert.

Erste Ergebnisse des Projekts konnte kürzlich die in London erscheinende Fachzeitschrift „The Lancet“, die in Medizinerkreisen hohes Ansehen genießt, der Öffentlichkeit präsentieren. Es handelt sich dabei um die Auswertung der Todesfallstudie. Deren Hauptaugenmerk gilt zum einen der Häufigkeit der einzelnen Form n der „Sterbehilfe“ und zum anderen der Frage, inwieweit die Betroffenen in den Entscheidungsprozess einbezogen wurden. Die Bezeichnung „medizinische Entscheidungen am Lebensende“ dient als Oberbegriff für fünf verschiedene Typen ärztlicher Maßnahmen: Euthanasie (Tötung auf ausdrückliches Verlangen des Patienten); ärztlich assistierter Suizid; Lebensbeendigung ohne ausdrückliche Einwilligung des Patienten; Schmerzbehandlung mit möglicher lebensverkürzender Wirkung; Behandlungsverzicht beziehungsweise -abbruch. Diese Terminologie folgt den niederländisch en Definitionen und vermeidet die sonst gebräuchliche Begrifflichkeit von aktiver und passiver, direkter und indirekter Sterbehilfe.

„Die Vermeidung von konkreten Begriffen ist notwendig, damit die Befragten keine moralischen Vorentscheide treffen, ohne diese darlegen zu könne n“, erläutert Karin Faisst vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Zürich, das zusammen mit dem Institut für Rechtsmedizin für die Durchführung der Untersuchung in der Schweiz verantwortlich ist.

Die enorm angewachsenen Möglichkeiten der Lebensverlängerung, über welche die Medizin heute verfügt, erfordern in einer Vielzahl von Fällen eine bewusste Entscheidung für das Lebensende eines terminalkranken Patienten. Die Häufigkeit solcher medizinischer Entscheidungen variierte laut EURELD-Studie zwischen 23 Prozent aller Todesfälle in Italien und 51 Prozent in der Schweiz. Im Einzelnen zeigten sich starke Schwankungen bei Therapieverzicht bzw. -abbruch („passive Sterbehilfe“): Diese Art medizinischer Entscheidung war vier Prozent der Sterbefälle in Italien vorausgegangen, während es sich in der Schweiz um 28 Prozent handelte. Bei den Todesfällen nach einer Schmerzbehandlung mit möglicher lebensverkürzender Wirkung („indirekte Sterbehilfe“) unterschieden sich die einzelnen Länder weniger stark: zwischen 19 Prozent in Italien u nd 26 Prozent in Dänemark.

 

„Aktive Sterbehilfe“ in allen Ländern

Besondere Aufmerksamkeit kommt hinsichtlich der aktuellen Sterbehilfedebatte der Kategorie „medizinisch assistiertes Sterben“ zu, mit anderen Worten „aktive Sterbehilfe“. Hier stehen die Niederlande an der Spitze mit 3,4 Prozent aller Todesfälle, gefolgt von Belgien (1,82 Prozent ) und der Schweiz (1,04 Prozent); das Ende der Skala bildet Italien (0 ,1 Prozent). „Aktive Sterbehilfe“ wird also in allen europäischen Ländern geleistet, auch wenn sie in den meisten Ländern gesetzlich verboten ist. Zum Zeitpunkt der Befragung (2001) war das niederländische Euthanasiegesetz bereits verabschiedet, aber noch nicht in Kraft getreten; Euthanasie wurde allerdings schon seit Jahren unter analogen Bedingungen toleriert. In Belgien zeichnete sich die gesetzliche Liberalisierung zu dieser Zeit bereits ab. In der Schweiz ist die Tötung auf Verlangen zwar strafbar, Beihilfe zum Suizid ist hingegen seit 1942 legal – diese Rechtslage bietet die Grundlage für das starke Engagement so genannter „Sterbehilfeorganisationen“ in der Schweiz (erst neuerdings verpflichtet eine Richtlinie der Schweizer Akademie für Medizinische Wissenschaften auch Ärzte zur Mitwirkung an der Suizidbeihilfe).

Die Kategorie des medizinisch assistierten Sterbens wird ihrerseits nochmals differenziert in Euthanasie, medizinisch assistierter Suizid und Lebensbeendigung ohne ausdrücklichen Wunsch. Euthanasie, das heißt Tötung a uf Verlangen, wird der EURELD-Studie zufolge am häufigsten in den Niederlanden praktiziert (2,59 Prozent aller Todesfälle), es folgen mit Ab stand Belgien (0,3 Prozent) und die Schweiz (0,27 Prozent); aus Schweden wurde kein einziger Fall gemeldet. Beim assistierten Suizid hingegen liegt die Schweiz mit 0,36 Prozent aller Todesfälle an der Spitze (i n 92 Prozent dieser Fälle war eine Sterbehilfeorganisation wie „Exit“, „Dignitas“ oder „Suizidbeihilfe“ beteiligt); kein einziger Fall wurde aus Schweden und Italien gemeldet.

Frappierend sind schließlich die Erkenntnisse über die Tötung nicht einwilligungsfähiger Patienten: Diese Art der „Sterbehilfe“ wurde bei 1,5 Prozent aller Todesfälle in Belgien praktiziert, bei 0,67 Prozent in Dänemark, bei 0,6 Prozent in den Niederlanden, bei 0,42 Prozent in der Schweiz, bei 0,23 Prozent in Schweden und bei 0,06 Prozent in Italien. Ein Vergleich zeigt, dass in den untersuchten Ländern die Tötung ohne Einwilligung häufiger praktiziert wird als die Tötung auf Verlangen (eine Ausnahme bilden allein die Niederlande)! Diese Zahlen unterstreichen einerseits, dass in Sachen Patientenautonomie europaweit Nachholbedarf besteht. Weiterhin widerspricht der hohe Anteil nichtfreiwilliger Patiententötungen auch in jenen Ländern, die sich einen freizügigen Umgang mit der aktiven Sterbehilfe angewöhnt haben, diametral der Behauptung, dass eine liberalere Regelung notwendigerweise zu einem „selbstbestimmten Lebensende“ beitrage.

Interessante Einblicke gewährt die Studie schließlich in die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Zunächst betreffen medizinische Entscheidungen am Lebensende in ihrer Gesamtheit häufiger entscheidungsunfähige Patienten als entscheidungsfähige – dies gilt ausnahmslos für alle untersuchten Länder. In Ländern wie Schweden oder Italien trifft der Arzt medizinische Entscheidungen in mehr als der Hälfte der Fälle , ohne sie mit dem Patienten oder seinen Angehörigen zu besprechen; dies betrifft einwilligungsfähige wie nicht einwilligungsfähige Patienten gleichermaßen. In Ländern, die eine höhere Rate an medizinischen Entscheidungen am Lebensende aufweisen (die Niederlande, die Schweiz), werden Patienten und Verwandte insgesamt offenbar stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen.

 

Beliebte Behauptungen werden endgültig widerlegt

Insgesamt strebte die länderübergreifende Todesfallstudie eine Untersuchung von 30000 Todesfällen an. Die Antwortquote aus den einzelnen Ländern betrug zwischen 75 Prozent (Niederlande) und 44 Prozent (Italien), so dass letztlich 20480 Fälle untersucht werden konnten. Nicht alle Länder konnten flächendeckend untersucht werden: In Belgien beschränkte sich die Untersuchung auf Flandern, in der Schweiz auf den deutschsprachigen Teil, in Italien auf vier Regionen. Die Autoren sind dennoch überzeugt, mit ihrer Studie verlässliche Daten zur Situation der Sterbehilfe in den betreffenden Ländern zu liefern; die teilweise geringen Rücksenderaten und regionalen Beschränkungen könnten allerdings – auch nach Ansicht der Autoren – die Ergebnisse beeinträchtigt haben. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob sich alle Ärzte (trotz Zusicherung der Anonymität) zu ihrem Verhalten bekannt haben – was etwa das „Deutsche Ärzteblatt“ bezweifelt.

Die vorliegende Studie präsentiert erstmals Zahlen und Fakten der Euthanasieproblematik im internationalen Vergleich und dürfte damit Anstöße für die weitere Debatte liefern. An dieser Untersuchung lässt sich ablesen, dass in Sachen Patientenautonomie noch immer großer Nachholbedarf besteht. Sie widerlegt sodann die Behauptung, liberale Sterbehilfegesetze eigneten sich als Königsweg zu einem „selbstbestimmten Sterben“.

Man wird auf die Auswertung von Teil 2 des Projekts gespannt sein dürfen; die Ergebnisse der „Ärztestudie“ werden voraussichtlich gegen Ende des Jahres publiziert werd en. Diese soll Aufschluss über Werteinstellungen und Verhaltensabsichten von Ärzten im Umgang mit Sterbenden geben; auch die Rolle der Religion ist ein Aspekt der Untersuchung.

 

Im Internet kann Teil 1 der EURELD-Studie unter „http://image.thelancet.com/extras/03art3298web.pdf“ abgerufen werden.

 

Quelle:  "Die Tagespost" 9.8.2003

von Guntram Förster

02

Bahn frei für den Mord an lebensunwürdigen Behinderten

 

Angeblich arbeitet die niederländische Justiz gegenwärtig daran, die Tötung von behinderten Babys zu legalisieren. Im Zuge einer Gesetzesnovelle wird deshalb auch deren Spätabtreibung erlaubt werden.

(kreuz.net, Den Haag) In den Niederlanden soll ein Gesetz zur Tötung lebensunwerter Babys in Arbeit sein. Dies berichtete die niederländische Tageszeitung ‘NRC Handelsblad’ am gestrigen Dienstag.

Damit wird ein Antrag von niederländischen Todesärzten vom März diesen Jahres in die Tat umgesetzt.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, Babys, die an einer unheilbaren oder – wörtlich – „unerträglichen“ Krankheit leiden, legal auszumerzen.

Zwischen einem ungeborenen und geborenen Kind wird dabei kein Unterschied mehr gemacht: Auch die Kinderabtreibung nach der 24. Woche soll im Zuge der Novelle erlaubt sein, wenn ein passendes Krankheitsbild vorliegt.

Todesärzte aus der nordniederländischen Stadt Groningen stellten den Antrag auf legale Kindstötung Mitte März,
nachdem sie bekannt gemacht hatten, die Hilflosentötung schon seit geraumer Zeit ohne entsprechende rechtliche Deckung an neugeborenen behinderten Kindern durchzuführen.

Die Todesärzte verlangen in ihrer Petition an das Parlament einen „ehrlichen Umgang“ mit den „unerträglichen“ Leiden behinderter Neugeborener. Diese Kinder hätten keine Hoffnung auf eine Zukunft.

Qualvolle Leiden würden auf sie zukommen, schreiben die Ärzte beschwörend.

Die Petition fordert, die Ermordung lebensunwürdiger Kinder zu legalisieren. Deren Eliminierung soll künftig nicht mehr der Justiz, sondern einer Kommission aus Kinderärzten, Gynäkologen und Richtern gemeldet werden müssen.

Laut dem „NRC Handelsblad“ gestanden die Kindertöter von Groningen die Ermordung von 22 behinderten Neugeborenen zwischen den Jahren 1997 und 2004 ein. Es wurde nicht klar, wegen welcher Krankheitsbilder diese Säuglinge nachgeburtlich entsorgt wurden.

Von rechtlichen Maßnahmen gegen die Groninger Kindertöter durch die niederländische Justiz wurde bis dato nichts bekannt.

Kritiker der Vorlage, stellen klar, daß es eine Frage der Zeit sei, bis ein mit Hasenscharte geborenes Kind aufgrund des zukünftigen niederländischen Euthanasiegesetzes von Todesärzten ausgemerzt wird.

Schon jetzt zählt die Hasenscharte in vielen Ländern zu jenen Behinderungen, welche die Abtreibung eines Kindes rechtfertigen.

Quelle: kreuz.net 21.09.2005

 

 

 

Unklares Recht rächt sich

Von Georg Paul Hefty
 

21. Oktober 2005 Wann, wenn nicht in den Verhandlungen über die Bildung einer Regierungskoalition, können Politiker Grundsätzliches klären und Beschlüsse fassen, die wenigstens bis zum Ende der Wahlperiode ihre Verbindlichkeit behalten sollen? Nicht nur eine Möglichkeit, sondern geradezu eine Pflicht ist die Klärung von Grundsatzfragen im Falle einer großen Koalition, deren Mehrheit so dominant ist, daß sie aus eigener Kraft sogar die Verfassung ändern kann. Da gibt es keine Ausflüchte für das Nichterledigen von Aufgaben: Am Ende der Legislaturperiode wird die Republik so aussehen, wie die beiden großen Volksparteien sie - eingestandener- oder uneingestandenermaßen - haben wollen oder wie sie diese zu gestalten fähig sind.


In der Arbeitsgruppe Justiz, die im Namen der Union von dem Innenpolitiker Bosbach und im Auftrag der SPD von der amtierenden und wohl auch künftigen Bundesjustizministerin Zypries geleitet wird, müssen daher auch Festlegungen zur Sterbehilfe im weitesten Sinne des Wortes vorbereitet und dann von den Führungen der beiden Parteien getroffen werden. Das Vorpreschen des Hamburger Justizsenators Kusch (CDU) hat gezeigt, daß jede bundespolitische Unentschlossenheit, und sei sie wegen des Übergangs von einer Wahlperiode in die nächste lediglich formaler Natur, von verschiedenen Kräften genutzt wird, um Stimmung für einschneidende gesellschaftliche und letztlich (verfassungs)rechtliche Veränderungen zu machen. Diesmal ist es der Ruf nach der Zulassung aktiver Sterbehilfe - die Debatte über das Für und Wider der passiven Sterbehilfe scheint damit schon abgeschlossen, weil überholt zu sein. Dabei ist die rechtliche Verbindlichkeit von Patientenverfügungen mit der Aussage: "Ich möchte nicht endlos künstlich am Leben gehalten werden" bisher noch gar nicht geregelt. Jetzt geht es bereits um Patientenverfügungen mit dem Wortlaut: "Ich möchte bei Schmerzen, die ich oder meine Umgebung nicht ertragen kann, getötet werden."

Doch die Forderung des Justizsenators, den noch niemand gefragt hat, ob er sie mit seinem Ersten Bürgermeister von Beust (CDU) abgesprochen hatte, ist zielgenauer. Im Unterschied zu den Bürgern, die laut einer Blitzumfrage, bei der nicht nur die Fragen, sondern auch die Antworten schnell vonstatten gehen, zu 74 Prozent die aktive Sterbehilfe einfach bejahen, weiß der Justizpolitiker, daß es mit der Nachsicht des Staates für "Tötungen auf Verlangen" nicht getan ist. Der Rechtsstaat könnte einen von ihm legalisierten Anspruch auf aktive Sterbehilfe nicht mit dem Hinweis abschließen, das übrige regele der Markt. Sollen nicht die ganze Moral des Staates verlottern und damit Verfassung samt Strafrecht abgewertet werden, dann dürfte er die Patienten mit ihren Todeswünschen nicht einzelnen ambulanten "Erlösern" oder kommerzialisierten Spezialkliniken überlassen. Der gesellschaftliche Prozeß, der vor drei Jahrzehnten mit den Anzeigen "Mein Bauch gehört mir" angefangen und von den verschiedensten Gruppen aus Gründen der politischen Beliebtheit oder auch des finanziellen Gewinns vorangetrieben und dann zwar gesetzgeberisch kanalisiert wurde, aber das Rechtsempfinden unwiederbringlich verändert hat, darf sich nicht zu Lasten einer neuen Art von vermeintlich lebensunwertem Leben wiederholen.

Die damalige Rechtsverunklarung ("rechtswidrig, aber straffrei") droht sich jetzt fortzusetzen - oder zu rächen, wenn man so will. Kusch sagt: "Bei der Abtreibung wird das Rechtsgut Leben des Kindes unter bestimmten Bedingungen dem Rechtsgut der Autonomie der Schwangeren untergeordnet. Nichts anderes möchte ich bei der Änderung der Tötung auf Verlangen auch einführen." Im Fall der Abtreibung ist der Sieger der Rechtsgüterabwägung jedoch der Überlebende - bei der aktiven Sterbehilfe wäre es bei vordergründiger Betrachtung hingegen der Tote. Auch gibt es bei der Sterbehilfe eigentlich keine "Mutter" - oder doch? Es ist zumindest kein allzu großer Gedankensprung, in dieser Rechtsposition die bis an die Unerträglichkeit belasteten Verwandten und - wenn sich das Generationenverhältnis endgültig verkehrt haben sollte - die ganze Gesellschaft einschließlich der Kranken- und Pflegekassen zu sehen. Die Tötung von Nichtsterbewilligen in den Niederlanden durch Kommissionsbeschluß ist an der Wirklichkeit der beratenen Fristenregelung näher dran, als es der ganzen deutschen Gesellschaft lieb ist.

Kusch irrt auch dort, wo er die einfache Veränderung des Paragraphen 216 anstrebt. Ein geordnetes Verfahren der aktiven Sterbehilfe durch den Arzt - und die ist es doch, welche einzelne Patienten sich vermutlich vorstellen - bedürfte mindestens so vieler strafrechtlicher Einzelregelungen wie die Paragraphen 218 a, b, c sowie 219 und 219 a zusammen. Was unter dem Stichwort "Selbstbestimmung des Patienten" verkündet wird, ist nämlich nichts anderes, als die Inpflichtnahme des ärztlichen Berufsstandes - aus der Sicht der meisten Angehörigen dieses Berufes sogar eine Pervertierung ihrer Profession.

Die Verhandlungsführer der beiden Koalitionspartner müssen wägen, ob sie das Recht auf diese schiefe Ebene schieben wollen, auf der es - wie die Beispiele der Niederlande und Belgiens vorführen - kein Halten mehr zu geben scheint. Bei genauer Prüfung wird sich zeigen, daß es keinen wirklichen Grund gibt, die europäische und globale Rechtstradition aufzugeben, schon deswegen nicht, weil diese in ihrer Verweigerung von Tötungslizenzen den einzig möglichen Weg beschritten hat, die Würde und Gleichwertigkeit der Personen unabhängig von ihrem Gesundheitszustand zu garantieren.

Die künftige Bundesregierung wird sich in ihrem Regierungsprogramm zu diesem Thema erklären und die folgenden Jahre daran festhalten müssen. Sie darf nicht der Versuchung erliegen, wegen der geringen Aussichten auf eine Besserung der Wirtschaftslage und auf eine Bewältigung der finanziellen Lasten schließlich auf das Feld der "kostenlosen" Gesellschaftsumwälzungen zu flüchten und dort auf Beifall zu setzen.

Quelle:  F.A.Z., 22.10.2005, Nr. 246 / Seite 1
 

 

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