Mehr als 60 zivilgesellschaftliche Organisationen,
so schrieb die
taz am 4.2., hätten
sich an die Vereinten Nationen gewandt, um darauf
aufmerksam zu machen, dass sich die Versorgungslage
für Frauen in Deutschland im Hinblick auf
Abtreibungen verschlechtert habe. Diese
Organisationen unterstützten, so hieß es, einen
Bericht der „German Alliance for Choice“ an das UN
Frauenrechtskomitee (#CEDAW). Nun berichtet die taz
vom erfolgreichen Vorgehen dieser „Alliance“ –
nichts anderes war zu erwarten. Es gab, so nun der
Bericht der
taz vom 2.3.2020,
einen „blauen Brief“ für Deutschland. Da die #ALfA
in dem Bericht namentlich erwähnt wird, hier eine
Stellungnahme dazu.
Zunächst: die über 60
Organisationen, die den Bericht unterstützen, sind
teils regionale Untergruppen größerer Verbände.
Allein Pro Familia taucht sowohl als Bundesverband
als auch als Landesverbände insgesamt fünfmal als
Unterstützer auf, Medical Students for Choice
immerhin viermal für einzelne Städte. Gleich
sechsmal ist auch der Landesfrauenrat vertreten,
ebenso wie Organisationen, die auf den ersten Blick
mit Frauengesundheit wenig zu tun haben – wie
beispielsweise der DGB (dreimal vertreten:
Bundesverband, Thüringen und Mittelhessen) oder das
Hamburger Frauenbildungszentrum DenkTräume. Warum
auch „Omas gegen Rechts“ eine bessere Versorgung mit
Abtreibungsärzten fordern, bleibt ihr Geheimnis.
Nicht vertreten sind dagegen der Berufsverband der
Deutschen Frauenärzte oder die Deutsche Gesellschaft
für Gynäkologie.
Dann: der Bericht
bemängelt eine schlechte Versorgung mit
Abtreibungseinrichtungen, insbesondere im ländlichen
Raum und in katholischen Gegenden. Mit diesen Worten
wird er auch von der #taz zitiert. Das sei ein
Problem für die Frauengesundheit, denn Frauen
müssten jetzt teils bis zu 100 km fahren, um ihr
Kind #abtreiben lassen zu können. Diese Kritik ist
ziemlich entlarvend, denn sie blendet die
Gesamtsituation der Ärzteversorgung in Deutschland
vollständig aus. Seit Jahren gibt es einen
Ärztemangel in Deutschland, vor allem auch im
ländlichen Bereich. Hiervon sind nicht nur Frauen
betroffen, die abtreiben wollen, sondern die
Gesamtbevölkerung. Ebenfalls seit Jahren werden
gehäuft geburtshilfliche Einrichtungen geschlossen:
Gab es 1991 noch 1186 Krankenhäuser mit
Geburtshilfe, waren es 2017 nur noch 672. Dies
bedeutet einen
Rückgang um rund 40 Prozent.
Die Geburtshilfen sind chronisch unterfinanziert,
Hebammen kümmern sich teils um bis zu fünf Gebärende
gleichzeitig. Während eine Geburt zeitlich nicht
planbar ist und eine hochschwangere Frau mit
einsetzenden Wehen deutlich mehr Probleme hat, eine
weite Strecke bis zum nächsten Kreißsaal zurück zu
legen, ist das für eine abtreibungswillige Frau im
ersten Schwangerschaftsdrittel zwar etwas
unangenehm, aber nicht wirklich ein Problem – zumal
mittlerweile auch die
Abtreibungspille Mifegyne
im Internet bestellt werden kann. Die von der
Bundesärztekammer geführte und monatlich
aktualisierte Liste, in der sich mit dem Gedanken an
eine Abtreibung tragende Schwangere darüber
informieren können sollen, wer in ihrer Umgebung
vorgeburtliche Kindstötungen durchführt, wächst
weiter. Anfang Februar verzeichnete die Liste, die
mittlerweile 63 Seiten umfasst, 315 Praxen, Kliniken
und Einrichtungen, in denen Ärzte Abtreibungen
vornehmen. Wenn 612 Geburtshilfen pro Jahr ca.
700.000 Kinder auf die Welt bringen, sollten da
nicht 315 Abtreibungseinrichtungen in der Lage sein,
die ca. 100.000 abtreibungswilligen Frauen pro Jahr
zu versorgen?
Diese Zahlen belegen sehr
deutlich, dass es den Berichterstatterinnen nicht um
die Frauengesundheit geht, sondern um ein Recht
darauf, jederzeit und uneingeschränkt ungeborene
Kinder töten zu können. Hierfür müssten auch
städtische Klininken verpflichtet werden,
Abtreibungen in ihr Angebot mit aufzunehmen. Die
Berichterstatterinnen sind Marion Böker, die
Geschichte studiert hat und in Berlin ein
Beratungsunternehmen für Menschenrechtsfragen
unterhält, die Allgemeinärztin Christiane von Rauch
aus Frankfurt, die wegen unerlaubter Werbung für
Abtreibung angezeigt wurde, Anke Valeria Neufeld,
Studentin an der Philips-Universität Marburg,
Stephanie Schlitt, Mitglied im Vorstand der Pro
Familia, Ines Thonke, Ärztin beim Bundesverband der
Pro Familia und Heike Spohr, Mediatorin und
Gründerin des Gießener Aktionsbündnis Pro Choice.
Unter den Berichterstatterinnen ist somit keine
einzige Fachärztin für Frauenheilkunde vertreten,
die in ihrer täglichen Praxis mit tatsächlichen
Fragen der Frauengesundheit zu tun hätten. Wo genau
die Expertise der Berichterstatterinnen
beispielsweise im Bereich „evidence based medicine“
liegt, bleibt rätselhaft: medizinische
Fachpublikationen, die sie zu verantworten hätten,
sind nicht zu finden. Research Gate als
Wissenschaftsportal ergibt für keine der Damen einen
Treffer.
Der Bericht enthält
dagegen die üblichen Fehler (Kristina Hänel ist
nicht promoviert, §219 verbietet nicht die
Information, sondern die Werbung für Abtreibungen,
Beter vor Abtreibungseinrichtungen belästigen nicht,
sondern beten, Ärzte lassen sich sehr bereitwillig
in die Liste der BZgA mit den Namen der
Abtreibungseinrichtungen aufnehmen, usw.). Aus der
Tatsache, dass in Deutschland nach wie vor viele
Abtreibungen vor der 12. Woche per Curettage und
nicht medikamentös durchgeführt werden, schließen
die Berichterstatterinnen, hier gäbe es zu wenig
Wahlfreiheit für Frauen – weil die Ärzte ungenügend
ausgebildet sind, da ja in Deutschland nur Bayern
verlange, dass Abtreibungen von Fachärzten für
Gynäkologie ausgeführt würden. Wieso dann
ausgerechnet in Bayern mit Friedrich Stapf, Arzt
ohne jegliche Facharztqualifikation, Deutschlands
profiliertester und fleißigster Abtreibungsarzt
tätig sein darf, erschließt sich dem Leser des
Berichts nicht.
Man kann also getrost davon
ausgehen, dass es sich hier um Aktivistinnen
handelt, die nun über die UN versuchen, Druck auf
die Bundesregierung auszuüben um sowohl den §219a
als auch den §218 zu kippen. Dabei gerät auch die
ALfA ins Visier der Berichterstatterinnen – weil sie
Unterrichtsmaterial für Schulen zur Verfügung
stellt, mit denen Schülerinnen und Schülern ein
Bewusstsein für das Lebensrecht ungeborener Kinder
vermittelt werden soll: „The school curricula set a
framework, but the concrete content of the lessons
is defined by teachers and the material they choose
for the class. There is an increasing amount of
“educational material” on the internet, which is
provided for free to teachers to promote the so
called “right to life of the unborn” by (certain)
associations like Aktion Lebensrecht für Alle e.V.“
(S. 7) (Die Schulcurricula legen den Rahmen
fest, aber der konkrete Inhalt der Stunden wird von
den Lehrern und dem Material bestimmt, dass sie für
ihre Klasse aussuchen. Es gibt vermehrt
Unterrichtsmaterial im Internet von bestimmten
Organisationen wie der Aktion Lebensrecht für Alle
e.V., das Lehrern umsonst zur Verfügung gestellt
wird, um ein sogenanntes „Recht auf Leben des
ungeborenen Kindes“ zu bewerben.) Dieses „Recht
auf Leben des ungeborenen Kindes“ ist das
eigentliche Angriffsziel der Berichterstatterinnen.
Es wird schlicht geleugnet.
Das Bundesverfassungsgericht hat dagegen
ausdrücklich festgestellt: „Diese Würde des
Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im
Dasein um seiner selbst willen. Es zu achten und
zu schützen bedingt, dass die Rechtsordnung die
rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im
Sinne eines eigenen Lebensrechts des Ungeborenen
gewährleistet (vgl. auch BVerfGE 39, 1 [37]).
Dieses Lebensrecht, das nicht erst durch die
Annahme seitens der Mutter begründet wird,
sondern dem Ungeborenen schon aufgrund seiner
Existenz zusteht, ist das elementare und
unveräußerliche Recht, das von der Würde des
Menschen ausgeht; es gilt unabhängig von
bestimmten religiösen oder philosophischen
Überzeugungen, über die der Rechtsordnung eines
religiös-weltanschaulich neutralen Staates kein
Urteil zusteht.“
Die ALfA leistet mit ihren Unterrichtsmaterialien
„Schwanger mit 16?“ einen wichtigen Beitrag dazu,
dieses Verständnis von der Würde des Menschen, das
unserer Rechtsordnung zugrunde liegt, gerade jungen
Menschen zu vermitteln.
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