Im Jahre 1973 wurde Homosexualität von der American
Psychiatric Association (APA) aus ihrem Katalog psychischer Störungen
gestrichen, 1992 auch von der Weltgesundheitsorganisation aus dem
ICD-10 entfernt. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die
Kleine
Anfrage 16/8022 im Deutschen Bundestag erklärt, sie sei weder der
Auffassung, dass Homosexualität einer Therapie bedarf, noch dass
Homosexualität einer Therapie zugänglich ist. Der amerikanische Bundesstaat
Kalifornien hat dergleichen Therapien vor wenigen Tagen mit dem Hinweis
verboten, "diese unwissenschaftlichen Praktiken" seien "endgültig in das
Reich der Quacksalberei zu verbannen."
Vorbemerkung des Sozialministers:
Die Hessische Landesregierung wendet sich gegen jede
Form von Diskriminierung. Sie verfolgt das Ziel, durch verschiedene
Maßnahmen einen nachhaltigen Beitrag gegen Diskriminierung und für konkrete
Verbesserungen der Lebenssituation homosexueller und transidenter Frauen und
Männer zu leisten und dauerhafte Grundlagen für ein vorurteils- und
diskriminierungsfreies Miteinander zu legen. Dabei geht es vor allem darum,
Sensibilität für die Unterschiedlichkeit der Lebensweisen zu entwickeln und
zu befördern. Die Hessische Landesregierung arbeitet konstruktiv und
partnerschaftlich an einem Abbau von Vorurteilsstrukturen, Ausgrenzung,
Diskriminierung und Gewalt.
Sie sieht sich aus ihrer politischen
Grundorientierung in der Verantwortung, die freie Entfaltung der
Persönlichkeit des Einzelnen zu fördern und für ein offenes,
diskriminierungsfreies und wertschätzendes Zusammenleben aller Menschen in
Hessen unabhängig von der sexuellen bzw. geschlechtlichen Identität zu
werben.
Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich
die Kleine Anfrage wie folgt:
Frage 1. Teilt sie die Beurteilung solcher
sog. Konversionstherapien, die die Bundesregierung
in o.a. Drucksache vorgenommen hat?
Die Hessische Landesregierung teilt die Beurteilung
der Bundesregierung zu so genannten "Konversions"- oder "Reparations"-Therapien
in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage Drucksache 16/8022 im Deutschen
Bundestag. Sexuelle bzw. geschlechtliche Identität ist ein Wesensmerkmal des
Menschen - es ist keine Wahlmöglichkeit. Homosexualität ist keine Krankheit
und bedarf entsprechend keiner Therapie zur Konversion.
Frage 2. Welche Stellungnahmen von
psychologischen und sexualwissenschaftlichen Fachorganisationen sind der
Landesregierung zur Behauptung, Homosexualität sei therapierbar, bekannt und
zu welchen Ergebnissen kommen diese Fachwissenschaftler und
Fachwissenschaftlerinnen?
In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachwelt
wird die Auffassung, dass Homosexualität als pathologisch zu beurteilende
Störung der psychosexuellen Entwicklung angesehen werden kann, nach Kenntnis
der Landesregierungabgelehnt.
Der Berufsverband der Deutschen Psychologinnen und
Psychologen vertritt die Auffassung, dass keine validen wissenschaftlich
fundierten Erkenntnisse über die erfolgreiche und dauerhafte Behandlung von
Homo- oder Bisexualität vorliegen. Eine Behandlung von Homo- und
Bisexualität mit dem Ziel von deren "Verlernung" und/oder "Abtrainierung"
verstoße demnach unter ande-rem gegen die Präambel der Ethischen Richtlinien
- z.B. der Achtung der Würde und Integrität des Individuums.
Der Berufsverband deutscher Fachärzte für
Psychiatrie und Psychotherapie vertritt die Meinung, dass Homosexualität
keine Krankheit ist, sondern eine häufige Form menschlichen Zusammenlebens,
und keiner Therapie bedarf. Diese Auffassungen teilt die Hessische
Landesregierung.
Frage 3. Welche Folgen können dergleichen
"Therapien" mit dem Ziel einer Änderung gleichgeschlechtlicher Empfindungen
insbesondere bei jungen Lesben und Schwulen in ihrer psychosozialen
Entwicklung auslösen?
Verschiedentlich wurde festgestellt, dass
"Konversions-" oder "Reparationstherapien" zu Ängsten, sozialer Isolation,
Depression bis hin zu Suizidalität führen.
Frage 4. Welche Angebote zur "Konversion"
bzw. "Heilung" homosexueller Menschen sind der Landesregierung in Hessen
bekannt?
Der Landesregierung sind insbesondere Angebote des
"Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft (DIJG)" zur "Heilung"
homosexueller Menschen bekannt.
Frage 5. In welcher Weise kommt die
Landesregierung ihrer Aufsichtspflicht bei diesen als "medizinisch" und
"wissenschaftlich" deklarierten Angeboten nach?
In diesem Bereich besteht keine Aufsichtspflicht.
Frage 6. Wie beurteilt die Landesregierung
vor diesem Hintergrund die entsprechenden Ange-bote des von der "Offensive
Junger Christen e.V." (OJC) getragenen und in Reichelsheim/Odenwald
ansässigen "Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft" (DIJG)" und
seiner Leiterin Dr. Christl Ruth V.?
Frage 7. Wie beurteilt die
Landesregierung, dass das DIJG Eltern auffordert, sich nicht mit der
Homosexualität ihrer Kinder abzufinden und eine "reparative Therapie"
empfiehlt (DIJG-Bulletin 10, Herbst 2005)?
Hierzu wird auf die Beantwortung zu den Fragen 1 und
2 verwiesen.
Frage 8. Hält es die Landesregierung vor
diesem Hintergrund für richtig, dass der Trägerver-ein des DIJG, die
"Offensive Junger Christen e.V." (OJC), jungen Menschen im Rahmen eines
Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) Plätze anbieten kann, die überdies aus
Landesmitteln bezuschusst werden?
Der Verein "Offensive Junger Christen e.V." gehört
zur Trägergruppe der evangelischen Kirche und ist damit laut § 10 des
Jugendfreiwilligen-dienstegesetzes (zuletzt novelliert 2008) ein geborener
Träger, der nicht durch die zuständige Landesbehörde zuzulassen ist. Somit
kann auch keine Zulas-sung durch die Landesregierung entzogen werden. Die
Landesregierung hat diese Anfrage zum Anlass genommen, Kontakt mit dem
Träger aufzunehmen, um zu klären, ob Werte, die das Deutsche Institut für
Jugend und Gesellschaft zu den Themen Homosexualität und Gleichberechtigung
der Geschlechter vermittelt, in die pädagogische Begleitung des Trägers
einfließen. Außerdem hat die Landesregierung das zuständige
Bundesministerium gebeten, den Ländern eine Liste aller aus ihrer Sicht als
geborene Träger zu betrachtende Vereinigungen inklusive ihrer
Untergliederungen zur Verfügung zu stellen. Bei der kommenden Sitzung der
Landesarbeitsgemeinschaft der Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres in
Hessen wird diskutiert werden, ob die Mindeststandards, auf deren Basis die
FSJ-Träger in Hessen arbeiten, ent-sprechend ergänzt werden müssen, um
gesellschaftliche Diskriminierungen auszuschließen.
Frage 9. Durch welche Maßnahmen sorgt die
Landesregierung dafür, dass Jugendliche, die einen FSJ-PIatz suchen, über
die Geisteshaltung und den Missionierungsauftrag der OJC informiert werden?