Der Kölner Kardinal Meisner hat sich
mit einem heiklen Vergleich zum Streitthema Präimplantationsdiagnostik zu
Wort gemeldet. Er verglich die Tests an Embryonen mit der biblischen
Geschichte vom Kindermord in Bethlehem. Es ist nicht die erste Provokation
des katholischen Geistlichen.
Köln - Kardinal
Joachim Meisner ist für deutliche Worte und scharfe Attacken
bekannt. Nun hat sich der Kölner Erzbischof in einer Predigt zur
umstrittenen
Präimplantationsdiagnostik (PID) geäußert und einen
zweifelhaften Vergleich gezogen. Er stellte den Gentests an Embryonen den
biblischen Kindermord von Bethlehem gegenüber.
König Herodes habe im Matthäus-Evangelium eine
Selektion nach ganz bestimmten Kriterien vorgenommen, sagte Meisner am
Dienstag in seiner Predigt zum Fest der Unschuldigen Kinder im Kölner Dom.
Genau dies täten heute die PID-Befürworter. "Gewiss, es ist politisch
unkorrekt, diesen Vergleich zu ziehen, weil die Befürworter von PID um
ihre Entscheidung gerungen haben. Aber bei allem Ringen: Diese
Entscheidung ist falsch", sagte der Kardinal.
Laut biblischer Überlieferung ließ Herodes alle Jungen
aus Bethlehem im Alter von bis zu zwei Jahren töten, weil er den
neugeborenen Jesus als Gefahr für seine eigene Macht betrachtete. "Die
Kriterien des Herodes waren: Ort, Alter, Geschlecht, Stand der Forschung",
sagte Meisner laut dem vorab verbreiteten Predigttext. "Die Befürworter
der PID haben auch ihre Kriterien, und sie machen sich auch den Stand der
Forschung zunutze."
Meisner verurteilte PID scharf: "Es kann nicht göttlich
sein, zu töten. Es kann nicht göttlich sein, zu selektieren. Es kann nicht
göttlich sein, Angst triumphieren zu lassen", sagte er. Bei der PID gebe
es keinen Mittelweg.
"Der Mensch in seiner Würde ist von dem Moment an da,
wo die Eizelle befruchtet ist." Niemand habe das Recht, hier eine Auswahl
zu treffen. "PID zieht immer Selektion und Tötung nach sich. Wer PID
zulässt, sagt Nein zum Leben und damit Nein zu Gott selbst", erklärte der
Kardinal. Auch andere Bischöfe
hatten sich in ihren Weihnachtspredigten gegen die Embryonentests
ausgesprochen.
Meisner ist für umstrittene Vergleiche berüchtigt
Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen
außerhalb des Mutterleibs auf Erbkrankheiten untersucht. So sollen Fehl-
und Totgeburten oder Geburten kranker oder behinderter Kinder vermieden
werden. Nur gesunde Zellen werden in den Mutterleib eingepflanzt. Die
nicht verwendeten Embryonen sterben ab.
Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Parlamentariern
hatte zuletzt einen Gesetzentwurf vorgestellt, der die PID in engen
Grenzen erlauben soll. Die Gegner wollen allerdings bald nachziehen. Im
deutschen Embryonenschutzgesetz von 1990 wurde die
Präimplantationsdiagnostik noch nicht ausdrücklich geregelt und galt daher
als strafbar. Mit einem Urteil vom Juli dieses Jahres hat der
Bundesgerichtshof (BGH) allerdings die Auswahl künstlich befruchteter
Eizellen bei Paaren mit einer Veranlagung zu schweren Genschäden erlaubt.
Deswegen steht nun eine gesetzliche Regelung an. Die Abstimmung im
Bundestag soll ohne den sogenannten Fraktionszwang stattfinden.
Meisner betonte, dass die menschliche Würde unabhängig
von Krankheiten und Behinderungen sei und auch unabhängig vom Alter. Der
Mensch unterscheide sich vom Tier dadurch, dass er Person sei. Diese
Personalität gelte zum Beispiel auch für schwer geistig Behinderte. Eine
Zulassung von PID würde "lawinenartig eine weitere Lockerung des
Lebensschutzes" verursachen, warnte der 77-jährige Priester.
Die Errungenschaften des medizinischen und
biotechnischen Fortschritts könnten auch vom Heil ins Unheil kippen, sagte
Meisner. "Gesundheit ist gewiss ein hohes Gut, das höchste Gut des
Menschen ist sie nicht", hieß es in seiner Predigt. Das höchste Gut sei
die Beziehung zu Gott.
Meisner provozierte bereits in der Vergangenheit mit
umstrittenen Vergleichen Kritik. So zog er Parallelen zwischen
Abtreibungen und dem Holocaust. Im vergangenen Jahr hatte der Kölner
Erzbischof in seiner Allerheiligen-Predigt
das Weltbild des Evolutionsbiologen Richard Dawkins mit dem der Nazis
verglichen.
Quelle:Spiegel-Online,28.12.2010